Trotzig blickt sie in die Kamera, ihre aufgespritzten Lippen sind knallrot geschminkt. Emma Coronel Aispuro trägt eine goldene, massive Krone auf ihrem Instagram-Profilbild, das inzwischen ein Jahr alt ist. Die 31 Jahre alte Frau des mexikanischen Drogenkönigs Joaquín Guzmán, genannt "El Chapo", hat jetzt vor Gericht gestanden, an den Geschäften ihres Mannes beteiligt gewesen zu sein. Das berichteten US-amerikanische Medien aus einem Gerichtssaal in Washington, D. C.
Die US-Justiz hat ihr vorgeworfen, eine Art "Erbinnenrolle" eingenommen zu haben im Sinaloa-Kartell, das ihr Mann führte. Laut der Anklage soll sie nicht nur über die inneren Vorgänge des Kartells Bescheid gewusst haben, sondern auch aktiv am Drogenschmuggel beteiligt gewesen sein. Das Kartell hat nach Angaben des US-Justizministeriums in einem Zeitraum von 25 Jahren mehr als 495 Tonnen Kokain, 99 Tonnen Heroin, 49 Tonnen Metamphetamine und 99 Tonnen Marihuana in die USA gebracht.
Emma Coronel Aispuro wurde 1989 geboren und wuchs auf einer Ranch im zentralmexikanischen Bundesstaat Durango auf, am Rand des Goldenen Dreiecks der Marihuana-Produktion. Da ihre Mutter zu ihrer Geburt nach Kalifornien gereist war, besitzt sie die mexikanische und die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Ein Vorteil beim grenzüberschreitenden Drogentransport. Die US-Drogenvollzugsbehörde ist sich inzwischen sicher, dass Coronel schon als kleines Mädchen am Drogenhandel beteiligt gewesen ist. Ihr Vater arbeitete für das mächtige Sinaloa-Kartell.
Ein Leben als "Narcobarbie"
Die gemeinsame Geschichte von Emma Coronel Aispuro und "El Chapo" (auf Deutsch: der Kleine) begann im Jahr 2006. Als Guzmán auf der Ranch auftauchte, war er 49 Jahre alt und seit Jahren auf der Flucht. Bereits bei der ersten Begegnung zwischen dem Drogenbaron und der 17-Jährigen sei eine "wunderbare Freundschaft" entstanden, erzählte Coronel später in einem Interview.
Im selben Jahr gewann die junge Frau einen Schönheitswettbewerb. Auf dem Siegerfoto steckt in ihren langen braunen Haaren ein filigranes Diadem mit silbern glitzernden Steinchen. An ihrem 18. Geburtstag heirateten die Schönheitskönigin und der 32 Jahre ältere Joaquín Guzmán - der Beginn ihres Lebens als "Narcobarbie", wie die hübschen Frauen an der Seite der Drogenbosse häufig bezeichnet werden.
Nach der Hochzeit tauchte Coronel für einige Zeit unter, bis sie 2011 für die Geburt ihrer Zwillingsmädchen nach Kalifornien reiste. Da auf den Kopf ihres Mannes bereits eine Prämie von fünf Millionen US-Dollar ausgelobt war, verzichtete sie darauf, den Namen des Vaters in den Geburtsurkunden ihrer Kinder anzugeben. Fortan pries sie El Chapo, der für den Tod von 2000 bis 3000 Menschen verantwortlich sein soll, als "fürsorglichen Vater".
Spektakuläre Flucht aus dem Gefängnis
Die Familie hielt sich in ihrem Strandhaus an der Pazifikküste auf, als mexikanische Soldaten Guzmán im Februar 2014 festnahmen. Coronel schlüpfte in eine neue Rolle: Zusammen mit Guzmáns Söhnen aus früheren Ehen bereitete sie seine spektakuläre Flucht vor. Sie kaufte ein Stück Land in der Nähe des Hochsicherheitsgefängnisses Altiplano. Bauarbeiter gruben von dort aus einen 1,6 Kilometer langen Tunnel inklusive Belüftungsanlage und einem Motorrad auf Schienen bis in Guzmáns Zelle. Am 11. Juli 2015 floh er ins mexikanische Hinterland.
Ein halbes Jahr später spürte die mexikanische Armee Guzmán abermals auf. Als 2018 der Gerichtsprozess gegen ihn begann, sagte Coronel noch aus, dass sie nichts von den Drogengeschäften ihres Mannes gewusst habe. Während des Prozesses warf sie El Chapo immer wieder Kusshändchen zu und inszenierte sich als "Kardashian von Sinaloa". Sie protzte mit ihrem Reichtum, trat in Realityshows auf und plante eine eigene Modemarke. El Chapo wurde zu lebenslanger Haft plus 30 Jahre verurteilt. Eine Jury befand den heute 64 Jahre alten Guzmán in allen zehn Anklagepunkten für schuldig.
Ende Februar 2021 wurde Emma Coronel Aispuro am internationalen Flughafen der US-Hauptstadt festgenommen. Am Donnerstag dann bekannte sie sich in allen drei Anklagepunkten schuldig: Drogenhandel, Geldwäsche und Unterstützung des Sinaloa-Kartells. Ihr droht eine lebenslange Haftstrafe. Mitte September soll das Urteil verkündet werden.
Auf Instagram hat "The Real Emma Coronel" seit Weihnachten 2020 nichts mehr gepostet, ihr folgen aber immer noch 666 000 Menschen.