Konzert im Herkulessaal:Späte Erleuchtung

Der Münchner Motettenchor feiert mit Mendelssohns "Paulus" seinen sechzigsten Geburtstag nach.

Von Michael Stallknecht, München

Felix Mendelssohns "Paulus" ist deutlich seltener zu hören als der spätere "Elias". Das ist auch beim Münchner Motettenchor nicht anders: 16 Mal stand das alttestamentliche Oratorium rund um den Propheten Elias dort in den vergangenen 60 Jahren auf dem Programm, nur vier Mal das neutestamentliche Gegenstück.

Dabei ist "Paulus" keineswegs, wie oft behauptet, undramatischer, wie der künstlerische Leiter Benedikt Haag beim Konzert im Herkulessaal zeigt, mit dem der Chor nach zweijähriger Corona-Verzögerung endlich seinen runden Geburtstag nachfeiert. Die Dramatik geht nur mehr nach innen, folgt dem spirituellen Weg des Heidenapostels. Haag verdeutlicht das auch durch einige verlangsamte Tempi, die Innigkeit und Sanftheit ermöglichen. Zu Beginn schleppt das noch, bevor Haag, unterstützt vom warmen Mischklang des Residenzorchesters und der (manchmal zu lauten) Orgel, den inneren Bogen raushat.

Mit Jochen Kupfer ist die Titelfigur für diesen Zugang ideal besetzt. Dank seines ausgeglichenen, legatoreich fließenden Baritons klingt Kupfer nie wie ein Eiferer, sondern immer human: ein Mensch, der sich in der Erleuchtung vor Damaskus selbst findet und deshalb als Missionar anderen mit der natürlichen Autorität der Überzeugung gegenübertreten kann. Zudem mischt sich seine Stimme in den Apostelduetten optimal mit der von Nikolaus Pfannkuch, einem charaktervollen Tenor mit warmer, lichter Höhe, der auch die Rezitative intensiv erzählerisch gestaltet. Der gut fokussierte, aber eher schmale Sopran von Julia Sophie Wagner bleibt Geschmackssache, während Altistin Vero Miller hier nicht viel zu singen bekommt. In den vielgestaltigen Chorpassagen kann dagegen der Motettenchor zeigen, dass ihm zwei Jahre Corona nicht geschadet haben. Er klingt dicht im homophonen Satz und klar im polyphonen, wütend als geifernde Menge, strahlend in der Verkündigung und tatsächlich berührend innig in den Chorälen.

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