Nahverkehr:Der neue MVV-Tarif - entweder einfach oder gerecht

MVV

Stempeln oder lieber eine Zeitkarte? Bis der neue Tarif starten kann, sind noch viele Hürden zu überwinden.

(Foto: Symbolbild/dpa)
  • Von 2018 an soll im Münchner Nahverkehr ein neues Tarifsystem eingeführt werden.
  • Acht Tarifkreise soll das bisherige Modell mit Ringen, Zonen, Innen- und Außenräumen ablösen.
  • Strittig sind vor allem noch die Angebote für Jugendliche und Senioren.

Von Heiner Effern

Die Idee des CDU-Politikers Friedrich Merz klang so verlockend: eine Steuererklärung, die auf einen Bierdeckel passt. Ist bekanntlich nie gekommen, die große Reform steht immer noch aus. So schlimm wird es mit dem neuen MVV-Tarif wohl nicht enden, doch schon mitten in der Planung von dessen Reform ist abzusehen: Auf einen Bierdeckel wird das künftige System auch nicht passen.

Denn wie bei den Steuern verhalten sie die zwei wichtigsten Vorgaben wie abstoßende Pole: Einfacher und trotzdem möglichst gerecht soll der neue Tarif sein. Bei einem Zwischenbericht wurde im Stadtrat deutlich, dass noch viele Widersprüche zu überwinden sind, bevor der neue Tarif Ende 2018 starten kann. Und dass es auch Verlierer geben wird, die künftig mehr zahlen müssen.

Momentan favorisieren die Planer ein Modell mit acht Tarifkreisen, die das jetzige Wirrwarr um Ringen, Zonen, Außen- und Innenräume ablösen sollen. Für Nutzer von Einzel- oder Streifenkarten würde der Preisanstieg beim Überfahren einer Tarifgrenze dadurch geringer, für Besitzer von Zeitkarten etwas teurer ausfallen. Die in München bereits verkaufte Isarcard S, ein Angebot für Empfänger von Sozialleistungen, soll im gesamten Verbund kommen.

Strittig sind noch die Angebote für Jugendliche und Senioren. Bei Letzteren entzündete sich die Diskussion vor allem an der Frage, ob das Alter oder ein Rentenbescheid zum Bezug berechtigen sollen. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) setzte sich für eine Münchner Lösung ein: Die Stadt solle vom Alterskriterium, das im deutschen Nahverkehr üblich ist, abweichen. Wenn ein 60-Jähriger mit 10 000 Euro Gehalt ein vergünstigtes Seniorenticket erhalte, "können wir auch die Körpergröße als Maßstab nehmen", spottete er.

Für Jugendliche soll der Ausbildungstarif weiter gelten und dazu eine Freizeitkarte eingeführt werden. Ob Letztere angenommen werde, bezweifelte insbesondere die SPD-Fraktion im Stadtrat. Grundsätzlich wurde zum wiederholten Male die Gesetzeslage in Bayern bei Jugendtarifen kritisiert, die dem Land Vorteile biete, Städte aber einschränke. Der OB wird nun in einem Brief an Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) eine Neufassung der Vorschriften anregen, die dem gesamten Freistaat zugute käme.

Reiter machte zudem deutlich, dass der Erfolg der Reform auch daran zu messen sei, wer danach wie viel für eine MVV-Fahrt bezahle. Eine solche Berechnung vermisse er bisher. Sollten die Münchner im Vergleich zum Umland stärker belastet werden, werde er der Tarifreform nicht zustimmen. SPD-Fraktionschef Alexander Reissl konkretisierte, dass insbesondere auch die Besitzer von Wochen-, Monats- oder Jahreskarten nicht schlechter gestellt werden dürften. Diese stützten mit ihren Tickets das gesamte System maßgeblich.

CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl wiederum ermahnte die Sozialdemokraten, im Streben nach der letzten Gerechtigkeit das ursprüngliche Ziel der Tarifreform nicht zu vergessen: "Das Wichtigste ist, dass das System einfacher wird." Die Skepsis vieler Stadträte brachte Grünen-Stadtrat Paul Bickelbacher auf den Punkt. Die MVV-Tarife drohten komplizierter zu werden als bisher, statt einer Reform komme nur "ein Reförmchen".

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