Nahverkehr:Schmid findet Unterstützer für die Ticketpreis-Bremse beim MVV

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Es sei überhaupt nicht absurd, über einen deutlich günstigeren MVV-Tarif nachzudenken, finden zum Beispiel auch die Jusos. (Foto: Johannes Simon)
  • Münchens Zweiter Bürgermeister Josef Schmid fordert eine Ticketpreis-Bremse für den MVV.
  • Die SPD lehnt den Vorschlag ab, doch im Rathaus findet Schmid viele Unterstützer.
  • Seit 1991 wurden die MVV-Preise jedes Jahr erhöht. Nur das Jahr 1996 war eine Ausnahme.

Von Heiner Effern, Christian Krügel und Kassian Stroh, München

Der MVV soll heuer auf eine Erhöhung der Fahrpreise verzichten, um die Bürger finanziell wenigstens ein bisschen zu entlasten - für diese Forderung hat Bürgermeister Josef Schmid (CSU) am Mittwoch noch Hohn und Spott aus Reihen der SPD geerntet. Doch der CSU-Politiker bekommt mehr Unterstützung, als sein Kooperationspartner im Rathaus wohl erwartet hatte.

Allen voran aus dem Umland: "Wir sollten unseren Fahrgästen endlich eine Verschnaufpause bei den Ticketpreisen gönnen", sagt Robert Niedergesäß, Sprecher der MVV-Landkreise. Die Preisfindung müsse zudem deutlich transparenter werden. Auch die Münchner Jusos und die Stadtratsfraktion von Grünen/Rosa Liste fordern eine ernsthafte Debatte über Schmids Vorschlag.

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"München soll bezahlbar für alle bleiben." Dieses politische Ziel will die CSU in den Jahren bis zur nächsten Kommunalwahl 2020 zu einem ihrer politischen Kernziele machen. "Bei mir kommen immer mehr Bürger mit Klagen und Sorgen wegen der steigenden Preise an", sagt Bürgermeister Schmid.

Der von ihm geforderte, aber gescheiterte Bierpreisdeckel auf dem Oktoberfest sollte als symbolischer Auftakt für ein München dienen, das sich auch Durchschnittsverdiener leisten können. Der ersten Idee ließ Schmid umgehend seine Forderung nach einer Nullrunde bei den MVV-Tarifen folgen. Die SPD reagierte extrem gereizt auf diesen Vorschlag - findet sich momentan aber damit in einer Außenseiterrolle.

So hegen etwa die Grünen große Sympathie für Schmids Vorstoß. "Angesichts des zögerlichen Leistungsausbaus beim MVV, der vielen Verspätungen und des teilweise veralteten Fuhrparks" sei es "keine Selbstverständlichkeit, jedes Jahr die Preise zu erhöhen", sagen Fraktionschef Florian Roth und Stadtrat Paul Bickelbacher.

"Wir fordern die CSU und SPD auf, das Problem der MVV-Tarife nicht zu einer weiteren Folge ihres Komödienstadels zu machen, sondern sich ernsthaft mit der Sache auseinanderzusetzen", sagt Roth in Anspielung auf die langwierige Bierpreisdebatte.

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Und auch die Jusos fahren ihrer Mutterpartei in die Parade: Es sei überhaupt nicht absurd, über einen deutlich günstigeren MVV-Tarif, womöglich sogar einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr nachzudenken. Ein "MVV 4 free"-Tarif sei "als langfristiges Ziel der Jusos aktuell".

Seit 1991 wurden die MVV-Preise jedes Jahr erhöht, nur einmal nicht: 1996 auf Initiative von Oberbürgermeister Christian Ude (SPD). Damals waren die Fahrgastzahlen ebenso rückläufig wie die Personalkosten bei den städtischen Verkehrsbetrieben. In den Siebzigerjahren gab es Preiserhöhungen nur alle paar Jahre - dann aber sogar um bis zu 30 Prozent. Solche dramatischen Sprünge erwartet beim MVV zwar niemand.

Aber dessen Geschäftsführer Alexander Freitag, der derzeit im Urlaub ist, warnte immer wieder davor, Preiserhöhungen auszusetzen, da sonst im Folgejahr die Tickets noch viel teurer werden müssten. Schließlich müssten die Verkehrsbetriebe steigende Strom- und Personalkosten schultern; zugleich sollten sie das Angebot ausbauen.

Tatsächlich ist die Preiskalkulation rechtlich knifflig - und viel zu intransparent. Das finden zumindest die Landräte der Region. Sie fordern schon lange einen klaren Index, aus dem hervorgeht, warum sich die Kosten der Verkehrsbetriebe überhaupt erhöhen. Dahinter steckt indirekt der Vorwurf, die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und die S-Bahn würden ihre Kosten höher kalkulieren, als sie tatsächlich sind.

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"Wenn wir die Preise erhöhen, müssen wir unseren Bürgern wenigstens sagen können, warum wir das tun", so der Ebersberger Landrat Niedergesäß. Bislang läuft die Preisfindung so: Die MVG muss eigenwirtschaftlich und damit kostendeckend arbeiten. Sie kalkuliert wie die S-Bahn selbständig ihre Kosten und teilt dem MVV mit, wie viel Fahrpreiserlöse sie vom MVV erwartet. Daraus kalkuliert der Verbund die Ticketpreise, die von den Gesellschaftern beschlossen werden müssen.

Bürgermeister Schmid wie Niedergesäß verweisen aber auf die hohen Fahrpreiserlöse. Die lagen im Jahr 2015 schon bei 820 Millionen Euro und dürften 2016 noch deutlich gestiegen sein, der Verkehrsverbund vermeldete einen neuen Fahrgastrekord.

"Allein durch den Fahrgastzuwachs wird der MVV mehr einnehmen, als eine Nullrunde kostet", argumentiert Schmid. Deshalb wolle er das Argument nicht gelten lassen, dass der MVV sein ständig wachsendes Angebot an Fahrten im öffentlichen Nahverkehr nicht mehr bezahlen könne, wenn er die Tarife nicht erhöhe.

Die Gefahr sieht Münchens Landrat Christoph Göbel (CSU): Viel wichtiger als die Höhe der Preise sei, das Tarifsystem zu vereinfachen und über Sozialtarife nachzudenken. "Und eindeutige Priorität hat: das Angebot verbessern." Ähnlich sah das am Mittwoch die Münchner SPD im Stadtrat, die zudem auf die komplexe Gesellschafterstruktur des MVV verwies.

"Wir werden mit der SPD reden", kündigte Schmid ebenso an wie Verhandlungen mit dem Freistaat und den Landkreisen. Ende Juli werden die Verkehrsbetriebe ihre neue Kalkulation vorlegen, Anfang August werden die Gesellschafter dann erstmals über die neuen Preise verhandeln. Landrat Niedergesäß gibt das Ziel vor: "Wir müssen ein Signal an alle Fahrgäste aussenden."

© SZ vom 19.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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