Konflikt zwischen Iran und Pakistan:Worum geht es bei den Angriffen in Belutschistan?

Lesezeit: 4 Min.

Einwohner eines Dorfes nahe Saravan in der iranischen Provinz Sistan-Belutschistan, nach dem pakistanischen Angriff. (Foto: Videoscreenshot via Reuters)

Mit Raketen, Drohnen und Bomben zerstören Iran und Pakistan Ziele auf dem jeweils anderen Staatsgebiet. Droht eine Eskalation zwischen den beiden Ländern? Und was hat China mit dem Konflikt zu tun? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Raphael Geiger, Arne Perras und David Pfeifer

Iran greift Ziele im pakistanischen Teil von Belutschistan mit Raketen und Kamikaze-Drohnen an, Pakistan schlägt zurück und bombardiert ein Dorf in der iranischen Provinz Sistan und Belutschistan. Droht eine Eskalation zwischen den beiden Ländern? Und was hat China mit dem Konflikt zu tun? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Worum geht es in dem Konflikt?

Iran und Pakistan haben bei ihren Angriffen auf das Territorium des jeweils anderen Staats zwar Terrorgruppen attackiert, aber in beiden Fällen geht es auch um Signale ins Inland und weitere ins Ausland. Iran steht im Zentrum mehrerer Konflikte im Nahen Osten. In der von Terroranschlägen gebeutelten Atommacht Pakistan wird am 8. Februar gewählt.

Teheran schickte am Dienstag Raketen und Drohnen in die pakistanische Grenzstadt Panjgur, um die Terrororganisation Jaish ul-Adl zu treffen. In Islamabad reagiert man seit der Ermordung Osama bin Ladens durch die USA auf pakistanischem Boden empfindlich auf solche Aktionen. Das mächtige Militär des Landes will nicht leicht angreifbar wirken. Pakistan schlug also am Donnerstag zurück und bombardierte ein Dorf nahe Saravan, einer ebenfalls grenznahen iranischen Stadt in Sistan-Belutschistan, um die Balochistan Liberation Front (BLF) zu treffen. Deren Kämpfer streben eine Unabhängigkeit Belutschistans an.

Islamabad erklärte, der Angriff beruhe auf "glaubwürdigen Geheimdienstinformationen" über "bevorstehende groß angelegte terroristische Aktivitäten" von jenseits der Grenze, wo Terroristen pakistanischer Herkunft in den unkontrollierten Gebieten Irans Zuflucht finden. Der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian wiederum erklärte, dass Iran zwar die Souveränität und territoriale Integrität Pakistans respektiere, das Land aber keine Kompromisse bei seiner eigenen Sicherheit eingehen werde.

Die Regierungen wollen also auf höchster Ebene deeskalieren und gleichzeitig die Nachricht senden, dass sie hart gegen Terroristen vorgehen. Vor allem in der unterentwickelten, in Teilen gesetzlosen Provinz Belutschistan.

Welche Bedeutung hat die Provinz Belutschistan, und welche Probleme ergeben sich dort?

Belutschistan ist die flächenmäßig größte Provinz Pakistans, sie dehnt sich als Sistan-Belutschistan aber auch weit nach Iran aus und grenzt im Norden an Afghanistan. Die Region ist schwach besiedelt, und die Belutschen sind eher in Clans organisiert, als dass sie sich einem Staat zugehörig fühlen. Sie sind Sunniten, wie die meisten Pakistaner. Im schiitisch dominierten Iran sind sie eine Minderheit. Die Region ist wirtschaftlich unterentwickelt, aber reich an Bodenschätzen. Teheran sperrt immer wieder Grenzübergänge in der Region, was Familien trennt und das Reisen kompliziert und gefährlich macht.

Allerdings ist die mehr als 900 Kilometer lange Grenze kaum zu bewachen, der Schwarzmarkt mit iranischem Öl blüht, da der Verkauf durch die Sanktionen der USA stark eingeschränkt ist.

Mehrere Terrororganisationen finanzieren sich durch Wegzölle oder Erpressung, sie nutzen die Region auch, um sich zu sammeln und neu zu gruppieren.

Welche Rolle spielen China und der Ausbau der Neuen Seidenstraße in Belutschistan?

Durch den pakistanischen Teil von Belutschistan führt auch Pekings "Belt & Road"-Initiative, weswegen China, das sich gleichzeitig als Verbündeter Irans sieht, ebenfalls betroffen ist und angeboten hat, zwischen Teheran und Islamabad zu vermitteln. Pakistan hat sich - angesichts der chronischen Feindschaft mit Indien - im Laufe der Jahre immer enger an China gebunden. Peking verspricht politischen Rückhalt, es zahlt Kredite und investiert vor allem massiv in eine Handelsroute, die quer durch pakistanisches Gebiet bis zur Küste in Belutschistan führt. Dort liegt der Tiefseehafen Gwadar, der für Peking das Tor zum Indischen Ozean öffnet.

Nach dem iranischen Angriff kommt es in Pakistans Hauptstadt Islamabad zu Protesten. (Foto: Farooq Naeem/AFP)

Doch wachsen damit auch die Gefahren für chinesische Staatsangehörige, die entlang dieser Route arbeiten. Immer wieder haben mutmaßliche Rebellen aus Belutschistan wie die Balochistan Liberation Front Anschläge auf chinesische Konvois verübt, zur Zahl der Toten und Verletzten macht Peking keine genauen Angaben. Die separatistischen Gruppen in Belutschistan begründen ihre Attacken damit, dass andere von dem Wirtschaftsdeal und den Rohstoffen ihrer Heimat profitieren und sie gar nicht gefragt wurden, als das alles ausgehandelt wurde. Der pakistanische Staat muss ein gewaltiges Militärkontingent aufbieten, um die Chinesen und die Bauvorhaben entlang der sogenannten Neuen Seidenstraße zu schützen, wo sie die Provinz Belutschistan durchschneidet.

Was sind Irans Motive für die Raketenangriffe - erst auf Syrien und das irakische Erbil, dann auf Ziele in Pakistan?

Das iranische Regime behauptet, es handele sich um Vergeltungsschläge gegen Terroristen. Im Einzelnen: In Syrien gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS), dessen afghanischer Ableger Anfang Januar in Iran einen Bombenanschlag mit mehr als 90 Toten verübt hat; in Erbil gegen ein angebliches Spionagezentrum der Israelis, dessen Existenz wohl eine Fantasie der iranischen Propaganda ist; und in der pakistanischen Region Belutschistan gegen die sunnitische Terrorgruppe Jaish ul-Adl, die sich immer wieder zu Anschlägen auf iranische Sicherheitskräfte bekannt hat.

Tatsächlich hat keine der Raketen etwas gegen Irans Feinde ausrichten können, die Toten waren Zivilisten. Vom eigentlichen Sinn der Angriffe erzählt ein Zitat des iranischen Verteidigungsministers. "Wir sind in der Welt eine Raketenmacht", sagte Mohammed-Resa Aschtiani. Das wollte das Regime wohl zeigen: dass es mit seinen Raketen auch Syrien erreichen kann, was ähnlich weit entfernt ist wie Israel. Davor, Israel oder eine US-Einrichtung in der Region anzugreifen, schreckt Teheran allerdings zurück. Im Nahen Osten nahm es Ziele ins Visier, bei denen es keine Reaktion fürchten musste.

Die pakistanische Reaktion richtete sich wiederum gegen Kämpfer der Balochistan Liberation Front, wenngleich auf iranischem Gebiet - ebenfalls eher kein Akt der Eskalation. Tatsächlich wurden bei dem Militärschlag Teheran zufolge nur pakistanische Staatsangehörige getötet.

Was haben die Raketenangriffe mit dem Nahostkonflikt zu tun? Könnte es sein, dass Iran dort doch noch eingreift?

In Teheran heißt es, man lasse sich von Israel und den USA nicht provozieren. Sprich, die Kriegstreiber seien die anderen. Trotzdem sendet das Mullah-Regime gemischte Signale: Es lässt seine Verbündeten wie die libanesische Hisbollah und die jemenitischen Huthi zündeln, lässt schiitische Milizen auf US-Einrichtungen im Irak feuern. Teheran will sein Potenzial in der Region zeigen, immerhin musste es sich von Israel zuletzt mit Aktionen wie der Tötung eines Generals demütigen lassen.

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Dass die Hisbollah den Norden Israels beschießt, gehört zur iranischen Reaktion. Dazu kommt, dass das Regime seit Beginn des Gaza-Krieges wieder mehr Uran anreichert - bei einem Reinheitsgrad von 60 Prozent, wie die Internationale Atomenergie-Organisation mitgeteilt hat. Theoretisch wäre es für Iran damit nicht mehr weit bis zur Bombe, die Pakistan bereits hat.

Offenbar geht es der iranischen Führung im Moment vor allem um zwei Dinge: Stärke zeigen, einen größeren Krieg vermeiden. Denn auch intern ist die Lage für das Regime schwierig. Die Wirtschaftskrise dauert an, der Deal mit den USA, wonach die Mullahs an eingefrorene Öleinnahmen gekommen wären, ist wegen des Gaza-Krieges gescheitert. Und die teure Unterstützung für Hamas und Hisbollah ist im Land höchst unbeliebt.

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