Norwegen:"Die Ölpolitik unseres Landes ist illegal"

Lesezeit: 2 min

Norwegen gibt sich gern als Vorreiter der grünen Energie, ist aber ein führender Öl- und Gasexporteur: Bohrinseln in der Nordsee. (Foto: Ints Kalnins/Reuters)

Umweltschützer verklagen Norwegen erfolgreich wegen rechtswidriger Genehmigungen für Ölfelder in der Nordsee. Ob das Urteil dauerhafte Folgen haben wird, ist aber offen.

Von Alex Rühle, Helsinki

Die norwegische Sektion von Greenpeace und die Umweltvereinigung "Natur og Ungdom" (Natur und Jugend) haben ein Gerichtsverfahren gegen den norwegischen Staat gewonnen. Die Klimaorganisationen hatten den Staat wegen illegaler Genehmigungen für drei Ölfelder in der Nordsee verklagt. In ihren Augen waren die Auswirkungen der künftigen Erdölnutzung auf das Weltklima vor der Genehmigung jeweils nicht ausreichend bewertet worden.

Das Bezirksgericht Oslo urteilte, das Energieministerium habe die drei Ölfelder tatsächlich rechtswidrig genehmigt. Der norwegische Greenpeace-Vorsitzende Frode Pleym schrieb der Süddeutschen Zeitung in einer Mail, er sei "überglücklich und sehr erleichtert" über das Urteil, das in gewisser Weise die Fortsetzung eines älteren Rechtsstreits bildet.

65 Prozent des Exportvolumens besteht aus fossilen Energien

2016 hatte Norwegen neue Ölbohrungen in der nordatlantischen Barentssee gestattet. Greenpeace hatte damals durch drei Instanzen dagegen geklagt und endgültig verloren. Die Umweltorganisation hatte dem Ministerium für Erdöl und Energie vorgeworfen, gegen einen Paragrafen der norwegischen Verfassung verstoßen zu haben, demzufolge das Volk ein Recht auf eine gesunde Umwelt habe.

Der Staat gewann zwar vor dem Obersten Gerichtshof mit elf zu vier Stimmen. Allerdings entschieden die Richter damals, dass die Regierung ab sofort bei der Erschließung neuer Öl- und Gasfelder die Klimafolgen und die jeweils exportierten Emissionen untersuchen müssen, bevor die Genehmigung zu deren Ausbeutung erteilt werden darf.

Norwegen gibt sich gern als Vorreiter der grünen Energiewende. Dabei wird allerdings meist vernachlässigt, dass das Land zu den weltweit führenden Öl- und Gasexporteuren gehört. 2022 machten die Öl- und Gasverkäufe 65 Prozent des norwegischen Exportvolumens aus, der Staat nahm dadurch rund 130 Milliarden Euro ein. Laut Greenpeace setzt dieses Öl und Gas bei der Verbrennung im Ausland rund 500 Millionen Tonnen CO₂ frei - zehnmal mehr als alle anderen norwegischen Emissionen zusammen. Umweltverbände fordern seit Langem, dass diese Emissionen mit in die Kalkulation eingezogen werden müssen.

Die Grünen sprechen von einem "historischen Jubeltag"

Die drei Ölfelder mit den Namen Yggdrasil, Tyrving und Breidablikk, um die es in dem aktuellen Prozess ging, enthalten zusammen rund 875 Millionen Barrel Öl. Auf Tyrving und dem mit 650 Millionen Barrel größten Feld Yggrdasil darf die Produktion nun gar nicht erst gestartet werden. Breidablikk ist bereits in Produktion, dort darf bis Ende 2024 eigentlich weiter gefördert werden. Da das Bezirksgericht Oslo in seinem Urteil aber der Forderung nach einer einstweiligen Verfügung stattgab, forderte Greenpeace am Donnerstag nach der Urteilsverkündung, die Produktion auf Breidablikk mit sofortiger Wirkung einzustellen.

Der norwegische WWF kommentierte das Urteil mit dem Satz, die Regierung und die Mehrheit der Parlamentarier hätten "Jahr für Jahr eine Ölpolitik betrieben, die überhaupt nichts mit den norwegischen Klimazielen zu tun hat". Norwegen hat das Pariser Abkommen unterzeichnet, das die Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zum Ziel hat. Außerdem hat das norwegische Parlament, das Jahr für Jahr neuen Genehmigungen für Öl- und Gasfelder zustimmt, 2016 beschlossen, dass Norwegen bis 2030 klimaneutral werden soll.

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Die norwegischen Grünen sprachen nach dem Urteil von einem "historischen Jubeltag", beweise das Urteil doch, "dass die Ölpolitik unseres Landes illegal ist", wie Parteichef Arild Hermstad sagte. Die sozialistische Linkspartei SV forderte die Regierung auf, eine umfassende Erklärung zu allen aktuellen Entwicklungsgenehmigungen abzugeben.

Ob das Urteil dauerhafte Konsequenzen für die Erschließung und Ausbeutung der Ölfelder haben wird, ist völlig offen. Die Firmen Equinor und Aker BP, die die drei Felder betreiben, äußerten sich zunächst nicht zu dem Urteil, Energieminister Terje Aasland sagte aber, er erwäge, gegen den Fall Berufung einzulegen. Aasland hatte erst Anfang dieser Woche 62 neue Öl- und Gaslizenzen für Gebiete in der Nordsee und im Nordatlantik vergeben.

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