Erneuerbare Energien:Grüne kritisieren "Verhinderungstaktik" bei Photovoltaik-Ausbau

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Der Ausbau der Photovoltaik-Anlagen auf städtischen Wohnhäusern geht den Grünen zu langsam voran. (Foto: Gewofag)

Fraktionschef Dominik Krause rechnet im Stadtrat mit den städtischen Wohnungsgesellschaften GWG und Gewofag ab. Dann legt die Koalition ehrgeizige Ziele fest - was die Opposition an Pippi Langstrumpf erinnert.

Von Sebastian Krass

"Es ist die Aufforderung, nicht nur schneller voranzukommen, sondern überhaupt mal in die Pötte zu kommen": Der Fraktionschef von Grünen/Rosa Liste, Dominik Krause, wirft den städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG und Gewofag Untätigkeit beim Ausbau von Photovoltaik-Anlagen vor - und eine Missachtung des Stadtrats. Aus Sonnenenergie mehr Strom zu erzeugen und damit dem Ziel eines klimaneutralen Münchens im Jahr 2035 näher zu kommen, ist ein Ziel der Grünen, aber auch anderer Fraktionen.

Aber das, was bei GWG und Gewofag seit einem entsprechenden Stadtratsbeschluss im Sommer 2020 passiert sei, "liegt meilenweit hinter dem, was erreicht werden muss. Das kann so nicht weitergehen", sagte Krause am Mittwoch im Planungsausschuss des Stadtrats. Von den Gesellschaften sei hauptsächlich "eine Aufzählung von Hemmnissen gekommen", Krause sprach sogar von "Verhinderungstaktik". Insbesondere bei der Gewofag sei quasi nichts passiert, bei der GWG wenigstens ein bisschen. Anlass der Debatte war eine neuerliche Beschlussvorlage zu "Mieter*innenstrom bei den Wohnungsbaugesellschaften", es geht dabei darum, den Bewohnerinnen und Bewohnern Strom aus hauseigener Erzeugung anzubieten.

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Stadtbaurätin Merk schreibt darin, dass der Photovoltaik-Ausbau bei den städtischen Gesellschaften "verstärkt zu erfolgen hat". Alle Neubauten seit 2021 seien "schnellstmöglich" mit solchen Anlagen auszurüsten, zudem pro Jahr zehn Prozent der Bestandswohnungen. Grundsätzlich stimmte der Ausschuss der Vorlage einstimmig zu. Jedoch verschärfte die grün-rote Rathauskoalition die Vorgaben mit einem Änderungsantrag, den die Opposition geschlossen ablehnte.

Demnach bekommen GWG und Gewofag, die Anfang 2024 zur "Münchner Wohnen" fusioniert werden sollen, in ihren strategischen Zielen verankert, dass sie pro Jahr insgesamt einen Photovoltaik-Ausbau von 12,5 Megawatt Peak (eine Einheit für die Spitzenleistung einer Anlage, kurz MWP) hinbekommen müssen. Das würde laut Krause reichen, um jedes Jahr weitere 4000 der insgesamt etwa 70 000 Wohnungen mit eigenem Strom zu versorgen. Die Verwaltung hatte zudem Ausnahmen für den Fall vorgesehen, dass dem Ausbau "wirtschaftliche, rechtliche, technische und nutzungsbedingte Gründe" entgegenstünden. Das Wort "wirtschaftlich" strich die grün-rote Mehrheit.

Auffällig war, dass die Fraktion von SPD/Volt nicht in die Abrechnung des grünen Koalitionspartners einstimmte. Simone Burger (SPD) äußerte sich eher allgemein: Sie halte die neu vorgegebenen Ziele "nicht für zu ambitioniert, sondern für unglaublich notwendig". Zudem sei es gut, dass Merks Vorlage "die Hemmnisse beim Ausbau mal aufzeigt. So können wir schauen, wie wir sie beseitigen können."

"Wir sind hochmotiviert", beteuert der Gewofag-Vertreter

Die größte Oppositionsfraktion CSU/Freie Wähler stört sich daran, dass der Faktor Wirtschaftlichkeit keine Rolle mehr spielen soll. "Wenn man nicht mehr wirtschaftlich mit öffentlichen Geldern arbeiten will, hat man ein anderes Verständnis von verantwortungsvoller Politik", sagte CSU-Stadtrat Winfried Kaum. Sein Fraktionskollege Alexander Reissl ergänzte, dann könne "man die Photovoltaik-Anlage auch im Keller montieren", damit komme man wenigstens auf dem Papier dem Ausbauziel näher. Auch die CSU sei für den Ausbau, aber diese Form der Stromgewinnung könne nur einen überschaubaren Teil zur Deckung des gesamten Bedarfs beitragen.

Linken-Stadträtin Brigitte Wolf hält das Ziel von 12,5 MWP für unrealistisch. Sie rechnete vor, dass mit den tatsächlichen Zahlen für Neubau und Bestandssanierung höchstens ein Plus von acht MWP zu erreichen sei, das sei "schon sehr ambitioniert". Jörg Hoffmann (FDP) sagte daraufhin: "Es ist selten, dass Du mir so aus der Seele sprichst, liebe Brigitte." Grün-Rot arbeite "nach dem Pippi-Langstrumpf-Motto ,Ich mach die Welt so, wie sie mir gefällt'", ergänzte Hoffmann. "Ihr könntet statt 12,5 genauso gut 25, 50 oder 100 reinschreiben." Grünen-Fraktionschef Krause verteidigte das 12,5-MWP-Ziel. Es gebe viele Bestandsgebäude, die nicht zur Sanierung anstünden, aber "vorgerüstet" für den Einbau von Photovoltaik-Anlagen seien, das seien Früchte, "die man leicht ernten kann". Auf den Vorwurf des unwirtschaftlichen Handelns erwiderte Krause, die Kostenberechnungen bezögen sich stets nur auf den Status quo. Langfristig zahlten sich solche Anlagen aus.

Am Schluss der Debatte kamen auch Vertreter der kritisierten Wohnungsgesellschaften zu Wort. Ein Gewofag-Mitarbeiter berichtete, man habe Ende 2022 eine "sehr ausführliche und differenzierte" Strategie zum Photovoltaik-Ausbau im Planungsreferat abgegeben. Indirekt räumte er Versäumnisse ein: "Wir sind hochmotiviert, die Ziele des Stadtrats umzusetzen und schneller zu werden." Bisher sei man "gefangen in unseren Zwängen, aber die wollen wir überwinden". Der Vertreter der GWG verwies ebenfalls auf ein eingereichtes Strategiepapier, zudem habe man 2022 "einen großen Push mit einer Vielzahl von Pilotprojekten, auch in Kooperation mit den Stadtwerken", erreicht.

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