Stark gestiegene Gaspreise:Unkalkulierbare Heizkosten

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Der Blick auf den Gaszähler löst bei vielen angesichts der gestiegenen Preise Befürchtungen aus. Bei zahlreichen Mietern der städtischen Wohnungsgesellschaft GWG wurden diese wahr. (Foto: Christian Ohde/Imago)

Benachteiligt der Gas-Vertrag, den die städtischen Wohnungsgesellschaften mit den Münchner Stadtwerken geschlossen haben, Zehntausende Mieter? Die Stadtratsfraktion von Linken/Die Partei fordert, diesen aufzukündigen.

Von Joachim Mölter

Angesichts von Betriebskosten-Nachforderungen in teils vierstelliger Höhe für Mieterinnen und Mieter der Münchner Wohnen (MW) fordert die Stadtratsfraktion von Linken/Die Partei jetzt Konsequenzen: Das erst zu Jahresbeginn aus den städtischen Wohnungsgesellschaften GWG und Gewofag fusionierte Unternehmen soll aus dem Erdgas-Liefervertrag mit den Stadtwerken München (SWM) aussteigen. "Spekulative Gasverträge beenden und 30 000 Haushalte entlasten!", ist eine Medienmitteilung vom Mittwoch überschrieben.

Die nun eingegangenen Antworten von Münchner Wohnen und Stadtwerken auf eine Anfrage vom Januar hätten die Befürchtung der Fraktion bestätigt, heißt es. "Die Heizkosten von Zehntausenden Haushalten orientieren sich an kurzfristigen Börsendaten", wird Fraktionschef Stefan Jagel zitiert: "Das macht die Nebenkostenabrechnung zu einem russischen Roulette."

Jagel verweist dabei auf Daten aus dem Wohngebiet am Harthof. Dort hatten sich Ende 2023 die ersten Bewohner über die Nebenkostenabrechnungen für das Jahr 2022 beklagt und die Initiative der Linken ins Rollen gebracht. Wie die MW bestätigte, seien im Postleitzahlengebiet 80937, in dem Harthof liegt, 2023 deutlich mehr Ratenzahlungen vereinbart worden als im Jahr zuvor: 485 statt 26. "Erschreckend" findet das Jagel: "Der abgeschlossene Gasvertrag trifft vor allem die Ärmsten, die keine Ersparnisse haben."

Insgesamt wird fast die Hälfte des MW-Bestands mit Erdgas beheizt, 33 608 Wohneinheiten oder 47 Prozent. Die GWG brachte 18 792 Wohnungen in die Fusion ein, die Gewofag 14 816. Die umstrittenen Nachzahlungen betreffen aber vor allem die GWG, die noch kurz vor Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022 und dem damit verbundenen Anstieg der Gaspreise einen neuen Gasliefervertrag mit den Stadtwerken abgeschlossen hatte. In der Vereinbarung wurde der zuvor jährlich fixierte Festpreis durch eine sogenannte Preisgleitklausel ersetzt - dabei wird der Preis für eine Kilowattstunde Gas vierteljährlich neu ermittelt anhand von Durchschnittswerten an der europäischen Energiebörse EEX in Leipzig.

Ein Geschäft mit Geschmäckle, finden die Linken-Politiker. Als der GWG-Manager Christian Amlong im November 2021 den Vertrag unterschrieb, sei bereits abzusehen gewesen, dass er "höchst spekulativ und zum Nachteil der Mieter und Mieterinnen sein würde", heißt es in der Pressemitteilung. In der wird zudem darauf verwiesen, dass Amlong heute "eine hoch dotierte Stelle beim Vertragspartner SWM" habe. Für die GWG-Mieter hat sich das Geschäft eher nicht gelohnt. Für sie hat sich der Netto-Gaspreis bis Oktober 2022 von rund 2,5 auf 25 Cent verzehnfacht.

Die Steigerung sei beim Vertragsabschluss nicht abzusehen gewesen, verteidigte der bei den SWM für die Geschäftskunden zuständige Christian Decker die Vereinbarung unlängst. Das Modell mit der vierteljährlichen Preisanpassung werde in der Wohnungswirtschaft "gern abgeschlossen", sagte er: "Etwa die Hälfte der Unternehmen macht das."

Der Umkehrschluss: Eine Hälfte der Wohnungsunternehmen bevorzugt einen Festpreis, um Planungs- und Kostensicherheit für ein ganzes Jahr zu haben. Davon hält MW-Geschäftsführer Christian Müller nichts: "Wir müssten uns an einem Tag X festlegen, welchen Gaspreis wir für ein Jahr zahlen. Und wenn wir uns an diesem Tag vertun, sind wir für ein Jahr gebunden. Da zahlen die Mieter womöglich erheblich mehr."

Auch das kritisieren die Linken um Stefan Jagel: "Statt sich selbstkritisch mit den hohen Nachzahlungen auseinanderzusetzen und eine Mitschuld einzuräumen, bleiben Münchner Wohnen und Stadtwerke vage und verweigern konkrete Einblicke zum Gas-Vertrag." Der liege der Fraktion inzwischen trotzdem vor - und gebe Anlass, den Ausstieg zu fordern.

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