Bundesregierung:"Ihre Untätigkeit ist weder erklärbar noch nachvollziehbar"

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Klara Geywitz (SPD), Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, bei der Besichtigung einer Baustelle in Berlin. (Foto: Britta Pedersen/DPA)

Sozialdemokraten werfen FDP-Justizminister Buschmann in einem offenen Brief vor, die Mietrechtsreform zu blockieren. Die Liberalen attackieren daraufhin SPD-Bauministerin Geywitz.

Von Angelika Slavik, Berlin

Die Kulturform des offenen Briefs ist in der Politik immer ein Menetekel, ein Anzeichen für bevorstehendes Unheil. In der Ampelkoalition war es in diesen Tagen nun wieder so weit: Menschen verschickten offene Briefe, und weil man davon ausgehen darf, dass alle Beteiligten ja auch ein Telefon zur Verfügung gehabt hätten, kann man sagen: Die Stimmung in der Koalition ist, wieder mal, zum Zerreißen gespannt.

Das Schreiben an den "sehr geehrten Herrn Bundesjustizminister Dr. Buschmann" stammt aus den Reihen der SPD - und geht mit markigen Worten mit dem FDP-Mann ins Gericht. Dieser lasse seit mehr als zwei Jahren "die Mieterinnen und Mieter in Deutschland im Stich", heißt es da. Von der vereinbarten Mietrechtsreform habe Buschmann bislang "noch nicht eine Maßnahme" auf den Weg gebracht, beklagen die Sozialdemokraten. "Ihre Untätigkeit ist weder erklärbar noch nachvollziehbar", Buschmanns Verhalten sei "fatal" und gehe zulasten "der Schwächsten unseres Landes". Harte Worte für den eigenen Koalitionspartner - die offiziell von Verena Hubertz und Dirk Wiese stammen, beide stellvertretende SPD-Fraktionschefs, beide als Verfasser des Schreibens namentlich genannt. Wohl als inoffizielle Absenderin zu betrachten: Bundesbauministerin Klara Geywitz.

Stimmung in der Baubranche auf "einem historischen Tiefpunkt"

Entsprechend harsch fielen die Reaktionen der Liberalen aus: Katrin Helling-Plahr, rechtspolitische Sprecherin, ließ wissen, die SPD solle doch "lieber vor der eigenen Haustür kehren: Ihre Bauministerin Geywitz hat ihr Ziel, jährlich 400 000 Wohnungen zu schaffen, im vergangenen Jahr erneut weit verfehlt". Auch der liberale Baupolitiker Daniel Föst fauchte in Richtung Geywitz: "Obwohl die SPD den Kanzler und die Bauministerin stellt, befindet sich die Stimmung in der Baubranche an einem historischen Tiefpunkt." Die Sozialdemokraten sollten "dringend ihre Prioritäten hinterfragen".

Der Konflikt zwischen Buschmann und Geywitz um den Mieterschutz schwelt schon seit mehr als einem Jahr, dass er nun in der Öffentlichkeit als Stellvertreter-Duell ausgetragen wird, ist die nächste Eskalationsstufe. Im Bauministerium ist man bei dem Thema ohnehin sensibel - das Haus ist zwar für die Gesetzgebung rund um das Thema Mieten nicht zuständig, kriegt politisch aber immer den ganzen Ärger über die Misere auf dem Wohnungsmarkt ab. Zudem wird die Zeit für eine Verlängerung der Mietpreisbremse langsam knapp: Die Bundesregelung läuft noch bis Ende des Jahres, aber in Hamburg, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen laufen die geltenden Landesverordnungen bereits Ende Juni aus, in Berlin sogar schon Ende Mai.

Auch andere Gesetzesvorhaben scheitern an der FDP und ihrem Justizminister

Dazu kommt: Wie erst jetzt bekannt wird, hängt noch ein anderes Gesetzesvorhaben aus dem Hause Geywitz in der regierungsinternen Abstimmung fest: das sogenannte Hochbaustatistikgesetz. Es soll von 2026 an für eine bessere Datengrundlage in Sachen Neubau sorgen. Bislang gibt es immer erst im Mai belastbare Zahlen über die Bautätigkeit des Vorjahres, das erschwert nach Ansicht der Ministerin schnelle Reaktionen auf die Entwicklungen des Marktes. Eigentlich ein schnödes Verwaltungsthema ohne weitere politische Auswirkungen - dennoch soll auch dieses Gesetz bislang am Widerstand der Liberalen scheitern. Ein ähnliches Schicksal erleidet die Novelle des Baugesetzbuches: Sie steckt in der sogenannten Frühkoordinierung, schafft es bislang also auch nicht durch die Ampel-internen Abstimmungsmechanismen.

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Das, so hört man in Berlin, bringe die sonst so stoische Klara Geywitz nun richtig auf Zinne. In ihrem Haus betrachtet man besonders den FDP-Widerstand gegen das Hochbaustatistikgesetz als Akt willfähriger Schikane ohne jeden politischen Hintergrund. Der Widerstand kommt wohl auch aus dem FDP-geführten Bundesfinanzministerium. Zumindest im Haus von Justizminister Buschmann kann man sich den Ärger jedenfalls nicht erklären: Man habe lediglich ein paar "technische Anmerkungen" zum Gesetz gehabt, sagt ein Sprecher, danach habe man auf eine neue Fassung gewartet. Die habe man nie erhalten. Klingt nach viel Stoff für neuen Schriftverkehr.

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