Nahost-Konflikt:Imame treffen sich mit OB Reiter - 60 Menschen bei Pro-Palästina-Demo

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Gemeinsam handeln, geschlossen auftreten: Das will Imam Benjamin Idriz, hier im Juli mit seiner Frau beim Jahresempfang des Erzbistums München und Freising. (Foto: Robert Haas)

Das Krisengespräch hatten 13 Geistliche eingefordert, weil sie eine Eskalation in München fürchten. Der Verwaltungsgerichtshof hebt am Abend das Demonstrationsverbot der Stadt auf. Weitere Kundgebungen sind bereits geplant.

Von Ulrike Heidenreich und Susi Wimmer

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat am Donnerstagabend das Verbot von propalästinensischen Demonstration in München aufgehoben und einem Eilantrag des Veranstalters einer Versammlung mit dem Thema "Menschenrechte und Völkerrecht auch für Palästina" stattgegeben. Die Veranstaltung durfte somit von 18.30 Uhr an stattfinden, es kamen aber zunächst nur rund 20 bis 30 Menschen, später stieg die Zahl auf etwa 60. Die Versammlung, bei der auch zwei Palästina-Flaggen gezeigt worden seien, sei friedlich und ohne Störungen verlaufen, teilte das Polizeipräsidium München am Abend mit. Statt wie angemeldet auf dem Marienplatz fand sie allerdings auf dem Odeonsplatz statt, die Stadt änderte nach dem Gerichtsbeschluss den Versammlungsort.

Das Gericht gab dem Eilantrag statt, weil die von der Landeshauptstadt angestellte Gefahrenprognose im vorliegenden Fall kein Versammlungsverbot rechtfertige. In der Begründung hieß es, der BayVGH verkenne nicht, dass es bei anderen bundesweiten Versammlungen mit Bezug zur derzeitigen Lage in Israel und Palästina zu Straftaten gekommen sei. Die Behörde habe aber nicht ausreichend darlegt, dass die mit 50 Teilnehmern angezeigte Versammlung mit diesen vergleichbar sei. Die Landeshauptstadt habe selbst ausgeführt, dass es in München bereits Versammlungen mit gleichem Bezug gegeben habe, bei denen es zu gar keinen oder nur geringen Störungen der öffentlichen Sicherheit gekommen sei.

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An diesem Freitag wird sich Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) mit Benjamin Idriz, dem Vorstand des Münchner Forums für Islam, sowie zwei bis drei Mitgliedern des Muslimbeirats vormittags im Rathaus an einen Tisch setzen, um die Situation in München angesichts des Kriegs in Israel und im Gazastreifen zu besprechen. Die muslimischen Geistlichen hatten dieses Treffen dringlich eingefordert, weil sie eine Eskalation in München befürchten. "Wir sind in größter, akuter Sorge um den Frieden in dieser Stadt", hatten 13 Imame und Vertreter muslimischer Organisationen am Mittwoch in einem offenen Brief geschrieben.

Anders als in Städten wie Berlin, wo es auch am Mittwochabend in Neukölln zu antisemitischen Ausschreitungen und harten Auseinandersetzungen mit der Polizei bei propalästinensischen Versammlungen kam, ist die Lage in der bayerischen Landeshauptstadt noch ruhig. Doch Benjamin Idriz, der über seine islamische Gemeinde im oberbayerischen Penzberg hinaus bekannte Imam, beobachtet mit Sorge die Pläne von Unterstützern der Palästinenser, am Samstagabend mit Autos und Flaggen durch die Innenstadt zu fahren. "Ich bin absolut erleichtert, dass nun ein Gespräch mit dem Oberbürgermeister stattfindet, wir müssen geschlossen auftreten", sagt er. Reiter bestätigte den Gesprächstermin, wollte sich darüber hinaus nicht weiter äußern.

"Wir Imame möchten während der Freitagsgebete in den Moscheen eine klare Orientierung geben", sagte Idriz der SZ am Donnerstag. "Jede Kundgebung, die Gewalt bejubelt, ist kontraproduktiv für den Frieden und die Versöhnung." Die Imame wollten ihre Gemeindemitglieder deshalb davor warnen, dem Aufruf des radikalen Netzwerks "Samidoun" zu einem Auto-Korso in der Innenstadt am Samstagnachmittag zu folgen. "Wir sagen, dass wir nicht damit einverstanden sind. Wir spüren unsere Verantwortung als muslimische Akteure", sagt Idriz.

Ein Sprecher der in München ansässigen Europäischen Rabbinerkonferenz CER sagte, man habe den offenen Brief der muslimischen Verbände irritiert zur Kenntnis genommen. Wenn Imame öffentlich ihre Angst davor äußerten, dass der Frieden in der Stadt in Gefahr sei, "ist das doch ein klares Zeichen dafür, dass sie ihre Community nicht im Griff haben". Gerade in solch aufgeheizten Zeiten sei es Aufgabe der Imame zu befrieden.

Oberbürgermeister Reiter hatte bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Terroranschlags in der vergangenen Woche vor der Münchner Synagoge ein Verbot von propalästinensischen und antiisraelischen Demonstrationen unter großem Beifall angekündigt. Seitdem sind diese Versammlungen untersagt.

Die Polizei zeigt starke Präsenz an möglichen Versammlungsorten

Auch am Mittwoch wurde eine angekündigte Versammlung auf dem Marienplatz verboten. Dies wurde offensichtlich respektiert, der Platz blieb leer am Abend, es waren keine Palästina-Flaggen zu sehen. Am Donnerstagnachmittag ging beim Verwaltungsgericht der erste Eilantrag eines Veranstalters der Versammlung zum Thema "Menschenrechte und Völkerrechte auch für Palästina" ein, der am Abend Erfolg hatte. Zuvor hatte die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts die Ansicht der Stadt hinsichtlich der Gefahrenprognose geteilt und den Antrag des Veranstalters abgelehnt. Dieser legte daraufhin Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein.

Die Polizei beobachtet das Geschehen intensiv, zeigt starke Präsenz an möglichen Versammlungsorten, nutzt aber auch effektiv ihren Ermessensspielraum, um Gewalt zu vermeiden. So ließ sie die Teilnehmer einer Protestversammlung Dienstagnacht vor dem israelischen Generalkonsulat gewähren, weil "der Trauercharakter klar erkennbar" war, so ein Polizeisprecher. Die Teilnehmer gingen friedlich und still auseinander.

Idriz kündigt weitere Aktionen der islamischen Gemeinden in München für Versöhnung an, Antisemitismus als "religiöse Überzeugung" dürfe nicht wachsen. Auch über gemeinsame Aktionen mit der Stadt wollten die Imame mit dem OB sprechen. Idriz richtet sich an die jüdisch-israelische Gemeinschaft in München: "Eure Sicherheit ist unsere Sicherheit. Euer Leid ist unser Leid. Eure Sorge ist unsere Sorge."

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