Sanktionen gegen Russland:Worüber die EU-Staaten beim Ölembargo streiten

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Ölraffinerie im brandenburgischen Schwedt: Sie ist in Deutschland am meisten betroffen vom Embargo. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Manche Länder fordern mehr Zeit, andere Ausnahmen für Schiffstransporte. Aber in Brüssel gibt es schon Ideen für Lösungen.

Von Björn Finke, Brüssel

Das sechste Sanktionspaket gegen Russland ist das erste, "das Europas Wirtschaft wirklich hart trifft - vielleicht sogar härter als die russische", sagt ein hochrangiger EU-Diplomat. Entsprechend mühsam sind die Verhandlungen zwischen den 27 Regierungen, zumal für Sanktionen Einstimmigkeit nötig ist. Die Botschafter der Mitgliedstaaten in Brüssel diskutierten am Mittwoch erstmals über die Vorschläge der Kommission, die unter anderem ein Ölembargo vorsehen. An diesem Freitag oder spätestens am Wochenende könnte eine Einigung gelingen, hoffen die Beteiligten.

Größte Streitpunkte sind die Übergangsfristen beim Ölembargo und das Verbot für EU-Reedereien, den Rohstoff per Tanker zu anderen Abnehmern zu transportieren. Im Kommissionsentwurf, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es, dass Importe von russischem Rohöl nach sechs Monaten untersagt sind und die von raffinierten Produkten wie Benzin und Diesel nach acht Monaten. Ungarn und der Slowakei gewährt der Gesetzesvorschlag eine Ausnahme. Die beiden Länder haben bis Ende 2023 Zeit, da sie nahezu komplett von der russischen Druschba-Pipeline abhängen und keinen Seehafen für Tankschiffe aus anderen Förderländern haben.

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Das reicht dem Duo aber nicht. Ungarns Außenminister Péter Szijjártó verlangt, Pipeline-Öl komplett auszunehmen vom Embargo, und der slowakische Wirtschaftsminister Richard Sulík fordert zumindest eine dreijährige Übergangsphase. Zudem weckt die Sonderregel Begehrlichkeiten: So fordert Tschechiens Ministerpräsident Petr Fiala nun ebenfalls einen Aufschub um zwei bis drei Jahre, obwohl das Land weniger stark auf die Druschba-Röhre angewiesen ist. Und Bulgariens Energieminister Alexandar Nikolow sagte am Donnerstag, auch er bestehe auf längeren Fristen. EU-Diplomaten zufolge könnte ein Kompromiss darin bestehen, Ungarn und der Slowakei noch mehr Zeit einzuräumen. Daneben könnte die Kommission den Mitgliedstaaten EU-Finanzhilfen für die Umrüstung von Raffinerien und den Pipeline-Bau zusagen.

Der Ölpreis stieg kräftig, nachdem Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Embargo-Vorschläge am Mittwoch präsentiert hatte. Damit beschert das Vorhaben dem russischen Präsidenten Wladimir Putin auf kurze Sicht sogar mehr Einnahmen, zumal die Importe ja erst zum Jahresende auslaufen werden. Wie sehr dieser Bann danach die Staatskasse trifft, hängt davon ab, ob Russland die wegfallenden Mengen woanders verkaufen kann. Damit dies schwieriger wird, verbietet das Sanktionspaket EU-Reedereien, mit ihren Tankern russische Ölprodukte zu verschiffen. Versicherer dürfen diese Transporte auch nicht mehr absichern.

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Griechenland verteidigt seine Reedereibranche

Dieser Vorschlag ist jedoch ebenfalls umstritten unter den EU-Botschaftern. Dem Vernehmen nach klagt der griechische Vertreter über die großen Belastungen für die wichtige Reedereibranche seines Landes und warnt, dass zum Beispiel asiatische Rivalen die Aufträge übernehmen könnten und dann lachende Dritte wären. Athen wehrte sich bereits beim fünften Sanktionspaket, das im April beschlossen wurde, gegen zu strenge Regeln für Häfen und Schiffe. Damals wollte die Kommission ein Einlaufverbot für russische Schiffe durchsetzen, aber wegen des Widerstands aus Griechenland wurde dies eingegrenzt auf einen Bann für Schiffe unter russischer Flagge. Das mindert die Wirkung enorm, denn viele Schiffe im Besitz von Russen fahren unter Flaggen fremder Staaten.

Auch EU-Tanker fahren häufig unter fremder Flagge. Daher soll das geplante Transportverbot für Öl dem Kommissionsentwurf zufolge für alle Schiffe gelten, die unter einer EU-Flagge fahren, EU-Firmen gehören oder von ihnen betrieben werden - also eine sehr breite Definition. Ob dieser umfassende Ansatz die Verhandlungen in Brüssel überlebt, wird sich zeigen.

Daneben sieht das Sanktionspaket ein Verbot für Russen vor, Immobilien in der EU zu kaufen oder Anteile an Immobilienfonds. Steuer-, PR- und Unternehmensberater sowie Wirtschaftsprüfer dürfen nicht mehr für Russen arbeiten. Außerdem verhängt die EU Einreise- und Vermögenssperren gegen 58 weitere Personen. Darunter sind viele Offiziere der 64. motorisierten Schützenbrigade, die in Butscha für Kriegsverbrechen verantwortlich sein soll. Ein gewisser Wladimir Michailowitsch Gundjajew findet sich ebenfalls auf der Liste, besser bekannt als Kyrill I., der russisch-orthodoxe Patriarch. Als Begründung führt die Kommission an, er sei einer der prominentesten Unterstützer des Überfalls auf die Ukraine.

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