LMU München:Pfarrer hält Weiße-Rose-Gedächtnisvorlesung auf Youtube

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Udo Hahn, Akademiedirektor der Evangelischen Akademie Tutzing. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Menschenfeindlichkeit sei "mit dem Glauben unvereinbar" - klingt selbstverständlich. Udo Hahn findet die These trotzdem eine Rede wert und kritisiert darin den Rechtspopulismus.

Von Jakob Wetzel

Sonderlich steil klingt die These tatsächlich erst einmal nicht. Menschenfeindlichkeit sei "mit dem Glauben unvereinbar", hat Udo Hahn, Pfarrer und Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, seine Vorlesung betitelt. Und er sagt selbst: Seit er die Rede angekündigt habe, werde er immer wieder darauf hingewiesen, das sei doch selbstverständlich. Aber ist es das?

Ja, eigentlich schon, antwortet Hahn. Es sei so selbstverständlich wie Anstand oder auch eine "Kultur des Hinschauens"; dazu hatten in den vergangenen Jahren seine Vorredner an fast demselben Ort aufgerufen, im Jahr 2018 Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und 2019 Ludwig Spaenle, Bayerns Beauftragter gegen Antisemitismus. "Wenn aber das vermeintlich Selbstverständliche der Thematisierung bedarf, dann haben sich Maßstäbe bereits verschoben", sagt Hahn. Es sei höchste Zeit, sich zu orientieren und aufzupassen, nicht wieder vom Weg abzukommen.

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Hahn hat am Donnerstag, am 78. Jahrestag der Verhaftung der Geschwister Scholl, die Weiße-Rose-Gedächtnisvorlesung in der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) gehalten; das heißt: Seine Vorlesung ist am Donnerstag online veröffentlicht worden. Seine Vorredner hatten in den vergangenen Jahren in überfüllten Hörsälen gesprochen. In diesem Jahr ist die Rede nun über den Youtube-Kanal der LMU abrufbar, der Corona-Pandemie wegen. Aus demselben Grund wird auch das Weiße-Rose-Orgelkonzert aus dem Lichthof nur online übertragen, in diesem Fall über den Youtube-Kanal der Weiße-Rose-Stiftung. Beginn ist am Montag, am Todestag von Hans und Sophie Scholl sowie von Christoph Probst, um 18 Uhr.

Menschenfeindlichkeit ist unvereinbar mit dem christlichen Glauben: Das ist Udo Hahn schon deshalb eine Rede wert, weil Rechtspopulisten den Glauben missbrauchen, etwa mit der Parole von der "Rettung des christlichen Abendlandes". Sie missbrauchten auch das Gedenken an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus; sagt Hahn, das sei nicht hinnehmbar. "Wer die eigene Rolle mit dem Widerstand gegen die NS-Diktatur vergleicht, hat den Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur nicht verstanden."

Doch auch die Kirchen hätten ein Problem, sagt Hahn. So habe zwar die Amtskirche, die im Nationalsozialismus noch versagt habe, inzwischen gelernt, dass sie öffentlich gegen Antisemitismus eintreten muss. Doch ob das an der Basis angekommen sei, da seien Zweifel angebracht. Bis zu 20 Prozent der Menschen hätten laut Studien rassistische und antisemitische Vorurteile. Wer sich als religiös bezeichne, habe sogar überproportional oft Ressentiments gegen Juden und gegen Israel, das sei erschütternd. Und die Kirchen mühten sich zwar, doch ihre Angebote seien freiwillig und kämen an der Basis meist nicht an. Es sei überfällig, "eine Verpflichtung daraus zu machen", fordert Hahn. Es gehe um die Identität der Kirchen.

Die Zivilgesellschaft, "wir alle sind gemeinsam für diese Demokratie verantwortlich", sagt Hahn am Ende. Nicht zu schweigen, sondern entschieden für Menschenwürde und Freiheit einzutreten, das sei das Erbe der Weißen Rose.

© SZ vom 19.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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