Prozess um Räumungsklage:Flatz kämpft um seine Bleibe auf der Praterinsel

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Der Aktionskünstler Wolfgang Flatz gestaltete etwa die gelbe Ente im Fasanen-Einkaufszentrum in Unterhaching. (Foto: Claus Schunk)

Der bekannte Aktionskünstler nutzt seit Jahrzehnten eine ehemalige Garage auf dem Areal. Doch sein Vermieter will ihn raushaben. In der Gerichtsverhandlung kommen kuriose Details zur Sprache.

Von Sebastian Krass

Damals, vor gut drei Jahren, waren der Künstler und der Bauunternehmer offenbar auf einem guten Weg, ihren Streit um Miete und Kündigung beizulegen. Die Umstände, von denen an diesem Donnerstag vor dem Landgericht München die Rede ist, allerdings waren so ungewöhnlich wie dieser ganze verschlungene Fall. Am Silvestertag 2018, so erzählt es der Künstler Flatz, habe er sich mit seinem Vermieter Urs Brunner in der ehemaligen Lkw-Garage auf der Praterinsel getroffen, die Flatz vor mehr als 30 Jahren zu Atelier und Wohnraum ausgebaut hat und seitdem nutzt. Der 69-Jährige ist durch teils drastische Performances mit seinem Körper international bekannt geworden, er arbeitet auch als bildender Künstler. Brunner, der die Praterinsel 2015 gekauft hat, will ihn dort raushaben.

Brunner, schildert Flatz, habe ihm angeboten, Kunstwerke "zu einem für mich angenehmen Preis" zu kaufen, wenn er im Gegenzug die Garage räume. Im Januar 2019 sei Brunners Frau vorbeigekommen, habe drei Kunstwerke ausgewählt und einen Kaufpreis von 300 000 Euro genannt, "Herr Brunner kam später dazu, da sagte sie: Schatz, das habe ich ausgesucht". Gut einen Monat später habe sie angerufen und gesagt, "dass ihr Mann die Arbeiten nicht haben möchte". So die Darstellung des Künstlers, die im Raum stehen bleibt. Urs Brunner ist nicht erschienen, sein Anwalt Christian Heike lässt die Darstellung unkommentiert. Gesichert ist, dass es nichts geworden ist mit der Beilegung des Streits, nicht vor gut drei Jahren und auch nicht an diesem Donnerstag bei der Güteverhandlung zur Räumungsklage Brunners gegen Flatz.

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Die Richterin Juliane Plankemann macht zu Beginn klar, dass beide Parteien ins Risiko gehen, wenn sie sich nicht einigen. Brunners Firma Terrena Dr. Brunner KG, die ihren Sitz in einem heruntergekommenen Bahnhofsgebäude in Pullach hat und im Verfahren als Klägerin firmiert, hat demnach keine guten Chancen, die geforderte Nutzungsentschädigung von 19 000 Euro für die Zeit seit Anfang 2019 zu bekommen. Was die Räumung angeht, sieht die Richterin das Risiko auf der Seite des Künstlers, im weiteren Verfahren müsse man Beweis erheben zu den Umständen des Mietverhältnisses, auf das Flatz sich beruft, zu dem es aber keinen Vertrag gibt.

Flatz war Ende der Achtzigerjahre auf der Praterinsel untergekommen. Der damalige Eigentümer Dieter Bock habe ihm die insgesamt etwa 150 Quadratmeter im Garagengebäude inklusive Versorgung mit Strom, Heizung und Wasser überlassen, ohne Geld zu verlangen. "Ich hatte auf der Documenta ausgestellt und war Professor, er wollte mich als Frontfigur für die künstlerische Nutzung auf der Praterinsel." Als Gegenleistung für das Mietverhältnis habe er unter anderem große Ausstellungen kuratiert, argumentiert Flatz. Bock verkaufte die Praterinsel später an das Immobilienunternehmen Patrizia, das die Sache weiterlaufen ließ und das Areal schließlich an Brunner abstieß. Der ließ Flatz 2018 wissen, er brauche das Gebäude jetzt selbst. Flatz aber betont, es handele sich um seinen Wohnsitz, er ist unter der Adresse Praterinsel 3 gemeldet.

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Brunners Anwalt bestreitet vor Gericht, dass es sich um ein Wohnungsmietverhältnis handele, in Wirklichkeit wohne Flatz in Räumen an der Kistlerhofstraße in Obersendling. Inzwischen ist das Verhältnis zwischen Brunner und Flatz zerrüttet. Im vergangenen Jahr ließ Brunner Strom, Wasser und Heizung abstellen und das Eingangstor zum Gebäude verriegeln. Dagegen erwirkte Flatz einstweilige Verfügungen vor Gericht. Zudem startete er öffentliche Aktionen unter dem Slogan "So nicht, Herr Brunner", die er als künstlerische Verarbeitung seiner Erlebnisse sieht. Brunner sieht sich laut seinem Anwalt in die Nähe von "Raubtierkapitalismus" gestellt.

Als einen Ausweg schlug die Richterin "einen Räumungsvergleich mit einer großzügig bemessenen Frist von einem Jahr" vor. Brunners Anwalt erwiderte, dass man diese Länge "nicht für notwendig" halte, da die Kündigung "seit drei Jahren im Raum steht" und Flatz nicht wie andere Mieter "mit einem Bein auf der Straße" stehe.

Flatz' Anwältin Christiane Strahl lehnte ebenfalls ab: "Es ist kein Rechtsstreit ums Prinzip. Mein Mandant hat keinen anderen Wohnsitz, der Ort ist für ihn auch ideell bedeutsam, er hat dort sein halbes Leben verbracht." Indirekt brachte sie künftige Mietzahlungen ins Spiel. Sie nahm auch Bezug auf den einst geplanten Ankauf von Kunstwerken. "Es ist möglich, über die Zeit zu sprechen, aber nicht über Kunstankäufe", erwiderte Anwalt Heike. Er betonte zudem, es komme nicht infrage, dass Flatz auf Dauer bleibe.

Der nächste Gerichtstermin ist für den 12. Mai angesetzt, dann mit einer Zeugin, die schildern soll, wie es damals zu Flatz' Mietverhältnis gekommen ist.

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