Gleich vier Mal unterbrachen wütende Proteste auf der Zuschauertribüne das Prozedere, die Polizei führte mehrere Menschen aus dem Saal. Am Ende aber stand das Votum: Mit 50 zu 48 Stimmen hat der US-Senat am Samstagnachmittag (Ortszeit) Brett Kavanaugh als Richter für den Supreme Court bestätigt. Schon kurz danach wurde er in dieser Rolle vereidigt.
"Das ist die wichtigste Mitwirkung, die wir für das Land erbracht haben, und sie wird am längsten wirken", sagte der republikanische Senatsführer Mitch McConnell. Sein Gegenüber, der Demokrat Chuck Schumer, erklärte dagegen erbost: "Brett Kavanaugh hat es nicht verdient, auf dieser Richterbank zu sitzen." Einige Hundert Demonstranten protestierten am Samstag vor dem Kapitol und dem Obersten Gerichtshof gegen die Zustimmung.
Das Ergebnis war bereits am Freitag klar gewesen: Die als moderat geltenden Republikaner Susan Collins (Maine) und Jeff Flake (Arizona) hatten erklärt, für Kavanaugh zu stimmen. Ihnen schloss sich der Demokrat Joe Manchin an, der im November im trumpbegeisterten West Virginia zur Wiederwahl steht. Lisa Murkowski, republikanische Senatorin aus Alaska, verweigerte die Zustimmung und ließ am Samstag lediglich ihre Anwesenheit feststellen. Der Rest der Senatoren votierten entlang der Parteilinien, ein Republikaner war wegen der Hochzeit seiner Tochter verhindert.
Mit Kavanaughs Ernennung beginnt eine neue Ära im Supreme Court. Der 53-Jährige ist auf Lebenszeit ernannt, die Altersstruktur des Gerichts dürfte den Republikanern nun auf Jahrzehnte eine konservative Mehrheit sichern. Politisierung und institutionelles Gewicht des Supreme Courts haben in den vergangenen Jahrzehnten auch deshalb zugenommen, weil die Arbeit an Gesetzen und lagerübergreifenden Kompromissen im US-Kongress praktisch eingestellt wurde.
Ein Streit historischen Ausmaßes
Kavanaugh ist der zweite Supreme-Court-Richter, der von US-Präsident Donald Trump nominiert wurde. Zuvor hatte er bereits Neil Gorsuch in das Gremium geschickt. Gorsuchs Ernennung war möglich geworden, weil der republikanische Senatsführer Mitch McConnell im Jahr 2016 dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama die Anhörung eines Kandidaten verweigert und so den Sitz offen gehalten hatte - ein Manöver, das in der jüngeren US-Geschichte seinesgleichen sucht.
Kavanaughs Nominierungsprozess hatte die Erwartungen eines erbitterten Streits noch übertroffen. Der Vertrauensverlust in den politischen Prozess wurde einmal mehr zur selbsterfüllenden Prophezeiung - in diesem Falle durch die inzwischen selbstverständliche Annahme der beiden politischen Lager, hinter den Handlungen der Gegenseite stehe nicht der Wunsch nach Wahrheit oder einem fairen Ablauf, nicht die Überzeugtheit von der Integrität eines Kandidaten oder das Pochen auf die Anhörung von Opfern, sondern rein politisches Kalkül.
In diesem Koordinatensystem wurde die Entscheidung zu dem, was alle beteiligten Politiker leugneten: einer rohen Machtprobe der politischen Kräfte.
Die Republikaner versuchten seit der Nominierung im Juli, Kavanaughs Bestätigung zu beschleunigen, um sie noch vor den Zwischenwahlen im November zu erreichen. Im Justizausschuss des Senats blockierten die Konservativen deshalb die Sichtung vieler möglicherweise relevanten Dokumente aus Kavanaughs Zeit in der Regierung George W. Bushs. Die Demokraten versuchten ihrerseits, den Prozess zu verschleppen und ließen es dabei nicht an Theatralik mangeln.
Mitte September dann wurde bekannt, dass die heutige Stanford-Professorin Christine Blasey Ford dem Kandidaten versuchte Vergewaltigung vorwirft. Es geht um einen Vorfall, der sich auf einer Party 1982 ereignet haben soll, als beide noch Teenager waren. Die Republikaner lehnten eine Untersuchung der Vorwürfe durch das FBI ab.
Intrigen-Narrativ verfängt
In einer für die Nation traumatisierenden Senatsanhörung Ende September wiederholte Blasey Ford glaubhaft ihre Vorwürfe. Kavanaugh seinerseits bestritt in einem wütenden Auftritt alle Anschuldigungen sexuellen Fehlverhaltens, die inzwischen auch zwei weitere Frauen erhoben hatten. Die Republikaner im Senat rückten nicht von ihrem Kandidaten ab, sondern folgten dessen Narrativ, es handele sich um eine politische Intrige.
Als Beweis dafür zogen sie die Tatsache heran, dass die demokratische Senatorin Dianne Feinstein bereits im Juli einen Brief von Blasey Ford erhalten und mit ihr gesprochen hatte, aber ihr Büro erst Ende August wirklich aktiv wurde. Hinter dieser Rhetorik verschwanden schnell Vorwürfe, gesamtgesellschaftliche Debatte über sexuelles Fehlverhalten und Frauenfeindlichkeit in der amerikanischen Gesellschaft sowie unangenehme Fragen zu einigen unter Eid getätigten Ängaben, deren Wahrheitsgehalt angezweifelt wird.
Der ausscheidende republikanische Senator Jeff Flake erwirkte vor der Abstimmung eine einwöchige Untersuchung der Vorwürfe durch das FBI. In dieser wurden allerdings nur wenige Zeugen vernommen, auch Kavanaugh und Blasey Ford selbst wurden nicht befragt. Die Demokraten werfen dem Weißen Haus vor, dem FBI absichtlich einen engen Rahmen gesetzt zu haben. Der Ermittlungsbericht brachte offenbar keine neuen Erkenntnisse, sein Inhalt ist nur den Senatoren zugänglich.