Alexander Pollak über Flüchtlinge:"Das Burkaverbot hat die Stimmung auf der Straße verschärft"

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Ein Symbolbild zeigt eine arabische Touristen mit Kind - traditionell gekleidet - auf einer Bank in der Urlaubsregion im Salzburger Pinzgau. (Foto: imago/Eibner)

Wie geht es Österreich nach der Wahl? Ein Wiener Menschenrechtsaktivist berichtet von verängstigten Flüchtlingen, Pöbeleien auf der Straße und fassungslosen Holocaust-Überlebenden.

Interview von Jana Anzlinger

Alexander Pollak setzt sich für die Menschen ein, deren Schicksal ein zentrales Thema vor der Nationalratswahl war: nach Österreich Geflüchtete. Der 44-Jährige ist Sprecher der Wiener Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch. Davor hat er Anti-Diskriminierungsprojekte in der EU-Agentur für Grundrechte geleitet und über Rechtspopulismus geforscht.

Im Wahlkampf haben die rechtsradikale FPÖ und die konservative ÖVP für eine härtere Zuwanderungspolitik geworben. Nun verhandeln die beiden über eine Koalition. Pollak beschreibt die Stimmung in der österreichischen Gesellschaft nach der Wahl und vergebliche Aufklärungskampagnen seiner Menschenrechtsorganisation.

SZ: Wie geht es Flüchtlingen in Österreich?

Pollak: Sehr viele sind unruhig und verängstigt. Am meisten Angst haben diejenigen, deren Antrag noch bearbeitet wird. Sie fürchten, abgelehnt und abgeschoben zu werden. Man kann sich das Leben ohne festen Asylstatus nur schwer vorstellen. Diese Menschen leben in extremer Unsicherheit. Da beunruhigen einen die kleinsten Meldungen. Die FPÖ hat im Wahlkampf mit Schlagwörtern wie "Minus-Zuwanderung" und "Grenzen dichtmachen" provoziert. Ob das ernst gemeint ist und inwiefern sich das in eine Anti-Zuwanderer-Politik umsetzen lässt, ist noch völlig unklar. Aber auch Menschen mit sicherem Asylstatus sind wegen der aktuellen Koalitionsverhandlungen besorgt.

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Was könnte denen, die schon anerkannt sind, eine rechtskonservative Regierung noch anhaben?

Sie könnte etwa die Sozialleistungen kürzen. Sebastian Kurz hat im Wahlkampf eigentlich alle wichtigen Themen mit der Zuwanderungsfrage verbunden. Mit dieser Sündenbock-Rhetorik können ÖVP und FPÖ Sozialabbau rechtfertigen: Das Thema Zuwanderung wird instrumentalisiert, um die Grundsicherung zu kürzen, die die Ärmsten bekommen. Da sind sowohl einheimische als auch geflüchtete Familien dabei. Viele Geflüchtete brauchen das Geld, während sie Deutschkurse besuchen und sich auf den Arbeitsmarkt vorbereiten. Ich gebe in meiner Freizeit Kindern aus finanziell schwachen Familien Nachhilfe in Mathe, Englisch und Deutsch. Solche Familien sind von Kürzungen am schlimmsten betroffen.

Die Zahl der Asylanträge in Österreich hat sich von 2015 auf 2016 halbiert. Trotzdem gehörte Zuwanderung zu den Themen, die die Wahl entschieden und den Rechtsrutsch verursacht haben.

Es sind ja nicht alle nach rechts gerutscht. Viele Österreicher engagieren sich nach wie vor für Flüchtlinge. Ihre ehrenamtliche Arbeit ist ganz wichtig, damit Menschen ankommen können. Trotzdem stimmt es, dass die FPÖ Unzufriedenheit im Volk gut für sich genutzt hat. Der Aufstieg der Rechten vergiftet schon seit Monaten die gesellschaftliche Atmosphäre im Alltag. Wenn wir einen Infostand in der Stadt aufstellen, werden wir derber beschimpft als früher. Auch das Burkaverbot hat die Stimmung auf der Straße verschärft.

Alexander Pollak Alexander Pollak beim Protest gegen eine ÖVP-FPÖ-Koalition - im Hintergrund ist ÖVP-Politiker Sebastian Kurz zu sehen. (Foto: privat)

Das Verhüllungsverbot, das sich vor allem gegen verschleierte Frauen richtet, ist jetzt seit genau einem Monat in Kraft. Das Gesetz ist unter dem sozialdemokratischen Kanzler Christian Kern entstanden. Wenn alle nach rechts driften, macht es ja keinen Unterschied, ob die FPÖ an der Regierung beteiligt ist ...

Doch, das macht einen Unterschied! Meine Organisation hat in den vergangenen Wochen intensiv recherchiert über die Nähe der FPÖ-Führung zum rechtsextremen und neonazistischen Spektrum. Die FPÖ-Spitze finanziert und fördert Neonazi-Sympathisanten. Fast alle Mitglieder der Parteiführung sind bis über beide Ohren in neonazinahe Kreise verstrickt. Dass diese Leute Kandidaten für Ministerämter sind, ist ein einmaliger Skandal, selbst in Österreich.

Der prominente Holocaust-Überlebende Rudolf Gelbard ist in einem Video zu sehen, das SOS Mitmensch veröffentlicht hat. Wozu?

Gelbard zeigt, wie fassungslos er ist. Er hat den Großteil seiner Familie in Konzentrationslagern verloren und fühlt sich persönlich von der aktuellen Entwicklung betroffen. Natürlich ist Österreich heute eine gefestigte Demokratie, die nicht so schnell wanken wird. Aber trotzdem: Wehret den Anfängen!

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Wir haben vor der Wahl informiert und aufgeklärt, vor allem über die neonazinahen Verstrickungen der FPÖ. Die reichweitenstarken Medien haben uns ignoriert, die anderen in kleinen Beiträgen am Rande abgehandelt. Offenbar fehlt das Bewusstsein dafür, was es heißt, wenn solche Menschen Minister werden. Bei der FPÖ schwingt immer mit, dass man sie als Oppositionspartei eh nicht ernst nehmen muss. Und die Bevölkerung scheint rechtsextremen Kräften gegenüber abgestumpft zu sein.

SOS Mitmensch ruft dazu auf, gegen die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ zu protestieren.

Wir kämpfen weiter dafür, dass unsere österreichische Demokratie von vertrauenswürdigen Personen geführt wird, die mit Rechtsextremismus und Neonazismus nicht das Geringste am Hut haben. Sebastian Kurz ist jetzt in der Verantwortung, eine Regierung ohne die FPÖ zu bilden. Wir haben auch versucht, den Herrn Kurz mit unseren Recherchen zu konfrontieren - wir haben ihn mehrfach in unsere eigens eingerichtete Wanderausstellung eingeladen, aber er hat das Angebot "aus terminlichen Gründen" abgelehnt. Auf der Straße haben wir versucht, ihm ein Informationsblatt in die Hand zu drücken. Er hat es nicht genommen.

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