Demonstrationsverbot:Münchner Imame warnen vor Eskalation in der Stadt

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Parolen auf der Palästinenser-Demo in München vor einer Woche hatten sich gegen das Existenzrecht Israels gerichtet. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Muslime fordern OB Dieter Reiter in einem Brief zum Dialog auf - für die nächsten Tage sind trotz Verbots mehrere pro-palästinensische Demonstrationen geplant.

Von Stephan Handel, Joachim Mölter, Anita Naujokat und Andrea Schlaier

In der muslimischen Gemeinschaft Münchens gärt es offenbar gewaltig nach dem Raketentreffer auf ein Krankenhaus in Gaza-Stadt. Ein Dutzend Imame und Vertreter muslimischer Organisationen haben sich deshalb in einem offenen Brief an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gewandt, weil sie "in größter, akuter Sorge um den Frieden in unserer Stadt" sind.

"Seit dem Angriff der Hamas auf Israel überschlagen sich die Ereignisse von Tag zu Tag", heißt es in dem Schreiben. Die Unterzeichner mit dem Penzberger Imam Benjamin Idriz an der Spitze, dem Vorsitzenden des liberalen Münchner Forums für Islam, versichern, sie riefen die Muslime zur Besonnenheit auf, wünschen sich aber dafür mehr Unterstützung des Oberbürgermeisters. Die Zeit laufe davon.

Unter dem Slogan "Stand with Palestine" hat das radikale Netzwerk "Samidoun" für kommenden Samstag in den sozialen Netzwerken zu einem Auto-Korso durch die Innenstadt aufgerufen. Die Teilnehmer sollen sich mit Palästina-Flaggen ausrüsten. Die Münchner Imame und Vorstände der Moscheevereine empfehlen ihren Mitgliedern, sich dieser Demonstration nicht anzuschließen. Die Stadt hat pro-palästinensische und anti-israelische Demonstrationen generell verboten, nachdem bei einer solchen Veranstaltung am Montag vergangener Woche auf dem Marienplatz antisemitische Parolen skandiert worden waren und die Vernichtung des Staates Israels gefordert worden war.

Bereits in der Dienstagnacht hatten sich 20 Personen in der Nähe des israelischen Generalkonsulats in der Barer Straße versammelt, um der Opfer des Raketentreffers zu gedenken. Trotz des generellen Verbots ließ die Polizei die Teilnehmer gewähren, weil "der Trauercharakter klar erkennbar" war, so ein Sprecher. Ein Teilnehmer habe sich der Polizei gegenüber als Versammlungsleiter zu erkennen gegeben, sich kooperativ verhalten und an Absprachen gehalten. Am Stachus fand dann noch eine Abschlusskundgebung statt, dort hatten sich 50 weitere Personen angeschlossen. Gegen 0.20 Uhr wurde die Veranstaltung beendet, "völlig friedlich und ohne jegliche politische Stellungnahme", wie die Polizei betont.

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Eine weitere Gedenkveranstaltung für Mittwochabend hat das Kreisverwaltungsreferat (KVR) indessen untersagt. Die Münchner Ordnungsbehörde begründet das Verbot mit der Beurteilung der aktuelle Lage, unter anderem auch wegen der Ausschreitungen in Berlin. Für den Samstag seien zudem zwei stationäre Solidaritäts-Versammlungen für Palästina angemeldet worden, diese seien noch in der Prüfung, hieß es aus dem KVR. Die Polizei stand am Abend am Marienplatz, es kam aber zu keiner Versammlung, kein Demonstrant war vor Ort.

In der muslimischen Gemeinschaft Münchens gebe es großen Unmut über das Verbot der Stadt, sich in Demonstrationen solidarisch mit Palästina zu zeigen. "Wir sind für Frieden und Versöhnung und gegen Terror und Gewalt, haben uns die letzten 20 Jahre dafür in der Stadt engagiert und wir sind nicht die Hamas - das sagen uns unsere Leute", so Idriz. Sie wollten sich aber nicht "mundtot machen lassen". In Kooperation mit Reiter würden sie gerne entsprechende Zeichen setzen, aber der OB habe keine Zeit für die Gruppe, kritisieren sie.

"Ich bin sehr irritiert", sagt OB Reiter

Dem widersprach Dieter Reiter am Mittwoch. "Ich bin sehr irritiert über dieses Statement. Es gab zu keiner Zeit eine Ablehnung des Gesprächsangebotes. Mein Büro hat sogar noch heute versucht, zumindest kurzfristig einen Telefontermin mit Imam Idriz zu vereinbaren. Dieses wurde aber abgelehnt." Idriz erklärte, dass er nicht allein mit dem OB sprechen wolle: "Ich bin nicht der Vertreter aller Muslime in der Stadt, deshalb wäre es klug, wenn wir alle zusammenkommen könnten."

Reiter versicherte, dass seine Türe "weiterhin offen" stehe; er hoffe, "wir können zu gegebener Zeit wieder zu einem sinnvollen Dialog zurückkehren". Die Stimmung in den muslimischen Gemeinden sei sehr aufgeheizt, die Mitglieder wollten Antworten, wie sie friedlich Solidarität zeigen können, sagte Idriz: Und diese Antworten "erwarten sie am Freitag, wenn alle wieder in der Moschee versammelt sind".

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