Islamisches Zentrum Hamburg:Razzia beim "Außenposten des Teheraner Regimes"

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Einsatzkräfte der Polizei stehen während einer Razzia beim Islamischen Zentrum Hamburg vor der Blauen Moschee an der Außenalster. (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)

Politiker fordern schon lange ein Verbot des Trägervereins der Blauen Moschee in Hamburg. Bei Durchsuchungen in sieben Bundesländern wurden jetzt Beweismittel sichergestellt. Innenministerin Faeser erklärt, man habe die Szene "im Visier" - und zwar "gerade jetzt" während des Nahost-Kriegs.

Von Markus Balser, Constanze von Bullion und Christoph Koopmann

Die deutschen Sicherheitsbehörden sind mit groß angelegten Durchsuchungen gegen die islamistische Szene vorgegangen. Am Donnerstagmorgen stand die Polizei unter anderem vor der "Blauen Moschee" an der Hamburger Außenalster. Dort hat das "Islamische Zentrum Hamburg" (IZH) seinen Sitz - nach Einschätzung des Verfassungsschutzes ein "Außenposten des Teheraner Regimes". Das Bundesinnenministerium gab am Morgen bekannt, dass es gegen den Verein IZH und fünf weitere Vereinigungen ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren führt. Ein Vereinsverbot wurde aber offenbar bisher nicht vollstreckt.

Das IZH steht laut Ministerium im Verdacht, "sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung zu richten". Zudem gehen die Sicherheitsbehörden dem Ministerium zufolge dem Verdacht nach, dass das IZH die in Deutschland verbotenen Aktivitäten der libanesischen Terrororganisation Hisbollah unterstützt.

800 Beamte durchsuchen am Morgen 54 Objekte

Bei den anderen Vereinigungen bestehe der Verdacht, dass sie Teilorganisationen des Islamischen Zentrums sind. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes übt das IZH auf sie erheblichen Einfluss aus oder kontrolliert sie gar komplett. Bei der Razzia durchsuchten mehr als 800 Beamte 54 Objekte in sieben Bundesländern, neben Hamburg auch in Niedersachsen, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen. So wurde auch bei der "Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands" (IGS), zu der das IZH gehört, durchsucht. Die Beamten beschlagnahmten in den Objekten unter anderem Bargeld, elektronische Geräte, Flugblätter.

Gerade jetzt sei hohe Wachsamkeit nötig, sagte Innenministerin Nancy Faeser, hier am Donnerstag im Bundestag. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

"Wir haben die islamistische Szene im Visier", sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD). "Gerade jetzt, in einer Zeit, in der sich viele Jüdinnen und Juden besonders bedroht fühlen, gilt: Wir dulden generell keine islamistische Propaganda und keine antisemitische und israelfeindliche Hetze." Gerade jetzt komme es auf hohe Wachsamkeit und ein hartes Vorgehen an.

Auch die Bundesanwaltschaft ließ am Donnerstag mehrere Objekte im Raum Hannover durchsuchen. Ermittelt werde gegen fünf namentlich bekannte Personen, hieß es. Es liege der Anfangsverdacht einer Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor. Die Beschuldigten sollen sich über mehrere Jahre für die Hisbollah betätigt haben, "indem sie leitende Funktionen in zwei von der Organisation gelenkten Vereinen in Hannover übernahmen", teilte die Bundesanwaltschaft mit. Der Staatsschutz habe sich mit dem Bundesministerium des Innern über den Zeitpunkt der Durchsuchungen abgestimmt - wohl auch, um zu verhindern, dass die islamistische Szene gewarnt ist und Beweismittel verschwinden lässt.

Personen aus dem Umfeld des IZH sollen Kontakt zur Hisbollah pflegen

Der Druck auf Islamisten soll ersichtlich erhöht werden. Anfang November hatte Faeser bereits den Hamas-Unterstützerverein Samidoun verboten und für die Hamas selbst ein Betätigungsverbot verhängt.

Über das Islamische Zentrum in Hamburg berichtet das Landesamt für Verfassungsschutz schon seit 1993. Seither sammelt die Behörde immer mehr Anhaltspunkte dafür, dass es sich beim IZH eben nicht um einen harmlosen Moscheeverein handelt, wie dessen Leitung immer wieder behauptet. Die Beamten bekamen zum Beispiel Schreiben in die Hände, adressiert an den Leiter des IZH, Mohammad Hadi Mofatteh, in denen als Anrede stand: "Geehrter Vertreter des Obersten Führers, Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg". Laut Verfassungsschutz bestimmt das iranische Regime, wer das IZH leitet, und das Zentrum sei an Weisungen aus Teheran gebunden.

Außerdem vertrete das IZH islamistische und antisemitische Ansichten, belegt unter anderem anhand von Büchern und Flyern, die das Zentrum herausgibt. Zudem sollen Personen aus dem Umfeld des Zentrums Kontakt zur Terrorgruppe Hisbollah pflegen, die wiederum von Iran finanziert und unterstützt wird. Für sie gilt seit 2020 ein Betätigungsverbot in Deutschland. Schon vor fast genau einem Jahr musste der Vizechef des IZH die Bundesrepublik verlassen. Er hatte nach Erkenntnissen der Hamburger Innenbehörde zwei verbotene Vereine unterstützt, die Spenden für die Hisbollah sammeln.

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Der Zentralrat der Muslime setzte die Mitgliedschaft des IZH am Donnerstag aus. Es gelte die Unschuldsvermutung, teilte der Zentralrat mit, "dennoch liegt es im Interesse aller Betroffenen, diesen Schritt bis zur Klärung der Angelegenheit vorzunehmen".

In der jüngeren Vergangenheit hatten Politiker verschiedener Parteien gefordert, das IZH zu verbieten. Weil Iran auch die palästinensische Terrorgruppe Hamas unterstützt, wurden die Forderungen nach deren Überfall auf Israel am 7. Oktober noch einmal lauter. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte kurz nach dem Angriff, ein Verbot durch das Bundesinnenministerium würde durch den Senat "ausdrücklich begrüßt und unterstützt". Die Grünen-Fraktion im Bundestag war bereits im Frühjahr überzeugt, dass alle für ein Verbot notwendigen Erkenntnisse längst vorlägen, genauso sah es die Unionsfraktion. Das Innenministerium ließ sich allerdings Zeit mit der Verbotsprüfung. Jetzt wird es offenbar ernst.

Das IZH teilte am Abend mit, es gehe ja erst mal nur um einen Anfangsverdacht - und man sei "zuversichtlich, dass die Ergebnisse der Durchsuchung diesen Anfangsverdacht nicht erhärten können".

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