Analyse zur Landtagswahl:Lieber grün und gelb als blau

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Insgesamt haben die Grünen viele Prozentpunkte verloren, im Stimmkreis Starnberg konnte sich die Partei von Antoine Paranteau und Andrea Schulte-Krauss dagegen über 20 Prozent halten. (Foto: Nila Thiel)

Das Ergebnis im Stimmkreis Starnberg unterscheidet sich in drei Punkten deutlich vom Rest des Freistaats: Die Grünen sind hierzulande sehr viel stärker, die FDP hat hier die Fünf-Prozent-Hürde genommen - und die AfD sieht vergleichsweise wenig Land.

Von Linus Freymark, Carolin Fries und Florian Zick, Starnberg

Der Stimmkreis Starnberg ist und bleibt eine Grünen-Hochburg. Zwar hat die Partei von Direktkandidatin Andrea Schulte-Krauss im Vergleich zur Landtagswahl 2018 Stimmen verloren, doch liegt sie mit 21,3 Prozent der Stimmen deutlich vor dem bayernweiten Ergebnis von 14,4 Prozent. Mehr als jeder Fünfte hat hier sein Kreuz für die Ökopartei gemacht, in Weßling sogar fast jeder Dritte. Während in allen Gemeinden im Landkreis die CSU das Direktmandat gewonnen hat, sticht Weßling auf der Karte leuchtend grün heraus: In der 6000-Einwohner-Gemeinde hat Andrea Schulte-Krauss (Grüne) mehr Erststimmen bekommen als Ute Eiling-Hütig.

Warum wählen die Menschen gerade in Weßling auffallend stark die Grünen? "Das war schon immer so", sagt Hans Karuga aus dem noch jungen Ortsvorstand, der sich erst vor knapp einem Jahr neu zusammengesetzt hat. Klar, da herrsche Aufbruchstimmung. Man habe den Stammtisch wieder belebt und im Wahlkampf Brezen am Bahnhof verteilt. Doch vor allem habe man die Treffen geöffnet für alle interessierten Bürger, sich nicht nur intern getroffen.

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Doch die Menschen in Weßling passen auch gut zum Profil der Grünen, wie der Industriedesigner weiß. Viele seien top ausgebildet und naturverbunden, liebten die Nähe zum See ebenso wie den kurzen Weg nach Oberpfaffenhofen. Der weltbekannte Standort für modernste Raumfahrttechnologie ist ebenso ein Weßlinger Ortsteil wie das ländliche Hochstadt. "Wir haben sehr viele junge Familien hier", sagt Susanne Hellmund, ebenfalls neu im Grünen-Ortsvorstand. "Die fahren meistens mit dem Fahrrad durch den Ort." Jedenfalls, das will Karuga festhalten: "Das gute Ergebnis freut uns sehr!"

Anders sieht es für die AfD aus. Die Rechtspopulisten haben bayernweit 14,6 Prozent eingefahren und dürften damit knapp vor den Grünen die Führungsrolle in der Opposition einnehmen. In Starnberg dagegen kommt die Partei nur auf 8,4 Prozent und landet damit im Stimmkreis nur auf Rang vier. Am stärksten ist die AfD mit zehn Prozent in Gilching. Am schwächsten war sie in Wörthsee: Hier hat die Partei nur 6,5 Prozent geholt.

"Jede Stimme für die AfD ist eine Stimme zu viel", sagt Landrat Stefan Frey

Für Landrat Stefan Frey (CSU) ist das vergleichsweise schwache Abschneiden der AfD eine gute Nachricht. Doch auch die etwas mehr als acht Prozent sind für ihn Grund zur Sorge. "Jede Stimme für die AfD ist eine Stimme zu viel", sagt er. Das bestimmende Thema im Wahlkampf sei die Migrationspolitik gewesen, so Frey. Und weil es den übrigen Parteien - allen voran der Bundesregierung - nicht gelungen sei, Zuwanderung, Unterbringung und Integration von Geflüchteten richtig zu organisieren, würde davon eben die AfD profitieren.

Dass die Rechtspopulisten hier dennoch vergleichsweise schwach abschneiden, führt Frey auch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Region zurück. Anders als in Teilen Ostdeutschlands hätten die allermeisten Menschen hier nicht das Gefühl, abgehängt zu sein. Dennoch betont Frey, dass die Partei nicht nur Anklang bei Leuten findet, denen es weniger gut geht als anderen. "Die AfD speist sich aus allen Bevölkerungsschichten", erklärt er.

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Aus allen Bevölkerungsschichten hätte sich sicherlich auch die FDP gerne gespeist. Doch am Ende stand für die Liberalen nur noch Magerkost. Auf lediglich noch drei Prozent kam die Partei bei der Landtagswahl. Bei dieser desaströsen Zahl muss man doch unweigerlich gleich an Martin Zeil denken. Der frühere Wirtschaftsminister aus Gauting war parteiintern noch ordentlich verlacht worden, als er vor der Kandidatennominierung seine Kampfkandidatur im südlichen Landkreis München mit dem Vorhaben rechtfertigte, die FDP retten zu wollen. Dieser ordentlichen Portion Pathos folgte für Zeil eine Klatsche - und doch muss man sagen: So ein bisschen Rettung hätte die FDP offenbar schon nötig gehabt.

Im Landkreis Starnberg kam die FDP gleichwohl noch auf ein halbwegs achtbares Ergebnis. Außerhalb von Stadt und Landkreis München schaffte es die Partei bayernweit nur noch im Fünfseenland über die Fünf-Prozent-Hürde. Am Ende waren es 6,6 Prozent im Stimmkreis, direkt in Starnberg machten sogar 7,8 Prozent der Wähler ihr Kreuzchen bei den Liberalen. Kein Wunder also, dass voller Schmerz, aber noch mit ein bisschen Reststolz genau aus diesem Starnberg nun die Forderung nach einer schonungslosen Aufarbeitung kommt.

"Das ist ein bitteres Ergebnis, das wir jetzt ganz genau analysieren müssen", sagt FDP-Ortsvorsitzender Stefan Zeil, Sohn des früheren Wirtschaftsministers. Und ohne dem Ergebnis vorgreifen zu wollen, sagt er: Das Auftreten der FDP in der Ampelkoalition in Berlin sei für viele Wähler sicher ein Schlüsselerlebnis gewesen. Das Hin und Her beim Heizungsgesetz zum Beispiel: "Das war nicht gut."

Und auch das fällt noch auf, wenn man im Ergebnistableau auf die Zahlen schaut: Die Wahlbeteiligung lag im Stimmkreis mit 78,6 Prozent über den bayernweiten 73,3 Prozent. Im zum Stimmkreis gehörigen Seeshaupt gaben sogar 86 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab.

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