Proteste in Berlin:Machtprobe der Bauern geht weiter

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Mit etwa 6000 Traktoren und Lastwagen kamen die Teilnehmer zu der Demonstration nach Berlin. (Foto: LIESA JOHANNSSEN/REUTERS)

Tausende Landwirte legen bei Großdemonstration im Berliner Regierungsviertel den Verkehr lahm. Auf Kompromissvorschläge der Ampelfraktionen wollen sie sich vorerst nicht einlassen.

Von Markus Balser, Georg Ismar und Paul-Anton Krüger, Berlin

Bei der Großdemonstration Tausender Bauern gegen den Sparkurs der Bundesregierung in Berlin haben Landwirte am Montag mit einem harten Kampf gegen beschlossene Belastungen gedroht. "Ziehen Sie die Steuererhöhungsvorschläge zurück, dann ziehen wir uns zurück", verlangte Bauernpräsident Joachim Rukwied auf einer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor. Die Demonstration setze ein Zeichen an das ganze Land. Der bislang von der Regierung angebotene Kompromiss sei nicht fair, sondern faul, sagte Rukwied. "Den nehmen wir nicht hin."

Etwa 6000 Traktoren und Lastwagen hatten den Verkehr im Regierungsviertel weitgehend lahmgelegt. Mehr als zehntausend Menschen sollen demonstriert haben, der Bauernverband ging sogar von rund 30 000 Demonstranten aus. Lastwagenfahrer hatten sich den Bauern angeschlossen. Sie protestierten gegen den CO₂-Preis und die gestiegene Lkw-Maut.

Die Koalitionsfraktionen im Bundestag wollen die Bundesregierung bewegen, mehr für die Bauern zu tun. SPD, Grüne und FDP bereiten einen gemeinsamen Entschließungsantrag vor, der in dieser Woche verabschiedet werden soll. Allerdings beabsichtigen die Ampelparteien offenbar nicht, der Kernforderung der Bauern nachzukommen und den geplanten Abbau der Steuervergünstigungen für Agrardiesel zurückzunehmen. Das wurde nach einem Gespräch zwischen den Fraktionschefs der Ampelparteien am Montag mit Vertretern von Bauernverbänden deutlich.

Die Gespräche seien bisher ergebnislos, kritisierte Bauernpräsident Rukwied anschließend. Agrardiesel müsse steuerfrei bleiben, Kürzungspläne müssten "vom Tisch", bekräftigte er. Man erwarte nun Lösungen von der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses des Bundestags an diesem Donnerstag, in dem der Bundeshaushalt für das laufende Jahr festgezurrt werden soll. Erst danach könne es eine Diskussion geben über andere Vorschläge. Die Ampelfraktionen wollen die Abhängigkeit der Bauern vom Handel reduzieren, um deren Marktmacht zu stärken, hieß es am Montag mit Blick auf den geplanten Antrag. Man wolle erreichen, dass mehr Geld in den Betrieben bleibt, sagte Grünen-Fraktionschef Britta Haßelmann. An den Details des Entschließungsantrags wird noch gearbeitet. Er soll am Donnerstag in den Bundestag eingebracht werden.

Die Einnahmen sollen steigen - aber nicht durch Subventionen

In der Bundesregierung bahnt sich ebenfalls ein Umdenken an. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte bereits Bereitschaft signalisiert, die Hilfen für den tierfreundlichen Umbau von Ställen aufzustocken und im Gegenzug eine Steuer oder Abgabe auf Fleisch und tierische Produkte einzuführen - die schon länger geplante Tierwohlabgabe. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist offenbar zu weiteren Zugeständnissen bereit, mit denen sich die Einnahmen der Bauern erhöhen lassen. Die Betriebe würden heute zu 40 Prozent subventioniert, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Man müsse Wege finden, diesen Anteil wenigstens nicht steigen zu lassen. "Diese Gespräche beginnen jetzt."

Allerdings hielt Rukwied dem entgegen, in den Gesprächen mit der Politik würden vor allem Dinge diskutiert, die "wir seit 30 Jahren ergebnislos diskutieren". Er hoffe, dass es in den nächsten Tagen "eine Lösung gibt, die auch die Landwirtschaft mittragen kann", und forderte die Bauern auf, bis zum Abschluss der Haushaltsverhandlungen auf weitere Blockaden und Proteste zu verzichten. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft schlug als Kompromiss vor, an den Dieselsubventionen nur für kleine Betriebe festzuhalten. Denkbar wäre etwa ein Verzicht auf Kürzungen bis zu einem Verbrauch von 10 000 Litern Diesel pro Jahr, sagte der Vorsitzende Josef Schmid.

Christian Lindner wurde bei seinem Auftritt auf der Bauern-Demonstration ausgepfiffen. Links im Bild: Joachim Rukwied. (Foto: Michele Tantussi/Getty Images)

Bundesfinanzminister Christian Lindner dagegen kündigte an, beim Agrardiesel hart zu bleiben. "Ich kann Ihnen heute nicht mehr staatliche Hilfe versprechen aus dem Bundeshaushalt", sagte der FDP-Vorsitzende zu den Demonstranten. Er wurde lautstark beschimpft und ausgepfiffen. Es könne mehr Freiheiten für Betriebe geben und weniger Bürokratie, kündigte Lindner an. Es sei auch die richtige Zeit, über die hohen Umweltstandards für Landwirte zu sprechen und die verpflichtenden Flächenstilllegungen. Denkbar sei auch, schwankende Gewinne von Betrieben besser bei der Einkommensteuer zu berücksichtigen.

Die Landwirte gehen gegen Kürzungen bei Finanzhilfen für Betriebe auf die Barrikaden, mit denen Lücken im Haushalt für 2024 gestopft werden sollen. Die Ampel-Spitzen waren ihnen zuletzt schon in Teilen entgegengekommen. So sollen die Subventionen für Agrardiesel nicht kurzfristig auf einen Schlag, sondern über drei Jahre schrittweise gestrichen werden. Die ursprünglich zudem geplante Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung in der Landwirtschaft hat die Ampel bereits wieder einkassiert.

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