Ammersee-Ostufer:Ärger um den Bürgerentscheid

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Im Dezember können die Herrschinger darüber abstimmen, ob die Gemeinde wieder eine Baumschutzverordnung einführen soll. (Foto: Georgine Treybal)

Im Dezember stimmen die Herrschinger darüber ab, ob es eine Baumschutzverordnung in ihrer Gemeinde geben soll. Angestoßen hat das eine Initiative, die nun aber unzufrieden ist.

Von Ann-Marlen Hoolt, Herrsching

"Soll für die Gemeinde Herrsching eine Baumschutzverordnung erlassen werden?" Über diese Frage können die Bürgerinnen und Bürger in Herrsching am Sonntag, 10. Dezember, abstimmen. Dabei müssen sie nur ein einfaches Kreuz setzen: entweder bei "Ja" oder bei "Nein". Doch einige Herrschinger verunsichert diese Wahl. Und das liegt weniger an der Frage an sich, sondern daran, dass viele gar nicht wissen, worüber sie überhaupt genau abstimmen.

Die Gemeindeverwaltung hat Ende dieser Woche zwar Abstimmungsbenachrichtigungen und Wahlunterlagen für den Bürgerentscheid verschickt, aber keine weitergehenden Informationen. Allerdings ist sie dazu auch nicht verpflichtet. Doch die Bürgerinitiative "Pro Natur Herrsching", auf deren Engagement der Bürgerentscheid zurückgeht, ärgert sich über das Vorgehen der Gemeinde. "Wenn der Bürger abstimmen soll" moniert Norbert Wittmann von "Pro Natur", "muss ich ihn auch informieren".

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Eine Baumschutzverordnung verbietet privaten Eigentümern, als geschützt erklärte Bäume auf ihrem Grundstück zu beschädigen oder zu fällen. Wer dann trotzdem einen Baum im eigenen Garten abholzen will, müsste dies erst bei der Gemeinde beantragen und genehmigen lassen. Sonst droht ein Bußgeld. Außerdem kann die Gemeinde Ausgleichszahlungen oder Ersatzpflanzungen anordnen.

"Pro Natur" hatte im Frühjahr gut 400 Unterschriften für eine entsprechende Verordnung in Herrsching gesammelt, der Gemeinderat beschloss die Baumschutzverordnung daraufhin mit knapper Mehrheit. Bevor nun die Inhalte für die Verordnung erarbeitet werden, beantragte die CSU im September den Bürgerentscheid. Um noch rechtzeitig "die Handbremse ziehen" zu können, falls die Herrschinger die Verordnung doch nicht wollten, sagte der CSU-Fraktionsvorsitzende Thomas Bader damals.

Die Herrschinger müssen über eine Verordnung abstimmen, deren Inhalt noch gar nicht steht

Für das Vorgehen der CSU gab es damals viel Kritik vonseiten der Grünen, der Bürgergemeinschaft Herrsching (BGH) und der Bürgerinitiative "Pro Natur". Denn die Herrschinger müssen dadurch im Dezember über eine Verordnung abstimmen, deren genauer Inhalt noch gar nicht steht. "Das verunsichert natürlich viele Menschen. Und es wirkt, als sei das von der Gemeinde gewollt", ärgert sich Wittmann von "Pro Natur".

Je nach Ausgestaltung kann eine Baumschutzverordnung strenger oder milder ausfallen. Sie kann viele Bäume betreffen oder nur besonders große und alte. Und wirken kann sie letztlich nur, wenn sie hieb- und stichfest formuliert ist. Ansonsten kann sie angefochten werden, wie es bei der alten Verordnung in Herrsching viele Male geschehen ist: Immer wieder fanden sich Ausnahmeregelungen, prächtige Bäume wurden gefällt.

Die Gemeinde scheut den bürokratischen Aufwand

Auch wenn die Details unklar sind: Norbert Wittmann von "Pro Natur" hätte sich für den Bürgerentscheid von der Gemeinde zumindest Prospekte gewünscht, die das Für und Wider einer Baumschutzverordnung abbilden. "Wenn man sieht, wie andere Gemeinden in Bayern über Bürgerentscheide informieren - da ist hier schon ein großer Unterschied", sagt er. Die Bürgerinitiative stellt nun eigenes Infomaterial zur Verfügung. Sie hat in dieser Woche Flyer an alle Herrschinger Haushalte verschickt - naturgemäß bedruckt mit Argumenten für die Verordnung. Für Donnerstag, 30. November, hat der Verein am Abend auch eine Podiumsdiskussion zum Thema organisiert.

Haben im Vorjahr eine Initiative zum Baumschutz in Herrsching gegründet (v.li.): Christine Hollacher, Norbert Wittmann, Christl Voit und Conrad Herz. (Foto: Nila Thiel)

Die Gemeinde Herrsching verweist derweil darauf, dass ihr Vorgehen rechtens sei. Tatsächlich verpflichtet die Rechtsordnung die Gemeinde lediglich, falls sie informiert, der Fairness halber beide Seiten in gleichem Umfang abzubilden. Der parteilose Bürgermeister Christian Schiller betont außerdem, dass Herrsching ja noch bis 2018 eine Baumschutzverordnung hatte. "Wer sich informieren möchte, kann gern ins Rathaus kommen und die alte Verordnung einsehen."

Würde am liebsten auf eine Baumschutzverordnung verzichten: Herrschings Bürgermeister Christian Schiller. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Schiller ist - ebenso wie die CSU, die den Antrag für den Bürgerentscheid gestellt hat - gegen eine Baumschutzverordnung: Zu viel demokratischer Aufwand, keine klaren Kontrollmechanismen und zu große Hürden für Bürger, die vielleicht gute Gründe haben, einen Baum in ihrem Garten zu fällen, sagt er. "Wir müssen unsere Bäume schützen. Aber eine Baumschutzverordnung schafft mehr Probleme, als sie löst."

Bäume gelten als unverzichtbar für den Klimaschutz

Denn gilt eine Baumschutzverordnung, dann muss die Gemeinde ihre Einhaltung auch überwachen. Das heißt: Stämme vermessen, Formulare prüfen, Ersatzpflanzungen bewerten - das ist aufwendig. Aber Bäume gelten als unverzichtbar für den Klimaschutz, weil sie Kohlenstoffdioxid binden. Je älter und größer, desto besser. "Was in der Gemeinde in letzter Zeit an Baubestand gefällt wurde, ist schon bedenklich", sagt Wittmann.

Doch die Bürokratie schreckt viele ab. Von den mehr als 2000 Kommunen in Bayern haben bisher nur an die Hundert eine Baumschutzverordnung. Im Kreis Starnberg sind es die Gemeinden Seefeld und Pöcking. Seit Anfang Oktober hat auch die Stadt Starnberg wieder eine Verordnung für den Baumschutz - acht Jahre, nachdem die alte abgeschafft wurde.

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