Freizeit in der Natur:Spaziergänge in München für Vogelfreunde

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Rauchschwalben im Flug lassen sich auf einem Ausflug rund um Johanneskirchen entdecken. (Foto: Zdenek Tunka)

Der Landesbund für Vogelschutz hat vier "Stadtnatouren" entwickelt. Wo es sich lohnt, nach Rauchschwalbe, Feldlerche und Waldkauz Ausschau zu halten.

Von Anna Covell, Jean Dumler und Barbara Hordych

"In welchen Ecken Münchens lässt sich Natur am schönsten erleben?" fragte sich Sophia Engel, die stellvertretende Geschäftsführerin des Landesbundes für Vogelschutz in Bayern. Als Antwort konzipierte die promovierte Biologin mit dem Schwerpunkt Ornithologie die "Stadtnatouren", vier verschiedene Routen, die von München aus mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar sind. Die vorgeschlagenen Spaziergänge führen Erholungssuchende zu Naturschätzen am Stadtrand an den Abfanggraben im Münchner Osten oder zur Allacher und Langwieder Heide im Westen. Mit einer Vogelsafari im Schlosspark Nymphenburg ist auch ein Tourenvorschlag mitten in der Stadt dabei.

Die Routen beschränken sich auf bestehende Wege, die "keine Trampelpfade" sind, erklärt Engel. Da sie sich besonders für den Schutz der heimischen Vogelarten einsetzt, ist ihr wichtig, dass alle Beobachtungen vom Weg aus zu machen sind, "ein Naturerlebnis auf rücksichtsvolle Weise und ohne Störung für die Umgebung". Es seien Touren, "bei denen man sich selbst führen muss", so Engel. Idealerweise mit der Stadtnatouren-App in der Hand, die Auskunft zum Artenreichtum vor Ort gibt und den Weg weist. "Das Angebot richtet sich an Menschen, denen es so geht wie mir und die es nicht mögen, ihre Wochenenden mit festen Führungsterminen und Anmeldungen durchzutakten", sagt Engel.

Münchner Nordwesten: Den Buntspecht als Baumeister erspähen

Übersetzt man seinen wissenschaftlichen Namen, so müsste der Buntspecht "großer Baumhämmerer" heißen. Sein schnelles Trommeln ist tatsächlich weithin hörbar - etwa wenn er sich im Allacher Wald als Baumeister betätigt. (Foto: Heinz Tuschl/LBV Bildarchiv)

Hat sie eine Lieblingstour? "Ich persönlich liebe die Allacher Route, sie führt unter anderem durch den schönen Rest eines Nutzwaldes mit Ahorn, Hainbuchen und Eichen", sagt Engel. Im Norden Münchens umspannte einst ein breiter Waldgürtel das Stadtgebiet, der südlich an die trockenen Heidegebiete der Münchner Schotterebene anschloss und nördlich in die feuchten Niedermoor-Ausläufer des Dachauer, Schleißheimer und Echinger Mooses überging. Im Mittelalter dienten diese Wälder der Gewinnung von Eichenrinde, der sogenannten Lohe, die zum Gerben von Leder benötigt wurde. Dazu wurden sie zur Gewinnung von Bau- und Brennholz genutzt. Der größte Teil des ehemaligen Lohwaldgürtels musste zwar dem Siedlungsbau und moderner Infrastruktur weichen, im Allacher Wald sei aber noch ein Stück dieses artenreichen Lohwalds erhalten, erklärt Engel.

Es lohne sich, hier nach Waldvögeln Ausschau zu halten, denn insbesondere in den älteren Laubwäldern gebe es ein reiches Vogelleben. Futter ist mit Knospen, Früchten und Insekten reichlich vorhanden. Und die alternden Bäume bieten beste Bausubstanz für den Buntspecht, der hier seine Wohnhöhlen zimmert - und als "Baumeister" Wohnraum für viele weitere Arten schafft. Pilze zersetzen das morsche Holz und machen es zugänglich für Insekten, die wiederum Nahrung für Specht, Kleiber und Fledermaus sind.

Die an die Allacher Lohe angrenzenden wertvollen Heideflächen wurden zum großen Teil dem Bau eines Rangierbahnhofs geopfert. Der Bau wurde bereits in den 1930er Jahren vorbereitet, in Betrieb ging der Rangierbahnhof erst 1991. Nur kleine Heideflächen nördlich und südlich der Gleisstränge seien noch erhalten, die der Landesbund für Vogelschutz seit vielen Jahren pflege, um ihren ungewöhnlichen Artenreichtum zu erhalten, sagt Engel. Hecken und Sträucher werden in der Stadt meist streng zurückgeschnitten, hier können aber Sanddorn, Berberitze und Wildrose noch ausladend wachsen. Vögel wie der seltene Neuntöter nutzen den dichten Wuchs als Schutz für ihr Nest, im Herbst fallen Amseln, Stare und Grasmücken über die nahrhaften Früchte her. Die Strecke der Tour mit der Nummer 3 ist 6,8 Kilometer lang. Sie startet und endet an der S-Bahnhaltestelle Karlsfeld, die mit der S2 erreichbar ist.

Münchner Stadtnatour, Route 3: Durch Lohwald und Heiden am Rangierbahnhof - Münchner Nordwesten . Auf der Webseite des Landesbundes für Vogelschutz werden neben Informationen zu den vier Routen auch Karten zur Verfügung gestellt. Die Stadtnatour-App ist kostenlos im Play Store (Android) oder im App Store (Apple) herzunterzuladen.

Münchner Nordosten: Sogar der Pirol ist hier zu Hause

Johanneskirchen ist ein sehr alter Ort: Die erste Urkunde, die die "Ecclesia sancti Johannis ad Ferringa" erwähnt, stammt vom 2. Oktober 815. Darin ist festgehalten, dass der katholische Diakon Huuezzi die Kirche vom Freisinger Bischof Hitto als Lehen erhält. Dafür musste er dem Bischof aber eine Wagenladung Bier ('cerrada de cervisa') ins Bistum nach Freising liefern. Gut, dass man heute keine Wagenladung Bier als Wegzoll hinter sich herschleppen muss. Sonst wäre die zweistündige Rundwanderung schon deutlich anstrengender zu bewältigen. Wobei ein Bier im Picknick-Korb natürlich grundsätzlich keine schlechte Idee ist.

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Nach Johanneskirchen kommt man mit der S-Bahn vom Hauptbahnhof in einer halben Stunde. Sobald sich die Häuserfront nördlich der Aaröstraße lichtet, öffnet sich der Blick auf die weiten Felder und Wiesen. Im Sommer hört man hier die Mehl- und Rauchschwalben, die nach Insekten jagen. Unter einem alten Bahndamm hindurch geht es weiter. Wer sich etwas Zeit nimmt und auf die jetzt stillgelegte Gleisanlage klettert, entdeckt vielleicht den Idas-Bläuling, einen Tagfalter aus der Familie der Bläulinge, der in München häufig vorkommt.

An bellenden Hunden und farbenfrohen Bauernhöfen vorbei windet sich nun der Schotterweg "Im Moosgrund". Eine Informationstafel weist auf die Wichtigkeit von Heckenstreifen in der Agrarlandschaft hin. Die Hecken sind in ihrer Vielfalt eben nicht nur schön, sondern fungieren als Lebensadern der Kulturlandschaft und als Wanderkorridore, die die einzelnen Habitatinseln miteinander verknüpfen. Stieglitze streifen hier umher, sie suchen im Heckensaum nach Samen und anderen Genüssen.

Auf der Wasserfläche tummeln sich Blässhühner. (Foto: Christoph Monning/LBV Bildarchiv)

Schon nach kurzer Zeit stößt man auf den Abfanggraben, der zwischen 1920 und 1929 zeitgleich mit dem Mittlere-Isar-Kanal gebaut wurde. Ursprünglich als Entwässerungsgraben entstanden, kommt ihm heute eine viel größere Bedeutung zu. Die Natur hat dieses Gebiet für sich beansprucht, von den trockenen, südlich ausgerichteten Hängen bis zu der feuchteren, nördlich ausgerichteten Seite, die mit vielen Gebüschen Versteckmöglichkeiten für den geschützten Pirol bietet. Auf der Wasserfläche tummeln sich Taucher und Blässhühner. Aufgrund der sehr guten Wasserqualität gibt es im Abfanggraben viele Bach- und Regenbogenforellen, jedenfalls wenn sie dem Kormoran entkommen. Der Entwässerungskanal ist längst zum Paradies für Flora und Fauna geworden.

Die Route führt nun südlich zum sogenannten Grabenkopf, wo die Wasseramsel Larven der Wasserinsekten erbeutet und dann weiter auf bekanntem Wege wieder zurück bis zur S-Bahn-Johanneskirchen.

Münchner Stadtnatouren, Route 1: Rund um Johanneskirchen - Münchner Nordosten

Münchner Westen: Zwischen Skabiosen und Hufeisenklee

Langer Atem: Bis zu 15 Minuten trägt die Feldlerche im Singflug ihre Strophen vor. (Foto: Frank Derer/LBV Bildarchiv)

Die Stimmung im Münchner Westen ist ziemlich idyllisch. Wer dem Trubel der Großstadt entfliehen möchte, ist in den weitläufigen Wiesen und Wäldern zwischen Langwied und Aubing genau richtig. Die Gehzeit für diese Wanderung beträgt rund eineinhalb Stunden, dann steigt man in die nächste S-Bahn und ist innerhalb von zwanzig Minuten wieder im Zentrum.

Die Tour startet aber an der S-Bahn-Haltestelle Langwied, erreichbar mit der S 3. Im Jahr 1995 wurde die Langwieder Heide, durch die man anfangs geht, per Stadtratbeschluss unter Schutz gestellt. Mit seinem Kalkmagerrasen eignet sich dieses besondere Stück Natur gut für einen ausgedehnten Spaziergang. Seltene Schmetterlings- und Bienenarten werden von den unzähligen Blüten von Wiesensalbei, Hornklee, Glocken- und Wiesenflockenblume angezogen. Mit etwas Glück sind auch Vögel wie Dorngrasmücke und Neuntöter zwischen den Sanddornsträuchern zu entdecken sowie auch ein einst sehr häufiger und inzwischen selten gewordener Bodenbrüter: die Feldlerche.

Der Geschichtspfad leitet von der ersten urkundlichen Erwähnung Aubings bis zum Bau des Autobahntunnels. Auf dessen Dach tummeln sich nun die Blüten von Skabiosen-Flockenblumen und Hufeisenklee. Der Weg führt zur mit Fichten besteckten Aubinger Lohe, einem Überbleibsel des Lohwaldgürtels. Hier in den Fichten brütet eine der kleinsten Vogelarten Europas: das neun Zentimeter lange Wintergoldhähnchen, das sich am liebsten in den Baumkronen aufhält. Die Tour 2 endet an der S-Bahn-Haltestelle Aubing.

Münchner Stadtnatouren, Route 2: Von Langwied nach Aubing - Münchner Westen

Münchner Zentrum: Frühlings-Jazz vom Vogel-Ensemble

Ein Spaziergang durch den Nymphenburger Schlosspark, eines der größten und vielleicht auch schönsten Gartenkunstwerke Deutschlands, besitzt nicht nur für Schloss-Liebhaber, sondern auch für Vogelfreunde seinen Reiz. Wer seinen Blick von den vielen Bauskulpturen löst und mit Zeit und Aufmerksamkeit durch den Park spaziert, kann mitten in München eine erstaunliche Vielzahl an Vogelarten entdecken. Im Schlossgartenkanal präsentieren Schwäne majestätisch ihr Gefieder, Haubentaucher ploppen immer wieder aus dem Wasser auf. Reiher- und Stockenten erwarten Brotkrümel von den Besuchern, während die Zwergschneegans in der artenreichen Mähwiese vorm Geranienhaus Gräser pflückt.

Die wassernahen Vogelarten findet man leicht, doch für andere Beobachtungen muss man mehr Zeit, ein trainiertes Auge und etwas Glück einplanen. Die naturnahen Mischwälder aus Eiche und Hainbuche im bewaldeten Bereich des Hofgartens bieten einen geeigneten Lebensraum für Höhlenbewohner wie Waldkauz und Fledermäuse. In den blühenden Bäumen sind die kleinen Schwalben, Drosseln und selbst die Sperber schwerer mit dem bloßen Auge zu erkennen. Es lohnt sich aber, auf einer der zahlreichen Parkbänke für eine längere Zeit in der Sonne zu verweilen und seinen Spaziergang mit den Augen in den Baumkronen fortzuführen. Während man wartet, kann man der gemeinsamen Komposition der Vögel aufmerksam lauschen. Wie eine Symphonie beeindruckt die Soundlandschaft von sympathisch gurrenden Tauben, krächzenden Krähen und piepsenden Spatzen, dazwischen Zwitscher-Solos von Rauchschwalben. Frühlings- Jazz vom Vogel-Ensemble.

Münchner Stadtnatouren, Route 4: Vogelsafari im Park - Münchner Zentrum

© SZ Extra vom 29.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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