Nachhaltige Industrie:"Grüner Wasserstoff muss unser großes Ziel sein"

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Andreas Raps ist seit März 2016 Vorsitzender in der Geschäftsführung (CEO) bei EagleBurgmann. (Foto: Hartmut Pöstges)

EagleBurgmann-CEO Andreas Raps sieht sein Geschäft zukunftsfähig aufgestellt. Denn qualitativ hochwertige Dichtungssysteme sind in vielen Branchen gefragt und können Substanzverluste verhindern.

Interview von Benjamin Engel, Wolfratshausen/Eurasburg

Das Unternehmen EagleBurgmann mit Hauptsitz in Wolfratshausen ist ein Joint Venture der deutschen Freudenberg Gruppe und der japanischen EKK Group und zählt weltweit zu den führenden Herstellern industrieller Dichtungssysteme. Die Produkte sind in der Öl- und Gas- genauso wie in der Pharmazie- und Lebensmittelindustrie zu finden, werden etwa auch in Anlagen zur Wasserentsalzung eingesetzt. Im Vorjahr hat das Unternehmen einen Rekordumsatz von 918 Millionen Euro erwirtschaftet. Die Auftragseingänge haben die Eine-Milliarden-Grenze überschritten. Im Gespräch schildert der 49-jährige CEO Andreas Raps, was es mit dem neuen Innovation Center auf sich hat und wie nachhaltiges Wirtschaften gelingen soll.

SZ: Herr Raps, wie nachhaltig kann ein Industrieunternehmen wie EagleBurgmann sein? Wie energieintensiv ist die Produktion von Dichtungssystemen?

Andreas Raps: Unsere Produktion ist nicht energieintensiv. Die Energiekosten spielen eine untergeordnete Rolle in unserer Gewinn- und Verlustrechnung. Unsere Dichtungen bestehen überwiegend aus Metall und sind in der Regel keine Wegwerfprodukte. Im Feld werden sie meistens repariert und können wieder instandgesetzt werden. Den Materialabfall, der im Produktionsprozess entsteht, führen wir einem Recyclingkreislauf zu. So können wir ressourcenschonend arbeiten.

Die Öl- und Gasindustrie, in der Ihre Gleitringdichtungen zum Einsatz kommen, gilt aber nicht gerade als nachhaltig.

Egal, was wir tun, ob im Öl- und Gas- oder Wasserbereich, in der Lebensmittelindustrie, trägt dazu bei, dass wir Leckage verhindern. Wenn eine Pipeline ein Leck hat, dann ist das ein Problem. Wir haben Produkte im Angebot, mit denen wir signifikant zur CO₂-Reduktion beitragen. Noch viel schlimmer für die Umwelt ist aber der Ausstoß von Methan. Bei Gas-Pipelines gibt es immer sogenannte Pumpstationen mit Kompressoren, die das Gas fördern. Dort findet man unsere Produkte im Einsatz. Wir haben eine Dichtung entwickelt, die den Methanausstoß quasi auf Null reduziert. Der Einsatz einer einzigen EagleBurgmann-Dichtung verhindert die Abgabe von so viel Methan aus Pipelines wie (umgerechnet in CO₂) 7,5 Millionen gefahrene Autokilometer erzeugen. Das sind Game Changer in einer Industrie, die heute keinen guten Ruf hat.

Welche Rolle wird denn das Öl- und Gasgeschäft für EagleBurgmann künftig noch spielen, wenn zunehmend von fossilen auf erneuerbare Energieträger umgestellt wird?

Es wird auf jeden Fall noch mehrere Jahrzehnte ein Geschäftsfeld sein. Die Welt muss mit Energie versorgt werden. Wir müssen auch immer differenzieren zwischen der deutschen Energieversorgungsstrategie und dem globalen Markt. Unsere Kunden, mit denen wir weltweit arbeiten, geben uns keine Signale in Richtung einer Abschwächung des Geschäftes. Ganz im Gegenteil. Durch die jüngsten geopolitischen Entwicklungen ist Energie knapper denn je. Und es fließt gerade sehr viel Geld in Investitionen im Bereich Öl und Gas. Uns ist aber auch klar, dass es eine Transformation in Richtung Green Energy geben wird, die wir aber mitgestalten können.

Sie sprechen von einer deutschen Sicht auf die Dinge. Die Bundesrepublik will die erneuerbaren Energien massiv ausbauen. Erst jüngst sind die letzten Atomkraftwerke vom Netz gegangen. War das womöglich ein Fehler?

Mir steht es nicht zu, über politische Entwicklungen zu referieren. Wenn ich mir jedoch anschaue, wie viele Atomkraftwerke weltweit projektiert sind, dann zeigt dies ein unterschiedliches Bild. Wie in Deutschland künftig die Lücken in der Energieversorgung geschlossen werden, bleibt abzuwarten. Das kann mehr Energieimporte aus anderen Ländern bedeuten, in denen die Atomkraft einen anderen Sicherheitsstandard hat als in Deutschland, und es bedeutet Energiegewinnung aus Kohle. Im Endeffekt sagen einzig und allein Deutschland und die Schweiz, wir steigen aus der Atomenergie aus. Alle anderen Länder entscheiden eher das Gegenteil.

Sie haben die Transformation zu grüner Energie bereits angesprochen. Welche Rolle kann dort EagleBurgmann spielen?

Eine ganz wichtige Rolle, weil wir in all diesen Industrien Referenzen und Erfahrungswerte haben. Wir haben das richtige Produktportfolio, um die verschiedensten Märkte zu bedienen. Auch in Japan gibt es sehr viele Initiativen für erneuerbare Energien, insbesondere zum Thema Wasserstoff. Wir tauschen uns auf globaler Ebene aus, weil die großen Energie-Player irgendwann ihre Standards setzen werden. Da müssen wir natürlich mit am Start sein und Entwicklungen antizipieren.

Wirklich nachhaltig ist allerdings nur grüner, also aus erneuerbarer Energie hergestellter Wasserstoff. Und auch die Methoden, um CO² in den Untergrund zu pressen und dort klimafreundlich zu speichern, sind nicht ganz risikolos.

Wir müssen uns bewusst sein, dass es Konsequenzen haben kann, wenn man CO₂ auffangen und lagern will. Die meisten Dinge im Leben haben Konsequenzen. Grüner Wasserstoff muss unser großes Ziel sein. Gesellschaftlich müssen wir aber in einen Modus mit weniger Bedenkenträger- und mehr Unternehmertum kommen. In Deutschland sind wir prädestiniert dafür, vieles abzuwägen und zu debattieren. Am Ende müssen wir schauen, wie es andere Länder machen. Die sind da oft pragmatischer unterwegs.

Müsste es dann nicht in Bayern auch schnell viel mehr Windräder und Photovoltaik geben?

Wenn ich mir die Sonnenstunden in unserer Region anschaue, dann müssen wir uns einfach überlegen, inwiefern Photovoltaik, insbesondere Freiflächenanlagen, sinnvoll ist. In der Schweiz wird jetzt beispielsweise begonnen, Eisenbahngleise mit Photovoltaik zu besetzen. Warum könnten wir nicht einfach sagen, wir haben tausende von Kilometern an Eisenbahnen auch in Bayern - und das ausprobieren? Bei den Windrädern bin ich insofern skeptisch, weil der meiste Wind sicherlich nicht in Bayern weht, sondern eher auf hoher See. In Bayern sehe ich viel mehr Möglichkeiten für die Wasserkraft. Unsere Nachbarn in Österreich und der Schweiz machen uns das vor.

Ein weiterer Ausbau der Wasserkraft ist aber nicht unumstritten. Ich denke da etwa nur an das Schachtkraftwerk in der Loisach bei Großweil.

Es darf um alles eine Diskussion geben, man muss dann aber auch einen gangbaren Weg finden.

EagleBurgmann ist in 86 Ländern weltweit präsent und agiert damit sehr global. Könnte das problematisch werden, wenn sich geopolitische Auseinandersetzungen verschärfen, etwa zwischen den USA und China?

Als global aufgestelltes Unternehmen müssen wir die geopolitischen Rahmenbedingungen eng verfolgen und Verantwortung übernehmen. Unsere Philosophie ist aber, dass wir in den verschiedenen Ländern auch vertreten sind, um Veränderungen herbeizuführen. Wir tragen als Unternehmer auch eine Verantwortung, um die Gesellschaft weiterzuentwickeln und unsere Werte auch dort zu vertreten. Sie werden bei uns nirgendwo finden, dass wir Kinder beschäftigen, Arbeitszeitgesetze missachten oder Arbeitnehmer ausbeuten. Wir sind als Arbeitgeber sehr verantwortungsbewusst.

Wie stellen Sie das ganz praktisch sicher?

Es gibt das Lieferkettengesetz. Die Einhaltung von gesetzlichen Anforderungen ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Ich habe eine Doppelfunktion. Neben meiner Rolle hier bei EagleBurgmann bin ich bei Freudenberg im Executive Council, dem erweiterten Vorstand. Hier haben wir eine Initiative, die sich e² nennt, was für Education and Environment steht. Wir leisten unseren gesellschaftlichen Beitrag über lokale Projekte.

Können Sie Beispiele nennen?

Kürzlich war ich in Brasilien in einem Waisenhaus, das wir unterstützen. Unsere Freudenberg-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren sich vor Ort, indem sie zum Beispiel Wände streichen. Sie spielen mit den Kindern Fußball und unterstützen bei den Hausaufgaben. In Houston, Texas, unterstützen wir etwa die Kirk Elementary School finanziell, um Tablets, Sitzsäcke oder White Boards anzuschaffen. Leute aus unserem lokalen Team gehen dort jede Woche hin, machen mit den Kindern Schulaufgaben, legen einen Gemüsegarten an und so weiter. Das ist unser Modell. Die Hälfte dieser Zeit bezahlt die Firma, die Hälfte ist Freizeit. Es ist sozusagen eine doppelte Verpflichtung. Alle Projekte werden dezentral angestoßen, sodass die jeweils lokale Organisation Leidenschaft dafür entwickeln kann. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind mit unglaublich viel Herzblut bei den Projekten engagiert.

Im DigitalLab von EagleBurgmann entstehen die Ideen für Produktinnovationen. (Foto: Gerald Schilling/EagleBurgmann/oh)

In Wolfratshausen errichtet EagleBurgmann für 20 Millionen Euro ein Innovation Center, das bis 2024 fertiggestellt sein soll. Das heißt, Ihr Unternehmen wird weiter in der Region stark präsent sein?

Absolut. Das ist ein Bekenntnis von EagleBurgmann, dass wir hier in Zukunft eine sehr starke Basis haben werden. Wir sind ein globales Unternehmen, wollen aber dieses starke Signal setzen, weil wir auch sehen, dass wir beim Thema Wettbewerb um Talente punkten müssen. Mit unserem Innovation Center können wir moderne Arbeitsplätze anbieten. Innovationen entstehen meistens im persönlichen Zusammenwirken von Menschen und nicht nur zuhause vor dem Computer. Wir bieten gute Lösungen für mobile Arbeitsplatzmodelle an. Im Kern sind wir aber ein Produktionsunternehmen. Unsere Leute, die an der Maschine stehen, können die Maschine auch nicht mit ins Wohnzimmer nehmen.

Ist damit die Forschung und Entwicklung in Wolfratshausen konzentriert?

Durch unsere Struktur haben wir quasi zwei Hauptsitze. Der eine ist hier in Wolfratshausen, der andere in der Nähe von Tokio, in Niigata. Dort und hier entsteht, was in Zukunft für uns wichtig sein wird.

Sind damit die hiesigen Arbeitsplätze gesichert?

Wir haben noch nie so viele Menschen in Deutschland beschäftigt wie jetzt: über 1.500 sind es. Das ist schon ein Pfund. Wir wollen jeden Arbeitsplatz in Deutschland verteidigen. Wir haben in den letzten Jahren in Deutschland sogar neue Arbeitsplätze aufgebaut. Wir sehen aber auch, dass wir an anderen Standorten leichter Talente akquirieren können.

Was heißt das für die Zukunft?

Die höheren, wertschöpfenden und sehr entwicklungsintensiven Tätigkeiten werden an den Hochlohnstandorten Japan und Deutschland stattfinden. Ergänzt wird dies durch weitere wichtige Tätigkeiten über unser globales Netzwerk. Das ist eine Mischung, die uns ganz gut gelingt.

Sie sprachen von modernen Arbeitsplätzen im Innovation Center. Wie sehen die ganz konkret aus?

Das Gebäude wird lichtdurchflutet sein und sehr viele Glasflächen haben. Es wird nicht nur aneinandergereihte, abgekapselte Büros geben, sondern auch Projekträume. Wir müssen immer mehr Leute interdisziplinär zusammenbringen. Es gibt auf allen Stockwerken moderne Kaffeeküchen und Begegnungsmöglichkeiten. Das i-Tüpfelchen ist eine Dachterrasse. Unser Ziel ist, Arbeitsplätze zu schaffen, die begeistern und wo jeder sehr gerne hingehen möchte.

Zur Nachhaltigkeit zählt aber auch umweltfreundliches Bauen.

Es wird eine Wärmepumpe geben, die das ganze Gebäude heizen und kühlen kann. Selbstverständlich werden auch Photovoltaikmodule installiert. Wir haben sogar die Idee, dass wir auf dem Dach eine Ansiedlung für Bienen starten können. Als Gruppe haben wir das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden. Das ist bei uns kein Lippenbekenntnis. Ich gehe davon aus, dass wir das sogar früher schaffen.

Wie spielt da das Konzept Eurasburg 2027 hinein?

Es geht insbesondere um die Automatisierung in der Produktion. Das ist aber kein Rationalisierungsprojekt, mit dem Stellen gestrichen werden. Wir nehmen damit die Demografie-Entwicklung in Deutschland vorweg. Vergangenes Jahr haben wir mehrere Dutzend Stellen nicht besetzen können, weil wir die passenden Leute nicht finden konnten.

Dabei sind auch unsere Aktivitäten im Bereich der Digitalisierung wichtig. Für unsere Kunden haben wir ein digitalisiertes Portal aufgebaut, über das sie etwa Gebrauchsanleitungen herunterladen können. Das klingt vielleicht banal. Aber bei manchen unserer Produkte gibt es tausende Seiten technische Dokumentation. Die Kunden haben die Möglichkeit, den technischen Kundendienst zu kontaktieren oder Produkte über einen Webshop zu bestellen. Gleichzeitig haben wir Pilotanwendungen implementiert, sammeln über Sensoren an unseren Dichtungen Daten, um mit dem Kunden gemeinsam ableiten zu können, wann ein Wechselzyklus fällig ist.

Werden sogenannte grüne Geschäftsfelder die Zukunft von EagleBurgmann prägen?

Der Bereich Wasser wird an Bedeutung zunehmen. Die Wasserknappheit der Welt wird immer größer. Das heißt, auch die Anforderungen an Versorgungssysteme werden bei wachsender Bevölkerung größer. Die Lebensmittel- und Getränke-, die Pharmaindustrie werden wichtige Pfeiler sein. Kraftwerke jeder Art vom Atom- bis zum Wasserkraftwerk. Überall da braucht man Dichtungen von EagleBurgmann. Wir gehen davon aus, dass wir eine sehr positive Rolle auf dem Weg in eine grüne Zukunft spielen können.

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