Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat angesichts der Rezessionswarnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) allen Forderungen nach einem weiteren Ausbau des Sozialstaats in Deutschland eine Absage erteilt. "Die Zeit der reinen Verteilungspolitik in unserem Land ist zu Ende gegangen. Wir müssen jetzt wieder investieren, erneuern und strukturelle Reformen auf den Weg bringen, denn mit dem Wohlstand der Vergangenheit können wir die soziale Sicherheit von heute und morgen nicht mehr darstellen", sagte Lindner bei der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank in Washington. Er halte die Konjunkturprognose des IWF zwar für zu pessimistisch. Fakt aber sei, dass sich viele Länder dynamischer entwickelten als Deutschland.
Der IWF geht in seinem jüngsten Weltwirtschaftsausblick davon aus, dass die gesamtwirtschaftliche Leistung in der Bundesrepublik im laufenden Jahr um 0,1 Prozent schrumpfen wird. Allen anderen großen Volkswirtschaften der Welt - mit Ausnahme Großbritanniens - hingegen sagen die Ökonomen teils deutliche Zuwächse voraus. Die Prognose ist für die Bundesregierung einerseits wenig schmeichelhaft. Andererseits spielt sie dem Finanzminister in die Karten, denn sie liefert ihm bei der Aufstellung des Haushalts für 2024 zusätzliche Argumente, die umfangreichen Ausgabenwünsche der Koalitionspartner SPD und Grüne abzuwehren. Allein für die Einführung einer Kindergrundsicherung wollen etwa die Grünen in den nächsten Jahren zweistellige Milliardenbeträge ausgeben.
IWF-Prognose:Weltwirtschaft im Nebel
Trotz leichter Erholung nehmen die Risiken für die globale Konjunkturentwicklung weiter zu. Das bekommt vor allem Deutschland deutlich zu spüren.
Lindner sagte, er verstehe, dass die Fachministerien "alle mehr wollen", denn jedes Haus habe ambitionierte Ziele. Es gehe jetzt aber darum, Prioritäten zu setzen und "das zunächst Dringliche anzugehen, um uns dann Spielräume zu erarbeiten, das Wünschenswerte zu einem späteren Zeitpunkt umzusetzen". Deutschland müsse "zurück zu einer wirtschafts- und wachstumsfreundlichen Politik", betonte der Minister, der in den kommenden Monaten weitere Vorschläge für Steuererleichterungen, den Abbau bürokratischer Hürden und die Förderung von Investitionen vorlegen will.
Die Ministerien wollen 70 Milliarden für zusätzliche Ausgaben
Die regierungsinternen Verhandlungen über die Aufstellung des Haushalts liegen derzeit auf Eis, weil sich die Koalitionspartner bisher nicht auf gemeinsame Prioritäten einigen konnten. Während die Fachressorts zusätzliche Ausgabenwünsche in einer Größenordnung von 70 Milliarden Euro angemeldet haben, verweist Lindner darauf, dass schon ohne diese Forderungen eine Lücke von bis zu 18 Milliarden Euro klafft. Statt einer Debatte über Mehrausgaben wäre also eigentlich erst einmal ein Sparpaket notwendig.
Finanzministerium und Kanzleramt beraten derzeit über ein Verfahren, mit dem sich die Meinungsunterschiede überwinden lassen und das sicherstellt, dass bis Juni ein gemeinsamer Etatentwurf der Ampelkoalition auf dem Tisch liegt. Denkbar ist dabei auch ein sogenanntes Haushaltsbegleitgesetz, mit dem die Regierung bereits bestehende gesetzliche Ausgabenverpflichtungen beschneiden könnte.