Bundeshaushalt 2024:Sicherheit geht vor

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"Vielleicht gewöhnungsbedürftig": Bundeskanzler Olaf Scholz spricht am Montag zum Tag der deutschen Industrie über den kommenden Bundeshaushalt. (Foto: Imago)

Olaf Scholz erinnert ans Sparen - und nimmt die Verteidigung aus. Jenseits der Bundeswehr müsse aber wieder auf Vorkrisenniveau gewirtschaftet werden, so der Kanzler.

Von Daniel Brössler und Henrike Roßbach, Berlin

Noch gut zwei Wochen, dann soll das Kabinett den Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2024 beschließen. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) diesen Zeitplan gerade erst bestätigt. Allerdings ist das mit der Haushaltschronologie in diesem Jahr so eine Sache: Erst musste Lindner den Eckwertebeschluss im Kabinett verschieben, dann verzichtete er ganz auf Eckwerte, schließlich teilte er stattdessen seinen Kabinettskollegen schriftlich ihr jeweiliges Budgetlimit mit.

In diesen Briefen findet sich auch die Aufforderung, dem Finanzministerium bis zum 12. Juni die Verteilung ihrer "Plafonds" mitzuteilen. Gemeint ist, wie die Ressorts die zur Verfügung stehenden Mittel auf die Haushaltsposten aufzuteilen gedenken. Bloß: Dem Vernehmen nach sind insbesondere die grün geführten Ressorts dieser Aufforderung bislang nicht nachgekommen. Trotz der "Erläuterungsgespräche", zu denen Lindner alle Sparunwilligen vergangene Woche eingeladen hatte - im Beisein des Kanzlers.

Bei der Ankündigung, 2024 das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu erreichen, bleibt es

Dieser wiederum machte am Montag deutlich, was seiner Meinung nach als erste Priorität im Haushalt Ausdruck finden müsse, nämlich "die Sicherheit unseres Landes". In seiner Rede beim Tag der deutschen Industrie des Spitzenverbands BDI sagte Scholz, Russland habe den Krieg nach Europa zurückgebracht, "deshalb stärken wir unsere Bundeswehr". Auch Lindner hat stets durchblicken lassen, dass alle sparen müssten, außer dem Verteidigungsminister.

Dem scheint auf den ersten Blick zu widersprechen, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Wochenende via T-Online wissen ließ, er sei "nicht sehr zuversichtlich", mehr Mittel zu bekommen. Denn tatsächlich kann Pistorius sehr wohl mit einem kleinen Zuwachs von zwei Milliarden Euro rechnen. Dass er das nicht als Plus verbuchen will, mag damit zusammenhängen, dass diese Summe wenig mehr als die gestiegene Besoldung der Soldaten ausgleichen würde.

Von ihrer noch frischen Ankündigung, 2024 das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu erreichen, will die Regierung jedenfalls nicht abrücken. Das Ziel besagt, dass die Bündnismitglieder jährlich wenigstens zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung aufwenden sollen. Nach einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bekräftigte Scholz am Montag: "Wir haben viele Vorbereitungen dafür getroffen, dass wir die zwei Prozent erreichen können." Gelingen werde das "mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt und unter Einsatz des Sondervermögens". Das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Modernisierung der Bundeswehr solle ja gerade den Übergang ermöglichen "zu einer Welt, in der wir dauerhaft zwei Prozent ausgeben werden".

Stoltenberg nannte es dann gar "historisch", dass Deutschland 2024 das Zwei-Prozent erreichen wolle. Er stört sich auch nicht daran, dass in der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie dieses Ziel nur im "mehrjährigen Durchschnitt" festgeschrieben wird. "Schwankungen", sagte Stoltenberg, seien doch ganz normal. Aus seiner Erfahrung als Finanzminister wisse er, dass es nie einfach sei, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Wer mehr für Verteidigung ausgebe, dem bleibe weniger für Gesundheit oder Bildung. Allerdings gelte: "Wir leben in einer gefährlichen Welt", ohne Sicherheit gebe es keinen Wohlstand.

Wer die Haushaltsverhandlungen aufhält? Zum Beispiel Annalena Baerbock

Scholz hörte das alles erkennbar gern. Wenn Stoltenberg nicht auf dem Copyright bestehe, sagte er, wolle er sich dessen Sätze gerne "zu 100 Prozent zu eigen machen".

Auch wenn Pistorius gerne mehr Geld bekommen hätte: Den Fortschritt bei den Haushaltsverhandlungen halten derzeit andere auf. Zum Beispiel die Außenministerin. Vergangenes Jahr hatte Annalena Baerbock (Grüne) im parlamentarischen Verfahren knapp 1,1 Milliarden Euro mehr zugebilligt bekommen als im Regierungsentwurf vorgesehen. Der Großteil, knapp eine Milliarde, stammte aus dem Einzelplan 60, einer Art Sammeletat - wo im Gegenzug die geplanten Mehrausgaben für Corona und Ukraine entsprechend verringert wurden.

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Allerdings handelte es sich um eine einmalige Erhöhung. Deutlich gemacht haben die Haushälter des Bundestags das schon im Februar, als sie die Ministerien per Brief ermahnten, "überjährige" Maßnahmen bei der Aufstellung ihrer Haushalte vorrangig zu berücksichtigen - und die Milliarde für das Auswärtige Amt im Anhang gerade nicht als eines dieser fortzuführenden Vorhaben aufgeführt wurde. Diese Milliarde käme deshalb, aus Sicht des Auswärtigen Amtes, zu den sonstigen Sparvorgaben Lindners hinzu - was den hartnäckigen Widerstand Baerbocks erklären könnte.

Der Kanzler allerdings sagte am Montag beim BDI, dass die krisenbedingten Milliardenausgaben der vergangenen Jahre nun wieder auf ein Niveau zurückgeführt würden, "mit dem wir vor den Krisen über Jahre hinweg gut zurechtgekommen sind". Dann sagte er noch, das sei "vielleicht gewöhnungsbedürftig". Zumindest darin dürfte sich das Kabinett einig sein.

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