Analyse zu Wahlen in Bayern und Hessen:Deutschland rückt nach rechts

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Die AfD-Bundessprecherin Alice Weidel reagiert in Wiesbaden auf die Prognosen zur Landtagswahl in Hessen. (Foto: WOLFGANG RATTAY/REUTERS)

Einige prominente Politiker schreiben Geschichte - mit schlechten Ergebnissen. Markus Söder schafft es wieder nicht über 40 Prozent, Bundesinnenministerin Nancy Faeser erlebt ein Debakel. Und es bestätigt sich ein Trend nach rechts, der die Ampelkoalition vor eine schwierige Aufgabe stellt.

Von Nicolas Richter, Berlin

Söder nur mittelmäßig, Merz kann sich freuen

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der in jeder Lebenslage den starken Mann gibt, hat abermals mittelmäßig bis schlecht abgeschnitten. Jedenfalls nach den Maßstäben der CSU. Sie erzielte diesmal laut vorläufigem Endergebnis 37,0 Prozent der Stimmen. Das entspricht ungefähr dem Ergebnis aus dem Jahr 2018, als die CSU auf 37,2 Prozent kam und zum Regieren wieder einen Koalitionspartner brauchte. Das damalige Ergebnis galt als historisch schlecht, weswegen Söder nun zwei historisch schlechte Ergebnisse zu verantworten hat, was für sich genommen auch schon wieder historisch ist. Zum Vergleich: Der letzte CSU-Spitzenkandidat, der nicht Söder hieß, war Horst Seehofer, der im Jahr 2013 auf 47,4 Prozent kam.

In früheren Zeiten hätte sich die CSU nach einem Ergebnis unter 40 Prozent sofort von dem Unglückskandidaten getrennt. Söder aber muss sich nicht allzu große Sorgen machen: Seine Partei hält zu ihm, hat ihn jüngst mit 96,6 Prozent als Parteichef bestätigt. Einfach wird das Regieren trotzdem nicht: Söder hat sich früh darauf festgelegt, mit den Freien Wählern weiterzumachen. Die haben sich allerdings von 11,6 Prozent im Jahr 2018 auf 15,8 Prozent verbessert und dürften fordernder auftreten denn je.

Und es gibt noch eine zweite Konsequenz: Da Söder alles andere als großartig abgeschnitten hat, kann er keinen natürlichen Anspruch auf die Kanzlerkandidatur der Union im Jahr 2025 erheben. Wenn Söder als bayerisches Original schon in Bayern Mühe hat, dann dürfte es ihm im Bund nicht viel besser ergehen. Die Kandidatenfrage oder "K-Frage" dürften dann wohl CDU-Chef Friedrich Merz und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst unter sich ausmachen.

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Nancy Faeser ist brutal gescheitert

Sie wolle die erste Frau an der Spitze der hessischen Landesregierung werden, sagte Nancy Faeser, als sie sich zur Spitzenkandidatin der SPD in Hessen erklärte. Die Hessinnen und Hessen wollen nun lieber den Amtsinhaber Boris Rhein (CDU) behalten. Das Ergebnis ist für Faeser geradezu brutal, sie hat das historisch schlechte Ergebnis ihrer Partei von 2018 (19,8 Prozent) noch unterboten (15,1 Prozent). Dabei hatte Faeser eigentlich beste Voraussetzungen: Sie stammt aus Hessen und ist dort bekannt. Gleichzeitig ist sie als Innenministerin im Bund verantwortlich für das Thema, das die Menschen gerade mit am meisten beschäftigt - die legale und die illegale Einwanderung.

Aber Faeser ist es nicht gelungen, die Wählerschaft für sich zu begeistern. Eher schien sie mit ihrer doppelten Aufgabe überfordert zu sein: Sie füllte weder die Rolle als Kandidatin noch die als Ministerin richtig aus. Das erinnert an Norbert Röttgen, der als Bundesumweltminister im Jahr 2012 Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen werden wollte. Am Ende hatte er keines von beiden Ämtern - das eine gönnten ihm die Wähler nicht, das andere entzog ihm Kanzlerin Angela Merkel. Faeser dürfte immerhin letzteres Los erspart bleiben. Sie ist als Innenministerin kaum zu ersetzen, weil sich Kanzler Olaf Scholz auf eine Mann-Frau-Parität im Kabinett festgelegt hat und sich in der SPD gerade keine Frau für das Innenressort aufdrängt. Faesers Autorität dürfte nach diesem Wahlergebnis allerdings leiden.

AfD als heimliche Wahlsiegerin

Bei den Landtagswahlen hat sich der Trend der jüngsten Zeit bestätigt: Deutschland rückt nach rechts. In Bayern hat sich die AfD laut Prognosen deutlich verbessert, von 10,2 Prozent im Jahr 2018 auf knapp 15 Prozent - sie ist damit drittstärkste Kraft. Ähnlich ist es in Hessen: Hier hat sich die AfD von 13,1 Prozent auf gut 18 gesteigert. Damit bestätigt sich der Trend, der sich seit einiger Zeit schon im Bund und vor allem im Osten Deutschlands zeigt: In Thüringen, Brandenburg und Sachsen, wo im kommenden Jahr Landtagswahlen stattfinden, liegt die AfD Umfragen zufolge weit in Führung.

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Anders betrachtet: In Bayern etwa kommen die linken oder liberalen Parteien der Ampelregierung im Bund (SPD, Grüne, FDP) kumuliert auf nicht einmal 30 Prozent der Stimmen. Bei der Sonntagsfrage ("Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre ...") lag die AfD im Bund zuletzt bei mehr als 20 Prozent, während die Union zum Teil deutlich unter die 30-Prozent-Marke fiel. Sollte es der Ampelregierung mit ihrer geschwächten Innenministerin Nancy Faeser nicht bald gelingen, das Reizthema Migration überzeugend anzugehen, dürfte sich dieser Trend wohl noch fortsetzen.

Denkzettel für die Ampelparteien

Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und Liberalen im Bund stand zwar in Bayern und Hessen nicht zur Wahl; die beteiligten Parteien schnitten aber allesamt enttäuschend ab. Die SPD in Bayern verschlechterte sich abermals (von 9,7 Prozent im Jahr 2018 auf 8,4 in diesem Jahr). In Hessen scheiterten die Sozialdemokraten an ihrem erklärten Ziel, mit der bundesweit bekannten Innenministerin Nancy Faeser die Staatskanzlei zu erobern; stattdessen fiel die SPD hier sogar weiter zurück (von 19,8 Prozent im Jahr 2018 auf 15,1 Prozent in diesem Jahr). Die FDP verpasste in Bayern den Einzug in den Landtag, sie erreichte nur drei Prozent (im Jahr 2018 noch 5,1 Prozent), in Hessen war zunächst unklar, ob es für das Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde genügen würde.

Nur die Grünen mit ihrer sehr treuen Wählerschaft hielten halbwegs ihre Ergebnisse. In Bayern kamen sie auf 14,4 Prozent (2018: 17,6), in Hessen erreichten sie 14,8 Prozent (2018: 19,8). In beiden Fällen allerdings kamen sie ersten Prognosen zufolge hinter der AfD ins Ziel.

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Für Bundeskanzler Olaf Scholz dürfte das Regieren damit noch mühsamer werden, in der Bundespolitik stehen unruhige Zeiten bevor. Faeser ist geschwächt, die FDP kann im kommenden Jahr kaum auf Erfolge hoffen, und in der Kanzlerpartei SPD wächst die Sorge - denn inzwischen fürchten etliche SPD-Abgeordnete im Bundestag, im Jahr 2025 nicht wiedergewählt zu werden. Das dürfte für Forderungen an den Kanzler sorgen - zum Beispiel beim Industriestrompreis, den sich viele in der SPD wünschen, den Olaf Scholz aber bislang ablehnt. Und beim Thema Migration steht die Ampel nun unter großem Druck, sowohl von Union und AfD, als auch von der FDP in den eigenen Reihen.

Was wird aus der FDP?

Seit Beginn der Ampelkoalition sind Landtagswahlen meist trostlos für die Liberalen. Entweder haben sie deutlich verloren (Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein) oder sind gleich ganz an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert (Niedersachsen, Berlin, Saarland). Am Sonntag stand schnell fest, dass es die FDP in Bayern nicht mehr in den Landtag geschafft hatte. In Hessen war es zunächst ungewiss.

Nach der Niederlage in Niedersachsen vor einem Jahr kündigte Parteichef Christian Lindner an, das Profil der Liberalen zu schärfen. Das tat seine Partei vor allem dadurch, dass sie sich gegen die Grünen stellte, etwa bei Atomausstieg oder Heizungsgesetz. Danach sah es aus, als stabilisiere sich die Partei etwas. Im Bund liegt die FDP derzeit laut Umfragen knapp über der Fünf-Prozent-Marke. Parteichef Christian Lindner muss aller Voraussicht nach trotzdem nicht mit der Entmachtung rechnen. Die Partei ist auf seine Person ausgerichtet und es drängt sich niemand auf, der ihn ersetzen könnte.

Kompromissbereiter dürfte die Partei jedenfalls nicht werden, schon gar nicht gegenüber den Grünen, und schon gar nicht beim Thema Migration. Lindner hat bereits mal klargemacht, dass er sich vor der Bundestagswahl nicht auf eine mögliche Koalition festlegen wird - auch nicht auf eine Fortsetzung der Ampel.

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