Gaza und Israel:Mit vereintem Druck zum Frieden?

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US-Außenminister Blinken am Rande des Weltwirtschaftsgipfels in Riad bei einem Sondertreffen zur humanitären Krise in Gaza. (Foto: Evelyn Hockstein/Reuters)

Kommen bald 40 israelische Geiseln aus Gaza frei, im Gegenzug für eine Waffenruhe? Dafür - und für die Chancen der Region auf eine Zukunft - haben die Außenminister westlicher und arabischer Staaten in Riad Bedingungen ausgelotet.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Seit ein paar Tagen liegt die USNS Benavidez im Mittelmeer, zehn Kilometer vor der Küste des Gazastreifens. Was zuvor nur auf Satellitenbildern zu sehen war, hat das US-Militär am Dienstag erstmals mit Fotos dokumentiert, die offenkundig von dem 290 Meter langen Versorgungsschiff aus gemacht wurden: Soldaten haben damit begonnen, einen schwimmenden Pier zu montieren, den US-Präsident Joe Biden in seiner Rede zur Lage der Nation Anfang März angekündigt hatte. Auf 320 Millionen Dollar schätzt das Pentagon die Kosten für die Konstruktion, über die anfänglich 90 Lastwagenladungen mit Hilfsgütern in das Palästinensergebiet gelangen sollen, im Vollbetrieb dann 150.

Der Bau der provisorischen Hafenanlage ist auch ein sichtbares Zeichen, dass die Geduld in Washington mit der Regierung des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu aufgebraucht ist. Billiger und einfacher wäre es, wenn mehr Lastwagen auf dem Landweg in den Küstenstreifen gelangen würden. Israel und die Vereinten Nationen machen sich gegenseitig dafür verantwortlich, dass das noch immer nicht in ausreichendem Maß geschieht.

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Für ein Ende des Kriegs im Gazastreifen und eine dauerhafte politische Lösung lassen sich derartige Hilfskonstruktionen allerdings nicht zimmern. Ohne aktive Beteiligung der Konfliktparteien geht es nicht. Von den nächsten Tagen dürfte abhängen, ob Hoffnung oder Frustration sich durchsetzen - die beiden gegensätzlichen Stimmungen, mit denen Diplomaten eine Reihe von Gesprächen in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad beschreiben.

Von dem Geisel-Deal "hängt jetzt alles ab", heißt es in Riad

Im Zentrum der Beratungen am Rande eines Treffens des Weltwirtschaftsforums stand neben dem Zugang für humanitäre Hilfe nach Gaza vordergründig die Frage, ob Israel und die Hamas einen Weg finden zu einer Freilassung von zunächst bis zu 40 der von der Terrororganisation weiter in Gaza festgehaltenen israelischen Geiseln im Gegenzug für eine Waffenruhe. "Davon hängt jetzt alles ab", sagte eine mit den Gesprächen vertraute Person.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte am Dienstag nach ihrer Rückkehr nach Berlin dem Deutschlandfunk, es liege jetzt "allein in den Händen" des Hamas-Führers im Gazastreifen, Yahia Sinwar, ob die Geiseln endlich freikommen. Man habe in den vergangenen Monaten aber immer wieder gesehen, dass die Hamas versuche, den Krieg zu verlängern. Deswegen sei es wichtig, dass wir "eine gemeinsame, geschlossene Stimme von arabischen Ländern, von europäischen Ländern, von den Amerikanern haben, die deutlich macht: Dieser furchtbare Krieg, der muss ein Ende haben."

In diskreter Runde erörterten Außenminister westlicher und arabischer Staaten in Riad aber auch Elemente für eine Übergangsperiode zwischen einem Ende der Kampfhandlungen und dem von dieser Gruppe geteilten Ziel einer Zweistaatenlösung. Vertreten waren neben den USA auch Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland. Aus der Region nahmen neben Saudi-Arabien zudem Ägypten, Jordanien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar teil.

Die USA könnten mit Saudi-Arabien ein Sicherheitsabkommen schließen

Es war die zweite Zusammenkunft dieser Gruppe. Das erste Treffen in diesem Format hatte Bundesaußenministerin Baerbock im Februar während der Münchner Sicherheitskonferenz einberufen. Wie damals nahmen nur die Minister selbst ohne weitere Mitarbeiter an der Unterredung teil. Offizielle Verlautbarungen zum Stand der Gespräche gibt es keine - zu sensibel ist deren Inhalt.

Bekannt ist lediglich, dass es dabei unter anderem um Interimsarrangements für Verwaltung und Sicherheit im Gazastreifen nach einem Ende der Kämpfe geht, die nach Einschätzung von Diplomaten auch eine internationale Truppenpräsenz erforderlich machen könnten. Zudem geht es um Reformen der Palästinensischen Autonomiebehörde.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat zwar Ende März eine neue Regierung mit Mohammad Mustafa als Premier eingesetzt. In etlichen westlichen Hauptstädten gilt das aber als nicht ausreichend. US-Außenminister Antony Blinken reiste am Dienstag weiter nach Amman; Jordaniens König Abdullah II. und seine Regierung pflegen enge Kontakte zur Autonomiebehörde und palästinensischen Politikern.

Mit dem saudischen Außenminister Prinz Faisal bin Farhan sprach Blinken auch über die Bemühungen der USA, eine Normalisierung der Beziehungen des Königreichs zu Israel zu vermitteln, wo er am Mittwoch erwartet wird. Präsident Biden ist dafür dem Vernehmen nach bereit, dem zentralen Wunsch von Kronprinz Mohammed bin Salman nachzukommen, ein Sicherheitsabkommen mit dem Königreich abzuschließen, das ähnlich wie derartige Vereinbarungen mit Japan oder Südkorea militärischen Beistand beinhalten würde. Zudem will Saudi-Arabien die Unterstützung der USA beim Aufbau eines zivilen Atomprogramms - was Sorgen in Washington auslöst, Riad wolle sich wie der regionale Rivale Iran eine Option auf Atomwaffen verschaffen.

Befiehlt Netanjahu die Rafah-Offensive, steht alles wieder auf dem Spiel

Von Israel allerdings verlangt Saudi-Arabien einen konkreten und an Daten geknüpften Plan zur Umsetzung einer Zweistaatenlösung, die Premier Netanjahu bislang zumindest öffentlich strikt ablehnt. Hier dürften Arrangements für eine Übergangszeit ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Ob und in welcher Form die arabischen Staaten allerdings bereit sind, sich daran zu beteiligen, dürfte wiederum davon abhängen, welche Zusagen Israel bereit ist zu machen.

Einige europäische Staaten erwägen, einen palästinensischen Staat bereits in den kommenden Monaten anzuerkennen, auch wenn bis dahin kein Prozess vereinbart werden kann. Die Bundesregierung ist da zurückhaltender. Anders als früher ist man im Auswärtigen Amt aber nicht mehr der Auffassung, dass ein solcher Schritt erst am Ende des Prozesses denkbar ist. Mehr Spielraum sieht man in Berlin bei der Frage einer Vollmitgliedschaft der Palästinenser bei den Vereinten Nationen.

Allerdings warnen Diplomaten, dass alle weitergehenden Überlegungen auf Monate hinaus wieder an Relevanz und Dynamik verlieren, wenn kein Geisel-Deal zustande kommt - und Netanjahu in der Folge der israelischen Armee den Befehl zu einer Offensive in Rafah erteilt. In der Stadt im Süden des Gazastreifens verschanzen sich viele der verbliebenen Hamas-Kämpfer. Dort haben allerdings auch Hunderttausende Palästinenser aus anderen Teilen des Gebiets Zuflucht gefunden.

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