Europäische Union:EU legt Klimaschutz-Plan vor

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Bis Ende des Jahrzehnts soll der Ausstoß klimaschädlicher Gase um 55 Prozent sinken - verglichen mit 1990. Hier das Braunkohlekraftwerk Neurath. (Foto: Jochen Tack/Imago)

Mit ambitionierten Zielen für 2040 rückt die Kommission die industrielle Wettbewerbsfähigkeit in den Fokus. Aber sie macht auch Zugeständnisse - vor allem den Bauern.

Von Jan Diesteldorf, Straßburg

Die Europäische Kommission will ihre Klimaschutzpolitik konsequent fortschreiben, macht aber an entscheidenden Stellen Zugeständnisse. Auf dem Weg zum ersten klimaneutralen Kontinent, den die Brüsseler Behörde unter Präsidentin Ursula von der Leyen vorgezeichnet hat, sollen die Treibhausgas-Emissionen bis 2040 um 90 Prozent verglichen mit 1990 sinken. Dieses Ziel stellte die Kommission am Dienstag in Straßburg vor. "Der Klimawandel wird die entscheidende Herausforderung der kommenden Jahrzehnte bleiben", schreibt die Behörde. Er werde "die Zukunft der globalen Gesellschaft und Wirtschaft durch seine Auswirkungen und unsere Reaktion darauf prägen".

Mit dem Etappenziel füllt die Kommission eine Lücke in den bisherigen Plänen, dazu hatte sie das EU-Klimaschutzgesetz verpflichtet. Bis Mitte des Jahrhunderts sollen in der EU endgültig nicht mehr Emissionen verursacht als zugleich eingespart werden. Klimaneutral bedeutet dabei nicht, dass die Emissionen bis 2050 auf null sinken. Stattdessen soll der verbleibende Ausstoß durch Ausgleichsmaßnahmen sowie etwa durch die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid kompensiert werden. Bereits bis Ende dieses Jahrzehnts soll der Ausstoß klimaschädlicher Gase um 55 Prozent verglichen mit 1990 sinken. Mit dem Grünen Deal, dem zentralen gesetzgeberischen Programm der Von-der-Leyen-Kommission hatte die EU mehrere Dutzend zunehmend umstrittene Vorhaben auf den Weg gebracht, um diese Ziele zu erreichen.

Auffällig ist diesmal die konziliante Sprache, in der die Kommission ihre Klima-Ambitionen formuliert. Schon im ersten Absatz des Kommuniqués heißt es, der Weg zur drastischen und schnellen Reduktion der Emissionen müsse "Hand in Hand gehen mit einer EU-Industrie und einem Agrarsektor, die in einer global wettbewerbsfähigen und zunehmend nachhaltigen Wirtschaft agil und stark sind". Kommissions-Vizepräsident Maroš Šefčovič sagte am Nachmittag: "Wir müssen das öffentliche Vertrauen in und die Unterstützung für die grüne Transformation absichern."

Eine erneuerte europäische Agenda für nachhaltige Industrie sei nötig, schreibt die Kommission

Den Empfehlungen zufolge sollen der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt und die Nutzung fester fossiler Brennstoffe schrittweise beendet werden. Beim Absenken der Emissionen haben der Verkehrs- und der Gebäudesektor Berechnungen zufolge am meisten nachzuholen. Neben den vorgeschlagenen Maßnahmen deutet die Kommission vor allem den Rahmen ihrer künftigen Industriepolitik an. "Damit der Europäische Grüne Deal im nächsten Jahrzehnt erfolgreich sein kann", schreibt die Kommission, "muss er jetzt und in den kommenden Jahren durch eine entschlossene und erneuerte europäische Agenda für nachhaltige Industrie und Wettbewerbsfähigkeit ergänzt werden." Damit rückt die industrielle Wettbewerbsfähigkeit in den Fokus der EU-Klimapolitik.

Diese Begleitmusik zum Klimaziel 2040 ist vor allem als Reaktion von der Leyens auf den Widerstand aus ihrer eigenen Partei und die paneuropäischen Bauernproteste der vergangenen Wochen zu lesen. Anders als in früheren Entwürfen der Pläne enthalten diese nun kein konkretes Ziel mehr zur Reduktion der Emissionen von Methan, Stickstoff und anderen Gasen im Agrarsektor. Der Klimabeirat der EU hatte eine Absenkung von 30 Prozent gegenüber 1990 empfohlen. "Wie alle anderen Sektoren spielt auch die Landwirtschaft eine wichtige Rolle bei der Verwirklichung der Klimaziele der EU für 2040", heißt es jetzt lediglich, "und trägt gleichzeitig zur Ernährungssouveränität der EU bei."

Ursula von der Leyen spricht am Dienstag im Europäischen Parlament. (Foto: Frederick Florin/AFP)

In einer Rede im EU-Parlament am Dienstagmorgen kündigte von der Leyen außerdem an, die Pestizid-Verordnung ganz zurückzuziehen. Das Gesetz war im Herbst am Widerstand der Europäischen Volkspartei im Parlament gescheitert. Das Thema, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln stärker zu begrenzen, sei noch nicht vom Tisch, sagte die Kommissionschefin. Allerdings: "Um voranzukommen, brauchen wir einen intensiveren Dialog und eine andere Vorgehensweise", befand von der Leyen. Die Kommission könnte "mit Beteiligung der verschiedenen Akteure" einen neuen Vorschlag machen.

In Reaktion auf die Bauernproteste hatte die Kommissionschefin sogenannte "strategische Dialoge" mit Vertretern aus dem landwirtschaftlichen Sektor begonnen. Vorige Woche hatte die Kommission die Regeln zur Nutzung von Agrarflächen für ein weiteres Jahr gelockert, wonach Bauern weiterhin jene vier Prozent ihrer Fläche bewirtschaften dürfen, die nach EU-Vorgaben eigentlich ungenutzt bleiben müssen.

Auf die jetzt vorgelegten Vorschläge soll in der neuen Legislaturperiode von diesem Herbst an eine Reform des Klimaschutzgesetzes folgen. Erst damit würden die Ziele für 2040 rechtsverbindlich.

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