Corona:Der Druck auf Ungeimpfte steigt

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Werden künftig nur noch Geimpfte und Genesene in Restaurants essen dürfen? Die Debatte darüber ist in vollem Gange. (Foto: dpa)

Kanzlerkandidat Laschet lehnt Druck auf Ungeimpfte zwar weiter ab. Kanzleramtschef Braun will ihnen dagegen weniger Freiheiten gewähren. Es zeichnet sich eine harte Debatte ab - pünktlich zur Bundestagswahl.

Von Daniel Brössler und Henrike Roßbach, Berlin

CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet lehnt sowohl eine Impfpflicht als auch Druck auf Ungeimpfte ab. Das unterstrich er im ZDF-Sommerinterview und widersprach damit indirekt Kanzleramtschef Helge Braun (ebenfalls CDU). Damit zeichnet sich kurz vor Beginn der heißen Phase des Bundestagswahlkampf eine kontroverse Debatte innerhalb der Union ab. Bisher gelte, dass Geimpfte, Genesene und Getestete, etwa beim Zugang zu Veranstaltungen, gleichgestellt seien, sagte Laschet. Dieses Prinzip sei gut. "In einem freiheitlichen Staat gibt es Freiheitsrechte nicht nur für bestimmte Gruppen." Zuvor hatte Braun in der Bild am Sonntag erklärt: "Geimpfte werden definitiv mehr Freiheiten haben als Ungeimpfte."

Bislang hatte die Bundesregierung eine Impfpflicht stets ausgeschlossen. Allerdings könnten Geimpfte und Genesene schon bald mehr Freiheitsrechte haben als Bürger, die nur einen negativen Corona-Test vorlegen können. Das hatte Kanzleramtschef Braun am Wochenende in der Bild am Sonntag angedeutet. Er sagte, dass Ungeimpfte bei hohem Infektionsgeschehen trotz Testkonzepten ihre Kontakte reduzieren müssten. "Das kann auch bedeuten, dass gewisse Angebote wie Restaurant-, Kino- und Stadionbesuche selbst für getestete Ungeimpfte nicht mehr möglich wären, weil das Restrisiko zu hoch ist."

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Ähnlich sieht es der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Mit Blick auf zu erwartende höhere Infektionszahlen mit dem Coronavirus im Herbst sagte er der Süddeutschen Zeitung: "Dann werden wir nicht mehr damit über die Runden kommen, die Getesteten den Geimpften und Genesenen gleichzustellen."

Rechtlich hält Braun ein solches Vorgehen für möglich. Der Staat habe die Pflicht, die Gesundheit der Bürger zu schützen. Hohe Infektionszahlen im Herbst und Winter bekomme man nicht durch "harmlose Labornachweise des Virus bei Geimpften", sondern durch ein ernst zu nehmendes Infektionsgeschehen in der ungeimpften Bevölkerung, wenn die Impfquote nicht hoch genug sei.

FDP fordert bessere Impfkampagne

Auch aus der Opposition kam indes Kritik an Braun. "Freiheit gewährt in Deutschland nicht der Kanzleramtsminister", sagte FDP-Parteivize Johannes Vogel der Süddeutschen Zeitung. Richtig sei, dass Grundrechtseinschränkungen für Geimpfte schon verfassungsrechtlich kaum zu rechtfertigen seien. "Viel wichtiger wären daher niederschwellige Angebote für Nicht-Geimpfte, etwa flächendeckende Walk-in-Impfangebote vor Ort für alle zugelassenen Altersgruppen. Oder Werbung zusammen mit der Wahlbenachrichtigung zur Bundestagswahl." Die Impfkampagne sei jetzt die vordringliche Aufgabe der Bundesregierung. "Da passiert zu wenig." Bislang sind 49,1 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, 60,8 Prozent haben die erste Dosis erhalten.

Unterschiedliche Ansichten gibt es auch in der SPD. Fraktionschef Rolf Mützenich kritisierte Braun. "Mit Drohungen werden wir auf der anderen Seite das Impfverhalten einzelner nicht nachhaltig verändern", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach warnte dagegen: "Wir müssen leider mit deutlich steigenden Fallzahlen rechnen, wenn die Menschen aus den Ferien zurückkommen und sich im Herbst wieder verstärkt in Innenräumen begegnen." Er hält die Zahl falsch negativer Tests - laut Studien etwa vier von zehn - für zu hoch, um Getestete dann noch wie Geimpfte zu behandeln. "Bei solchen Zahlen und einer gleichzeitig sehr hohen Prävalenz in der Gruppe derjenigen, die Diskotheken und Cafés besuchen, wird uns nichts anderes übrig bleiben, als den Zutritt zu Räumen, wo viele Leute eng zusammenkommen, auf Genesene und Geimpfte zu beschränken", sagte Lauterbach und warnte davor, die Debatte aufzuschieben. "Sie muss jetzt geführt werden, das ist keine Debatte für die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs."

Noch einen ganzen Schritt weiter als Braun und Lauterbach ging am Wochenende Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). "Für alle Zeiten kann ich eine Impfpflicht nicht ausschließen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Es ist möglich, dass Varianten auftreten, die das erforderlich machen."

Ausnahmen für Kinder seien denkbar, sagt Lauterbach

Eine Sprecherin von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte: "Schon jetzt genießen Geimpfte mehr Freiheiten als Ungeimpfte." Sie müssten beim Reisen nicht in Quarantäne, seien von Testpflichten ausgenommen und unterlägen keinen Kontaktbeschränkungen. Wer noch ungeimpft sei, könne sich "gleich morgen impfen lassen". Das schütze dann auch die Gemeinschaft.

Zum Problem könnte werden, dass es Menschen gibt, die gar nicht geimpft werden können. Für Kinder unter zwölf Jahren etwa gibt es noch keinen zugelassenen Impfstoff; für Jugendliche unter 16 Jahren hat die Ständige Impfkommission bislang keine Empfehlung gegeben. Kinder könnten benachteiligt sein, räumte Lauterbach ein. Für sie könne es entweder Ausnahmen geben, dann müssten sie aber getestet werden - oder es könne "Ereignisse geben, zu denen man Kinder nicht mitnehmen kann".

In anderen europäischen Ländern, in denen wegen steigender Infektionszahlen bereits strengere Regeln für Ungeimpfte beschlossen wurden, kam es zu Protesten. In Frankreich gingen nach Medienberichten mehr als 160 000 Menschen auf die Straße, in Rom und Athen gab es Demonstrationen.

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