Traditionelle Wirtshäuser:Der erste Schluck vom Herrschinger Hellen

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Nach drei Jahren Leerstand öffnet das Wirtshaus im Mühlfeld - und in den alten Braukesseln brodelt es wieder. Damit kehrt das Lokal nach einer wechselvollen Geschichte und einer Episode als Steakhouse zu seinen Anfängen zurück.

Von Astrid Becker, Herrsching

Als hätte ein Riese mit einem großen Besen alles sauber gefegt: Gaststätte und Biergarten im Herrschinger Mühlfeld erstrahlen in neuem Glanz, die Schatten der Vergangenheit sind verschwunden. Etwa eine halbe Million Euro hat der neue Eigentümer, der Landshuter Unternehmer Alfons Aigner, in die Sanierung der Immobilie gesteckt. Seit Ende 2016 waren dort keine Speisen und Getränke mehr serviert worden. Mit der Wiedereröffnung unter neuem Namen am vergangenen Wochenende ist nun wieder Leben in das ansehnliche Anwesen am südlichen Ortseingang von Herrsching eingekehrt.

"Brauhaus Herrsching" heißt die Gaststätte nun, und der Name ist Programm. Denn Aigner, der die Gaststätte im vergangenen Herbst gekauft hat, hat auch die kleine Hausbrauerei wiederbelebt. Am Eröffnungswochenende konnten die Gäste ausprobieren, wie das neue Herrschinger Helle schmeckt. Besondere Biergläser wurden dafür kreiert, und sie dürfen durchaus als Reminiszenz an Brauchtum und Tradition verstanden werden. Denn der neue Eigentümer hat ein Faible für Kunst und Kultur, für Bier und historische Gebäude. Ihm gehört unter anderem die Klosterbrauerei Irsee mit Gaststätte und Hotel. Als er erfuhr, dass das einstige Mühlfeldbräu zum Verkauf steht, war er gleich angetan, Ende Februar wurde bekannt, dass er der neue Eigentümer ist. "Es verkörpert so richtig Bilderbuch-Bayern", sagte er damals.

Und dann kam die Corona-Pandemie mit einem Shutdown, unter dem die Gastronomie ganz besonders leidet. Und damit auch der Bierverkauf: Die etwa 50 Mitarbeiter in Irsee seien in Kurzarbeit geschickt worden, erzählt Aigners engster Mitarbeiter David Frick: "Und wir mussten Bier wegschütten." 40 Hektoliter, sagt er, die bereits in den Ausschanktanks für die Gastronomie lagerten. "Das tut einem schon in der Seele weh."

Umso größer sei aber die Freude, dass die Corona-Krise die Renovierung des Brauhauses in Herrsching nicht stoppen konnte und dass das Virus sogar dazu beigetragen habe, Personal zu finden in einer Gegend, in der das normalerweise recht schwierig ist, wie Wirte immer wieder beklagen. Sein Chef Alfons Aigner hatte sich vielleicht auch aus diesem Grund im Februar vorgenommen: "Ich eröffne erst, wenn alles passt und wir ein gutes Team haben." Gleichwohl sucht er weiterhin Personal. "Ich will ja irgendwann sieben Tage die Woche geöffnet haben", erklärt Aigner.

Alfons Aigner

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(Foto: Georgine Treybal)

Ursprünglich hatte der Landshuter Alfons Aigner mit der Gastrobranche nichts zu tun. Er hat in Regensburg Betriebswirtschaft studiert und anschließend in Leipzig mit einem medien- und kommunikationswissenschaftlichen Thema promoviert. Aigners Kerngeschäft sind heute Immobilienhandel und Immobilienprojektierung; er selbst hat ein großes Herz für historische Gebäude. Vor gut 20 Jahren hatte er das Schloss Tunzenberg im niederbayerischen Mengkofen gekauft, in dem es eine erfolgreiche Schlossschänke gibt. Zudem ist Aigner Eigentümer des Hotels Terofal in Schliersee, zu dem auch ein Bauerntheater gehört. Seit einigen Jahren ist er außerdem Eigentümer des Irseer Klosterbräus mit Brauerei, Gasthof und Tagungshotel. Dass sein neuestes Objekt, das einstige "Mühlfeldbräu" schwierige Jahre hinter sich hat, stört Aigner nicht. Schließlich will er mit seinem "Brauhaus Herrsching" eine neue Ära für die Wirtschaft am Ortsrand einläuten und das Haus wieder zu dem machen, was es ursprünglich war: ein Ort, an dem Genuss und Gemütlichkeit gepflegt werden. Natürlich gehört da das Bier dazu: "Das war einer der Gründe, warum ich das hier auch gekauft habe", sagte er. Außerdem liegt dem Landshuter Immobilienunternehmer das Thema Kultur am Herzen, der er auch in Herrsching Raum geben will, wenn die Corona-Krise nicht mehr dazwischenfunkt: zum Beispiel in Form von Kleinkunst in der jahrhundertealten Almhütte aus Tirol, die einst nach Herrsching gebracht und dort mit dem Haupthaus verbunden wurde. Auch damit wird er es wohl halten wie mit der Eröffnung seines Brauhauses: abwarten, bis alles so ist, dass es passt. Deshalb hatte sich Aigner auch von Anfang an keinen festen Termine für den Start gesetzt: "Ich mag einfach keine halben Geschichten", betont er. Worauf er sich nun auch in Herrsching freut, ist der Allgäuer Zwiebelrostbraten mit Käsespatzen und Starkbiersauce, den es auch in Irsee gibt: "Den mag ich sehr gern, aber auch leichtere Kost wie die Salate und Fisch."

Allein wegen solcher Aussagen ist die Herrschinger Immobilienmaklerin Ute Schnellbögl überzeugt, in ihm den Richtigen für dieses Objekt gefunden zu haben. Sie hatte das Anwesen "ganz bewusst" nur Brauereien angeboten: "Mir war als Herrschingerin wichtig, dass hier wieder Bier gebraut wird." Als Wirtschaft mit Biergarten, Außengrill und Hausbrauerei sei das Anwesen von Anfang an konzipiert: "Einfach so, wie es sich gehört", formuliert es Georg Painhofer aus Herrsching. Sein Vater hatte die Gaststätte 1989 auf eigenem Grund erbaut und bis zu seinem Tod 1993 geführt. Damals sei "sie richtig gut gelaufen", erzählt sein Sohn.

Auf dem Nachbargrundstück wohnt die Familie heute noch, aber als der Vater starb, wurde die Gaststätte an den Asado-Steakhouse-Gründer Herbert Gruber verkauft. In den ersten Jahren bis 2005 hatte er den Landgasthof Mühlfeldbräu mit Unterstützung von Geschäftsführern selbst betrieben. Gehoben, aber nicht abgehoben soll die Gastronomie in der Zeit gewesen sein, erzählen Herrschinger noch heute. "Damals lief es noch immer richtig gut, bis Gruber zu verpachten begann", sagt auch Painhofer.

Verschiedene Wirte haben in den Folgejahren dort ihr Glück versucht, meist hielten sie es aber nur ein bis zwei Jahre aus. Immer wieder stand das "Mühlfeldbräu" leer, bis sich wieder ein neuer Pächter fand. Vor Grubers Tod 2014 firmierte die Gaststätte unter dem Namen "Asado Steakhouse", bis sich 2015 ein neues Wirtepaar fand, die daraus wieder ein gut bürgerliches Restaurant machen wollten. Doch auch das klappte nicht: Ende 2016 wurde das Lokal wieder geschlossen.

Jahrelang rührte sich dann dort nichts mehr, bis Grubers Erben im vergangenen Herbst an Aigner verkauften. Seit Februar wurde die Immobilie und ihr Anbau - eine Tiroler Almhütte aus dem Jahr 1645 - nun liebevoll saniert: Das Dach wurde mit Holzschindeln komplett neu eingedeckt, Elektrik und Lüftung erneuert, eine neue Küche eingebaut, die Brauanlage überholt, die Böden umgestaltet, die Räume neu dekoriert und gestrichen. Der Biergarten ist neu bestuhlt, ein neuer Kiosk dort aufgestellt. Selbstbedienung soll es hier künftig ebenso geben wie einen Bereich mit Service. "Wir fangen heuer im SB-Bereich mit Steckerlfisch an, den gibt es aber nur am Wochenende", sagt Aigners Mitarbeiter David Frick.

Besonderer Wert soll auf regionale Zutaten gelegt werden: Brot und Backwaren stammen beispielsweise von der ortsansässigen Bäckerei Sigl, Eier liefert die Familie Keil aus Fuchstal, das Fleisch kommt von der Allgäuer Landmetzgerei Baur aus Ronsberg, die auch den Braugasthof im Kloster Irsee beliefert. Wie dort soll es neben einer Standardkarte mit Gerichten wie Zwiebelrostbraten, Schweinshaxen, Bachforelle, Brotzeiten und vegetarischen Speisen zusätzlich eine saisonale Karte geben, die alle zwei bis vier Wochen wechselt. Verantwortlich dafür ist der neue Küchenchef Thomas Baumgartner, der zuvor im Friedinger "Oberen Wirt zum Queri" gearbeitet hat.

Das Regionale spielt auch sonst eine große Rolle im neuen Brauhaus: Frick hat zum Beispiel schon Kontakte zu den hiesigen Vereinen geknüpft: "Ich wünsche mir wieder Stammtische im Haus und junge Leute aus der Gegend, die bei uns arbeiten wollen."

Das Bier stammt aus der Klosterbrauerei Irsee; zusätzlich wird ein Helles in der Hausbrauerei vom Irseer Braumeister Julius Brzoska hergestellt. Künftig sollen sich die Herrschinger ihr Bier auch wieder abholen können - in Flaschen oder im Zwei-Liter-Siphon - ganz so, wie es früher war.

© SZ vom 03.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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