Konzerte zu Ostern in München:Klassik zur Passion

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"Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze": Joseph Haydns vielleicht ungewöhnlichstes Werk wird von den Residenz-Solisten interpretiert. (Foto: Johannes Simon)

Das große Jubiläum "300 Jahre ,Johannespassion'" von Johann Sebastian Bach prägt in der Woche vor Ostern das musikalische Geschehen in Münchens Kirchen und Konzertsälen. Aber auch die "Matthäuspassion" und andere ergreifende sakrale Werke sind zu hören.

Von Paul Schäufele

Münchener Bach-Chor

Feiert heuer sein 70-jähriges Bestehen: der Münchener Bach-Chor, hier mit dem Bach-Orchester unter Leitung von Johanna Soller. Die Bachsche "Matthäuspassion" am Karfreitag in der Isarphilharmonie dirigiert allerdings Florian Helgath. (Foto: Sabine Finger)

Am Anfang steht eine lakonische Notiz im Bericht der Berliner Sing-Akademie: "Ausführung gelungen; Wirkung groß; Einnahme bedeutend". In sechs Wörtern wurde dieser Moment festgehalten - Felix Mendelssohn Bartholdy führt 1829 die Bach'sche "Matthäuspassion" auf und begründet damit eine Tradition, an der bis heute festgehalten wird. Alljährlich sind die Konzertgängerinnen und -gänger dazu eingeladen, zumindest innerlich an der Klage um das Passionsgeschehen teilzuhaben. Und jedes Jahr aufs Neue beteiligen sich der Münchener Bach-Chor und das Münchener Bach-Orchester an der Konstruktion des wohl größten musikalischen Sakralbaus.

Ergänzt wird das Ensemble dabei vom Münchner Knabenchor und Solistinnen wie der Katalanin und Alte-Musik-Expertin Núria Rial (Sopran) oder Olivia Vermeulen (Mezzo). Evangelist ist Tilman Lichdi, während die Bass-Arien der in München bestens bekannte Ludwig Mittelhammer singt. Für die Leitung des Bach-Chors, der heuer sein siebzigjähriges Bestehen feiert, musste Ersatz gefunden werden. Johanna Soller wird zwar auch die "Matthäuspassion" dirigieren, aber mit der Nederlandse Bachvereniging, mit der sie derzeit tourt. Florian Helgath wird sie in München vertreten.

Münchener Bach-Chor, Matthäuspassion, Fr., 29. März, 14 Uhr, Isarphilharmonie, Karten unter www.muenchen.hoertnagel.de

Collegium Vocale Gent

Der belgische Bach-Spezialist Philippe Herreweghe kommt mit seinem Collegium Vocale Gent nach München. (Foto: imago stock & people/ Belga)
Konstantin Krimmel, der nächste Don Giovanni der Bayerischen Staatsoper, singt in der "Matthäuspassion". (Foto: Wilfried Hösl)

Nicht ganz so lange wie der Bach-Chor, aber auch schon so lange, dass man getrost von einer schön gewachsenen Tradition sprechen kann, kommen das Collegium Vocale Gent und sein Dirigent Philippe Herreweghe nach München, um ihre Sicht auf das zweieinhalbstündige Werk zu präsentieren. Dabei hat Herreweghe in den Jahrzehnten seines Einsatzes für die Musik Bachs im zeitgenössischen Gewand der historisch informierten Aufführungspraxis eine natürliche Souveränität und Weisheit entwickelt, die ihresgleichen sucht und die Botschaft der Passionsmusik Mal zu Mal klarer hervortreten lässt. Herreweghe ist einer der lautersten Verkündiger der Musik Bachs, um nicht zu sagen: ihr würdigster Priester. Ihm ministrieren eine Reihe glänzend ausgewählter Solisten, darunter Dorothee Mields (Sopran), der Countertenor Hugh Cutting, Konstantin Krimmel (Bass) und Julian Prégardien als Evangelist.

Collegium Vocale Gent, Matthäuspassion, Fr., 29. März, 19 Uhr, Isarphilharmonie, Karten unter www.muenchenticket.de

Münchner Motettenchor

Die "Matthäuspassion" in der St.-Matthäus-Kirche: Der Münchner Motettenchor konzertiert mit jungen Solisten. (Foto: Peter-M. Möhring/oh)

Dritter im Bunde der Chöre, die sich der "Matthäuspassion" annehmen, ist der Münchner Motettenchor. Alles andere hätte verwundert, findet das karfreitägliche Konzert doch in der evangelisch-lutherischen Pfarrkirche am Sendlinger Tor statt, die den Namen des Evangelisten selbst trägt - wobei der traditionsreiche Chor in den vergangenen Jahren auch anderes aufgeführt hat. So oder so, manche Dinge bleiben: die Kooperation mit dem Residenzorchester und die Einbeziehung relativ junger, aufstrebender Sänger. Dazu gehören etwa Michael Mogl, der als Evangelist die Handlung vorantreibt, und Eric Price, der die Tenor-Arien singt. Die Leitung des Ensembles hat Benedikt Haag.

Münchner Motettenchor, Matthäuspassion, Fr., 29. März, 19 Uhr, St.-Matthäus-Kirche, Karten unter www.muenchenticket.de

Bach Collegium München

So hat er wohl ausgesehen: Johann Sebastian Bach hat dem Maler Elias Gottlob Haußmann 1746 Porträt gesessen. Das Gemälde befindet sich heute im Stadtgeschichtlichen Museum, Leipzig, und ist eines von nur zwei existierenden authentischen Porträts des Komponisten. (Foto: imago/United Archives International)

Daran, dass der Thomaskantor mehr als nur eine Passion komponiert hat, erinnert das historisch informiert aufführende Bach Collegium München. Schon in den Tagen vor Beginn der Karwoche fächert es eine Vielzahl an Konzerten auf, die seinem Namenspatron gewidmet sind. Das erste Konzert der in der Allerheiligen-Hofkirche stattfindenden Reihe "Genius Bach: Damals wie heute", bestreitet der Pianist Markus Bellheim mit den sechs Partiten. Dem folgt wenige Tage später eine Hommage an den Komponisten, der Martin Ulikhanyan den schönen, einen Kantaten-Titel aufrufenden Namen "Vergnügte Ruh" gegeben hat.

Uraufgeführt wird sie von dem aus der Ukraine stammenden und in Genf lehrenden Cellisten Denis Severin, der daneben unter anderem das A-Dur-Konzert des Bach-Sohnes Carl Philipp Emanuel spielen wird. Das junge Sängerkollektiv Vokalzirkel macht den Abschluss der Reihe mit geistlichen Werken zwischen Heinrich Schütz und Igor Strawinsky. Aber ein bisschen Passion muss sein, daher singen und spielen Chor und Orchester des Bach Collegiums die "Passio D.N.C. secundum Matthaeum" am Karfreitag im Herkulessaal.

Markus Bellheim, Bach-Partiten, Do., 21. März, 20 Uhr; Denis Severin, Hommage an Bach, So., 24. März, 18 Uhr; Vokalzirkel, geistliche Chormusik, Di., 26. März, 20 Uhr (diese drei Konzerte in der Allerheiligen-Hofkirche); Bach Collegium, Matthäuspassion, Fr., 29. März, 11 Uhr, Herkulessaal, Karten unter www.musikerlebnis.de

300 Jahre "Johannespassion"

Aus bis zu 6000 Glasfarbtönen komponierte der Künstler Helmut Ammann seine dramatische Bildsprache auf den drei Chorfenstern der Christuskirche in Neuhausen, in der am Karfreitag die "Johannespassion" erklingt. (Foto: Florian Peljak)

Dem Primat der doppelchörigen, mit wirkungsvollen Accompagnato-Rezitativen ausgestatteten "Matthäuspassion" wollte eine Gruppe evangelischer Kirchenmusiker in München etwas zur Seite stellen. Und so entstand passend zum Jubiläum der Uraufführung das Projekt "300 Jahre ,Johannespassion'". Fünfmal wird die große "andere" Passion Bachs am Ende erklungen sein. Ob das nicht ein wenig viel ist? "Ich finde, es kann nie genug ,Johannespassion' aufgeführt werden", sagt Christian Seidler, Kirchenmusiker an der Schwabinger Erlöserkirche und einer der Initiatoren des Vorhabens.

Für ihn besitzt die "Johannespassion" eine "andere, archaischere Qualität", die die Matthäuspassion so nicht hat. "Mit dieser Musik lässt sich leichter in die Antike zurückhören", sagt er. Bedeutend sind dabei die Turba-Chöre, an denen sich "die vielen Farben von Boshaftigkeit" studieren lassen. Am Karfreitag endet die große Jubiläumsfeier mit einem Konzertreigen, in dem die komprimiertere der beiden Bach-Passionen von drei unterschiedlichen Ensembles aufgeführt wird.

300 Jahre Johannespassion, Fr., 29. März: Chor und Orchester der Himmelfahrtskirche Pasing, 10 Uhr, Eintritt frei; Kantatenchor München, 14 Uhr, Sankt Johannes Haidhausen, Karten unter www.kantatenchor-muenchen.de; Chor der Christuskirche Neuhausen, 18 Uhr, Karten unter www.muenchenticket.de

Arcis-Vocalisten

Garant lebendiger Aufführungen geistlicher Werke: die Arcis-Vocalisten, hier bei einem Konzert in der Petruskirche in Geretsried. (Foto: Hartmut Pöstges)

Auch die Arcis-Vocalisten feiern den Geburtstag der 1724 uraufgeführten Bach-Passion mit einem Konzert. Seit seiner Gründung vor beinahe zwanzig Jahren hat sich der Chor einen Namen gemacht als Garant lebendiger Aufführungen zumal geistlicher Werke. Wobei die Grenzen zum Drama hörbar fließend sind, wie (nach Friedrich Smend) schon eine Zeitgenossin nach Aufführung einer barocken Passion bemerkte: "Behüte Gott, ihr Kinder! Ist es doch, als ob man in einer Opera-Comödie wäre." Für die dramaturgisch effektive Darstellung haben sich die Arcis-Vocalisten und ihr Leiter Thomas Gropper neben dem bewährten Barockorchester "L'arpa festante" ein vielversprechendes Solisten-Quartett eingeladen, bei dem zwei jüngere - Verena Gropper (Sopran), Jan Börner (Altus) - mit zwei erfahreneren Oratoriensängern - Georg Poplutz (Tenor), Dominik Wörner (Bass) - zusammenarbeiten werden.

Arcis-Vocalisten, Matthäuspassion, Fr., 29. März, 19 Uhr, Herkulessaal, Karten unter www.bellarte-muenchen.de

Münchner Konzertchor

"In Paradisum", so ist das Passionsprogramm überschrieben, das der Münchner Konzertchor am Palmsonntag in der Erlöserkirche in Schwabing (Foto) zur Aufführung bringt. (Foto: Florian Peljak)

Und dennoch: Nicht jedes Konzert der vorösterlichen Zeit steht im Zeichen der Leipziger Passionsmusiken. Der Münchner Konzertchor etwa hat für den Palmsonntag unter dem Titel "In Paradisum" ein vorwiegend romantisches Programm zusammengestellt, das zwei Jubilare feiert. Anton Bruckner wurde vor zweihundert Jahren geboren, weshalb der Chor vier seiner Motetten singt, darunter "Locus iste". Kern des Konzertabends wird in der Fassung für Chor und Orgel das Requiem des französischen Komponisten sein, der vor hundert Jahren gestorben ist: Gabriel Fauré. Einen zeitgenössischen Abschluss macht "Syvati" von John Tavener, ein zutiefst spirituelles Stück, in dem ein Solo-Cello, gespielt von Peter Wöpke, Erstem Solo-Cellisten des Bayerischen Staatsorchesters, in Dialog tritt mit dem Chor (Leitung: Óscar Payá Prats).

Münchner Konzertchor, In Paradisum, So., 24. März, 19 Uhr, Erlöserkirche Schwabing, Karten unter www.muenchenticket.de

Residenz-Solisten

Wem das ganze Chorgeschehen als zu viel Trubel erscheint, hat die Möglichkeit, eine rein instrumentale Passionsmusik mit den Residenz-Solisten zu erleben. Sie spielen Joseph Haydns vielleicht ungewöhnlichstes Werk "Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze" in der Fassung für Streichquartett. Ob sie dabei die Hofkapelle schwarz verhüllen, wie es angeblich bei der Uraufführung des Werks 1787 in Cádiz geschah, wird zu sehen sein. In jedem Fall bietet das Opus eine der monumentalsten, innigsten Repräsentationen des Passionsgeschehens samt abschließendem Erdbeben in instrumentaler Form.

Residenz-Solisten, Haydn, Fr., 29. März, 18 Uhr, Hofkapelle der Residenz, Karten unter www.bavaria-klassik.de

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