Terrorismus:Wie Deutschland die EM sichern will

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Innenministerin Faeser kündigt zur EM Grenzkontrollen an. Aber Kritikern reichen die vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen nicht. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Nach dem Anschlag bei Moskau wächst der Druck auf die Bundesregierung, die Fußball-Europameisterschaft vor Extremisten zu schützen. Die Bundesländer fordern mehr digitale Zugriffsrechte für Ermittler.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Nach dem schweren Terroranschlag bei Moskau wächst der Druck auf die Bundesregierung, die Fußball-Europameisterschaft gegen schwere Gewalttaten abzusichern und Besucher der sportlichen Großveranstaltung zu schützen. Mehrere Innenminister der Länder forderten am Dienstag, den Sicherheitsbehörden mehr Zugriff auf digitale Datennetze zu geben, um Anschläge schon im Vorfeld zu verhindern. "Für uns ist die größte Herausforderung, dass wir wissen, was in Planung ist, was vorbereitet wird, wo sich was zusammenrottet", sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) im Deutschlandfunk. "Ich glaube, da muss die Politik jetzt langsam auch mal ein Stück weiter gehen und sich überlegen, ob wir wirklich ausreichende Instrumente haben."

Zwölf Millionen Besucher aus aller Welt und 24 Fußballmannschaften samt Entourage werden ab Juni zur Europameisterschaft in Deutschland erwartet. Dazu kommen ab Ende Juli die Olympischen Spiele in Frankreich, zu deren Schutz ebenfalls deutsche Polizeikräfte bereitgestellt werden. Die Sicherheit von Fans und Spielorten habe "höchste Priorität", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) der Rheinischen Post mit Blick auf die EM: "Wir werden während des Turniers an allen deutschen Grenzen vorübergehende Grenzkontrollen vornehmen, um mögliche Gewalttäter an der Einreise hindern zu können." Dies sei notwendig, um das Großereignis "bestmöglich zu schützen".

Reul sagt, bei der Vorratsdatenspeicherung müsse es endlich vorangehen

Faeser ließ erkennen, dass sie die Gefährdungslage durch islamistische Attentäter und andere Extremisten als kritisch betrachtet. Eine veränderte Strategie bei der Terrorbekämpfung plant ihr Haus aber nicht. Aus mehreren Bundesländern, darunter Baden-Württemberg, kam am Dienstag die Aufforderung, bei der EM nicht nur auf hohe Polizeipräsenz zu setzen. Die Sicherheitsbehörden bräuchten auch mehr Einblick in digitale Netzwerke, um Anschlagspläne früher erkennen zu können. NRW-Innenminister Reul forderte, Beschränkungen bei der Speicherung von Telefon- und Internetdaten zu lockern. Die Bundesregierung müsse in der strittigen Frage der sogenannten Vorratsdatenspeicherung endlich eine Lösung finden.

Gemeint sind die Pläne von Innenministerin Faeser, Telefon- und Internetanbieter zu verpflichten, die IP-Adressen aller ihrer Kunden für einige Tage zu speichern, damit Ermittler bei Hinweisen auf schwere Kriminalität Straftäter auch nachträglich noch identifizieren können. Oft gelingt das nicht, weil ihre Spur sich im Netz verliert und Daten bereits gelöscht sind. Solche Verkehrsdaten, keine Inhalte, will Faeser für einige Tage sichern lassen.

Die Union fordert auch den Einsatz von Gesichtserkennung und KI

FDP-Justizminister Marco Buschmann lehnt das ab, da dann auch Daten Unbescholtener auf Verdacht gespeichert würden. Er hat mit dem "Quick Freeze" ein anderes Modell vorgeschlagen, das Sicherheitsbehörden wiederum für wirkungslos halten. Seit 2022 finden Faeser und Buschmann keinen Kompromiss.

Deutschland sei in Fragen des Datenschutzes "ein bisschen verklemmt", kritisierte NRW-Innenminister Reul im Deutschlandfunk. Hier führe man die Debatte über Vorratsdaten "fast ideologisch, nur emotional". Angesichts hoher Terrorgefahren sei mehr Rationalität gefragt. Die Behörden in Nordrhein-Westfalen seien gut vorbereitet auf die EM, so Reul weiter, Schwachstellen seien aber immer möglich. "Jedes Mal, wenn was passiert, dann sind wir wieder alle wach und sagen: Ja, müsste man eigentlich. Und dann bleibt es wieder liegen."

Auch die Union im Bundestag verstärkte ihren Druck auf die Bundesregierung, deutschen Sicherheitsbehörden ähnliche Ermittlungsinstrumente wie Geheimdiensten anderer Staaten zu geben. Dazu zähle auch die Möglichkeit von Onlinedurchsuchungen oder die Auswertung von Videoüberwachung per Gesichtserkennung und künstlicher Intelligenz, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), der Augsburger Allgemeinen.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält die Sicherheitsbehörden für den Schutz der EM für gut gerüstet. Es gebe ein ausgefeiltes Sicherheitskonzept, das von gezielten Einreisekontrollen bis zur Drohnenabwehr reiche, sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Alexander Poitz der Rheinischen Post. Absolute Sicherheit könne es nicht gegeben. "Aber wir sollten auch keinen Terroranschlag herbeireden. Das würde nur den Terroristen nutzen."

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