Briefbomben an Clintons, Obama und CNN:Explosive Post in ein aufgeheiztes politisches Klima

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Diese Briefbombe ging an die CNN-Redaktion in New York. Sie sollte offenbar zu Händen des ehemaligen CIA-Direktors John Brennan gehen, der oft Gast bei dem TV-Sender ist. (Foto: REUTERS)

Die Nachricht von abgefangenen Briefbomben schreckt Amerika zwei Wochen vor den Zwischenwahlen auf. Es steht zu befürchten, dass der Fall schneller politisch instrumentalisiert wird, als die Polizei ermitteln kann.

Von Johanna Bruckner, New York

Als New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio um kurz vor 13 Uhr Ortszeit an die Mikrofone tritt, ist das Gebäude in seinem Rücken größtenteils schon wieder freigegeben. In dem gewaltigen Komplex direkt am belebten Columbus Circle befindet sich nicht nur das Time Warner Center mit der New Yorker Redaktion des TV-Senders CNN, sondern auch eine Shopping Mall. Und für die Läden muss das Geschäft auch an einem Tag weitergehen, an dem Amerika von der Nachricht aufgeschreckt wird, dass Unbekannte versucht haben, mindestens drei Briefbomben zu verschicken. Eine Sendung war an die Privatadresse der Clintons in Chappaqua im Bundesstaat New York adressiert, eine an das Washingtoner Büro von Ex-Präsident Obama, und eine an die CNN-Redaktion in New York City. Wobei das Päckchen wohl zu Händen des ehemaligen CIA-Direktors John Brennan gehen sollte, der oft Gast des TV-Senders ist. Weitere verdächtige Sendungen wurden im Laufe des Mittwochs untersucht.

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Nicht nur in der Post an die Clintons, Obama und CNN befanden sich Sprengsätze. Auch New Yorks Gouverneur und zwei Kongressabgeordnete sind offenbar betroffen. New Yorks Bürgermeister spricht von Terror.

Eine Frau, die kurz nach Aufhebung des Alarms vor der noch geschlossenen H&M-Filiale im ersten Stock wartet, scheint nicht so richtig zu wissen, was sie von den Geschehnissen des Morgens halten soll: "Ich bin nur zum Shoppen hier." Einige Läden weiter wartet die Verkäuferin eines Fachgeschäfts für Rasurbedarf auf Kunden - noch sind mehr Schaulustige als Kaufwillige unterwegs. Die Frau möchte ihren Namen nicht nennen, ist aber bereit, Auskunft zu geben. Die Räumung des Gebäudes sei sehr professionell und ruhig abgelaufen, erzählt sie. "Es gab keine Panik."

Sie selbst sei zuvor schon zweimal evakuiert worden. Nicht in diesem Gebäude, sondern im One World Trade Center, wo sie zuvor gearbeitet habe. "Wenn man in New York wohnt, gewöhnt man sich an sowas."

"Menschen spüren, dass sehr viel Hass in der Luft liegt"

Auch New Yorks Bürgermeister de Blasio hat eine gewisse Routine, wenn es darum geht, Gewalttaten einzuordnen. Das letzte Mal, dass er von einem "Akt des Terrors" sprechen musste, liegt noch nicht mal ein Jahr zurück: Ein islamistisch motivierter Täter hatte einen Pick-up Truck auf einen Fahrradweg am Hudson River gesteuert, acht Menschen starben damals. An diesem Mittwoch, an dem es glücklicherweise keine Toten gab, verwendet de Blasio die Vokabel vom "Akt des Terrors" erneut. Er spricht vom Versuch, die freie Presse gewaltsam zu untergraben und politische Führungspersönlichkeiten einzuschüchtern. Und de Blasio deutet an, worin er den Nährboden für solche demokratiefeindlichen Umtriebe sieht. "Dies ist eine sehr schmerzhafte Zeit für unsere Nation. Es ist eine Zeit, in der die Menschen spüren, dass sehr viel Hass in der Luft liegt. Vorfälle wie dieser verschlimmern den Schmerz und die Angst."

Noch klarer wird kurz darauf New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo. Auf die Frage von Reportern, ob er eine Botschaft an Donald Trump habe, sagt er: "Zum Wohle aller sollten der Präsident, der Kongress und die Gouverneure ihre Rhetorik runterfahren."

Dass die Demokraten de Blasio und Cuomo schon kurz nach Bekanntwerden der Bombenfunde bereit sind, geistig Verantwortliche in Washington zu benennen, zeigt, wie parteipolitisch gespalten Amerika derzeit ist. Denn noch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, wer die Briefbomben verschickt hat. Klar ist nur, dass die Adressaten allesamt einen demokratischen Hintergrund haben. Bei mindestens drei Sendungen war als Rücksendeadresse eine demokratische Abgeordnete aus Florida angegeben. Ermittler haben außerdem bestätigt, dass alle bislang gefundenen Sprengsätze von ähnlicher Bauart sind.

Bereits am Montag war eine Briefbombe an den US-Milliardär George Soros geschickt worden - er ist einer der wichtigsten Spender der Demokratischen Partei und gilt vielen Trumpisten als Hassfigur. Auch die Clintons und Obama wurden in der Vergangenheit Ziel bösartiger Attacken von konservativer Seite. Und etablierte Medien wie CNN hat der Präsident höchstpersönlich wiederholt als "Feind des Volkes" geschmäht.

Vermutungen liegen nahe, sind aber gefährlich

Vor diesem Hintergrund mag es naheliegen, als Absender der Briefbomben nun einen von Trump, Fox News und ultrarechten Verschwörungstheoretikern ideologisch aufgestachelten Einzeltäter, vielleicht auch eine Gruppe, zu vermuten. Nur: Konkrete Hinweise in diese Richtung gibt es dafür bislang nicht. Und so steht zwei Wochen vor den Zwischenwahlen zu befürchten, dass vor der polizeilichen Bewertung der Bombenfunde deren Politisierung steht. Ein ähnlicher Mechanismus, wie er in der Debatte um den Supreme-Court-Richter Brett Kavanaugh zu beobachten war.

Präsident Donald Trump griff am Abend bei einer Wahlkampfveranstaltung die Medien des Landes an. Sie müssten "die endlose Feindseligkeit" und die "oft falschen Attacken und Geschichten" beenden.

Hillary Clinton, die am Mittwoch bei einer Spendenveranstaltung in Florida auftrat, sagte: "Es ist eine beunruhigende Zeit, nicht wahr? Und es ist eine Zeit der tiefen Spaltungen und wir müssen alles tun, um unser Land zusammenzuführen."

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