Herrsching:Steht der Bürgerentscheid auf der Kippe?

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Soll für die Gemeinde Herrsching eine Baumschutzverordnung erlassen werden? Über diese Frage können die Bürgerinnen und Bürger in Herrsching im Dezember abstimmen - falls nicht das Landratsamt einschreitet. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Per E-Mail geht ein Verdacht beim Landratsamt ein. Sollte er sich bewahrheiten, könnte die Abstimmung über die Baumschutzverordnung in Herrsching abgesagt werden.

Von Ann-Marlen Hoolt, Herrsching

Der für den 10. Dezember geplante Bürgerentscheid der Gemeinde Herrsching über den Erlass einer Baumschutzverordnung ist womöglich rechtswidrig. Der Gemeinderat hatte im September auf Antrag der CSU für einen Bürgerentscheid gestimmt. Die Verwaltung versandte vor knapp zwei Wochen Abstimmungsbenachrichtigungen und Wahlunterlagen. Doch jetzt steht die Frage im Raum, ob der Bürgerentscheid überhaupt stattfinden darf.

Aufgeworfen hat diese Frage der Autor einer E-Mail, die nach der Berichterstattung der Starnberger SZ über den Bürgerentscheid sowohl in der Redaktion als auch beim Landratsamt und der Bürgerinitiative "Pro Natur Herrsching" eingegangen war. Der Absender schreibt, er vermute, dass die Gemeinde Herrsching den Bürgerentscheid eigentlich gar nicht vornehmen dürfe.

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Grund für diese Annahme ist die Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern. Denn diese definiert für bayerische Gemeinden einen sogenannten " eigenen Wirkungskreis" - Aufgaben, die eine Gemeinde betreffen und die sie selbst ausgestalten kann - sowie einen " übertragenen Wirkungskreis". Hier ist die Gemeinde lediglich das ausführende Organ staatlicher Aufgaben, die an sie übertragen wurden. Auch eine Baumschutzverordnung, das bestätigt das Landesumweltamt auf Nachfrage, gehört zu diesem übertragenen Wirkungskreis, denn sie leitetet sich vom Naturschutzgesetz ab. Nach geltendem Gemeinderecht aber darf ein Bürgerentscheid nur den eigenen Wirkungskreis einer Gemeinde betreffen. Muss der Bürgerentscheid in Herrsching also abgesagt werden?

In der Gemeinde Maisach griff die Kommunalaufsicht ein

Die Blaupause für den Bürgerentscheid in Herrsching liefert ein Fall aus der Gemeinde Maisach im Landkreis Fürstenfeldbruck im Jahr 2019. Hier hatte der CSU-Bürgermeister im Rat beantragt, die Baumschutzverordnung, die bisher nur für einen Ortsteil galt, auf das gesamte Ortsgebiet auszuweiten. Die Freien Wähler in Maisach forderten daraufhin einen Bürgerentscheid, bei dem die Bürger je nach Wohnort darüber abstimmen sollten, ob ihr Ortsteil eine entsprechende Verordnung bekommen soll. Doch das genehmigte die Kommunalaufsicht des Landratsamts Fürstenfeldbruch nicht, denn Teilwahlen verstoßen gegen die Gemeindeordnung. Außerdem sei ein Bürgerentscheid über eine Baumschutzverordnung grundsätzlich nicht zulässig, erklärte die Behörde.

Auf SZ-Anfrage hat das Landratsamt Fürstenfeldbruck diese Entscheidung aktuell noch einmal bestätigt: "Die Gemeinde Maisach stellte 2019 keinen Sonderfall dar." Die Entscheidung für eine Ausweitung der Baumschutzverordnung traf in Maisach deshalb schließlich allein der Gemeinderat - trotz des Protests vieler Bürgerinnen und Bürger.

Für Herrsching wird jetzt das Landratsamt in Starnberg entscheiden müssen, ob der Bürgerentscheid stattfinden darf. "Es ist keine einfache Rechtslage", sagt Pressesprecher Stefan Diebl. "Aber wir prüfen den Fall zurzeit intern und werden die Gemeinde informieren, sobald die Prüfung abgeschlossen ist." Bis dahin heißt es abwarten. Sowohl beim Landratsamt als auch bei der Regierung von Oberbayern seien bereits Beschwerden gegen den geplanten Bürgerentscheid in Herrsching eingegangen, sagte Diebl. Die E-Mail vom Wochenende sei der Auslöser für die Überprüfung.

Wo liegt der Fehler - wenn es ihn gibt?

Viel Zeit zum Abwägen bleibt der Kommunalaufsicht nicht. Schließlich sollen die Herrschinger schon in etwas mehr als zwei Wochen ihr Kreuz machen. Und mehr als 2000 Bürgerinnen und Bürger haben ihre Abstimmungsunterlagen bereits per Briefwahl eingeschickt. Zudem sind Bürgerentscheide teuer: Für Abstimmungsunterlagen, die Organisation und das Porto hat Herrsching bereits rund 12 000 Euro investiert.

Herrschings Bürgermeister Christian Schiller (parteilos) kann jetzt nur abwarten. "Wir hatten von Anfang an Kontakt mit der Kommunalaufsicht", betont er, "und haben uns mehrmals versichert, ob alles zulässig ist". Bei allen bisherigen Beschwerden gegen den Bürgerentscheid - etwa, weil den Abstimmungsunterlagen keine inhaltliche Begründung beilag - habe das Landratsamt der Gemeindeverwaltung bestätigt, dass ihr Vorgehen rechtens sei.

Auch die Bürgerinitiative "Pro Natur", die sich schon lange für eine Baumschutzverordnung Herrsching einsetzt, ist gespannt auf die Entscheidung des Landratsamts. Sie hat ebenfalls Geld investiert, etwa in Infomaterial und Flyer. "Wenn der Bürgerentscheid abgesagt werden sollte, dann müssen wir das akzeptieren", sagt Norbert Wittmann von Pro Natur. Gerne hätte er auch mit dem Verfasser der Hinweis-Mail gesprochen. Doch der antwortet bislang weder auf Rückfragen der SZ noch auf Gesprächsangebote des Bürgermeisters und der Bürgerinitiative. Wer seinen Namen im Internet sucht - er gibt an, für eine Gemeindeaufsichtsbehörde zu arbeiten - findet keine Informationen.

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