Nahostkonflikt:Was über die Explosion in einem Krankenhaus bekannt ist

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Rettungskräfte beim Al-Ahli-Arab-Krankenhaus in Gaza-Stadt nach einem Raketeneinschlag. (Foto: REUTERS TV/REUTERS)

Nach dem Raketeneinschlag in Gaza beschuldigt die Hamas Israel, Israel wiederum den Islamischen Dschihad. Was ist über die Explosion bekannt? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Leila Al-Serori

Nur wenige Stunden bevor in Israel US-Präsident Joe Biden erwartet wird, trifft eine Rakete ein Krankenhaus in Gaza-Stadt. Hunderte Menschen sollen dabei umgekommen sein - die genauen Todeszahlen sind aber derzeit unbekannt, ebenso der Hintergrund des Raketeneinschlags. Ein Überblick über die bisher bekannten Fakten.

Was ist passiert?

Am Dienstagabend soll das Al-Ahli-Arab-Krankenhaus in Gaza-Stadt von einer Rakete getroffen worden sein. Hunderte Menschen sind dabei Berichten zufolge getötet oder verletzt worden. In der Klinik hätten zu dem Zeitpunkt Tausende Flüchtlinge Zuflucht gesucht, teilte das Gesundheitsministerium, das der militant-islamistischen Hamas untersteht, mit. Die Klinik wird von der anglikanischen Diözese Jerusalem getragen und ist das einzige christliche Krankenhaus im Gazastreifen. Die palästinensischen Behörden beschuldigen die israelische Armee, dafür verantwortlich zu sein. Diese wiederum spricht von einer fehlgeleiteten Rakete des Islamischen Dschihads. Die Angaben beider Konfliktparteien können bislang nicht überprüft werden.

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Während die Unstimmigkeiten über die Vorgehensweise im Gaza-Krieg immer offener zutage treten, sollen Verhandlungen über eine längere Kampfpause fortgesetzt werden. Russland und China blockieren im UN-Sicherheitsrat eine Resolution zu einer Waffenruhe.

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Was ist über die Größe des Vorfalls bekannt?

Das israelische Militär veröffentlichte Aufnahmen, die beweisen sollen, dass eine fehlgeleitete palästinensische Rakete für den Einschlag verantwortlich sei. In dem am Mittwoch veröffentlichten Videozusammenschnitt sind Luftaufnahmen der Klinik und eines Parkplatzes zu sehen, auf dem ein Brand ausgebrochen war. Verglichen werden Luftaufnahmen vor und nach dem tödlichen Vorfall. Es sei kein typischer Krater zu sehen, wie er sonst bei israelischen Luftangriffen entstehe. Nach Angaben der Armee schlug dort stattdessen eine fehlgeleitete Rakete der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad ein. Diese wies die Schuldzuweisung zurück.

Ausgebrannte Autos auf dem Parkplatz vor dem Krankenhaus. (Foto: Mahmud Hams/afp)

Der israelische Armeesprecher Jonathan Conricus sagte dem US-Sender CNN außerdem, das Militär habe Beweise vorliegen über ein von Israel abgehörtes Gespräch zwischen Hamas-Terroristen. Diese hätten gesagt: "Oh, da gab es offenbar eine Fehlfunktion oder eine Explosion einer Rakete, die im Gazastreifen gelandet ist." Zudem sei kurz vor dem Vorfall eine Salve von Raketen aus dem mittleren oder nördlichen Abschnitt des Gazastreifens in Richtung Israel abgefeuert worden. Diese sei auf Israels Radarsystem verzeichnet worden.

Wie viele Opfer gibt es?

Der Leiter des Zivilschutzes in Gaza sprach von mindestens 300 getöteten Menschen, das Gesundheitsministerium von mindestens 500 Personen, die getötet oder verletzt worden seien. Beide Behörden unterstehen der Hamas-geführten Regierung im Gazastreifen.

Die israelische Armee zweifelt die Zahl der Todesopfer hingegen an. Es habe keinen direkten Treffer auf die Einrichtung gegeben, sagt ein Sprecher der israelischen Armee.

Was sagt Israel dazu?

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teilte mit: "Die ganze Welt sollte es wissen: Es waren barbarische Terroristen in Gaza, die das Krankenhaus in Gaza angegriffen haben." Es sei nicht das israelische Militär gewesen. "Diejenigen, die unsere Kinder brutal ermordet haben, ermorden auch ihre eigenen Kinder", sagte er weiter.

Israels Präsident Isaac Herzog schrieb bei X (vormals Twitter): "Eine Rakete des Islamischen Dschihad hat viele Palästinenser in einem Krankenhaus in Gaza getötet - einem Ort, an dem Leben gerettet werden sollten. (...) Schande über die abscheulichen Terroristen in Gaza, die vorsätzlich das Blut Unschuldiger vergießen. Noch nie war die Auswahl klarer. Israel steht einem Feind gegenüber, der aus purem Bösen besteht. Wenn Sie für die Menschheit eintreten - für den Wert allen menschlichen Lebens -, stehen Sie an der Seite Israels."

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Wie reagiert die Hamas?

Die Hamas widerspricht der Darstellung der Israelis. Hamas-Chef Ismail Hanija warf den USA vor, hinter der Tat zu stehen und Israel zu decken. Der Angriff werde ein "neuer Wendepunkt in dem Konflikt" sein.

Die Extremisten der libanesischen Hisbollah-Miliz kündigten für Mittwoch einen "Tag des beispiellosen Zorns" gegen Israel und den Besuch von US-Präsident Biden in dem Land an. Die USA trügen die direkte und vollständige Verantwortung "für dieses Massaker", hieß es in der Erklärung.

Wie sind die Reaktionen in der arabischen Welt?

Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, sprach von einem "entsetzlichem Verbrechen, einem Völkermord". Dafür trügen auch die Länder Verantwortung, die Israel unterstützten.

In zahlreichen muslimisch geprägten Ländern ist es zu spontanen Protesten gekommen. In Amman versuchten Demonstranten zur israelischen Botschaft zu gelangen, auch vor dem Konsulat in der türkischen Millionenmetropole Istanbul versammelten sich zahlreiche Demonstranten. In Tunis, Bagdad und Teheran kam es ebenso zu Protesten. Irans Außenamtssprecher verurteilte den vermeintlichen Angriff und machte Israel verantwortlich. Auch Marokko verurteilte die "Bombardierung" des Krankenhauses "durch israelische Streitkräfte" "aufs Schärfste", ähnlich äußerte sich auch Ägypten. Mehrere Staaten kündigten Trauertage für die Opfer an. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Russland beantragten eine Dringlichkeitssitzung des UN-Weltsicherheitsrat zu dem Vorfall. Jordanien sagte das für Mittwoch geplante Treffen zwischen König Abdullah II. und US-Präsident Joe Biden ab. Man werde Biden erst empfangen, wenn es eine Einigung gebe, den Krieg zu beenden und "diese Massaker" zu stoppen, sagte Außenminister Ayman Safadi.

Was bedeutet das für den Besuch von US-Präsident Joe Biden?

US-Präsident Joe Biden zeigte sich "empört und zutiefst betrübt" über die Explosion in dem Krankenhaus, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls habe er mit Jordaniens König und Israels Premierminister gesprochen und sein Team angewiesen, weitere Informationen über den genauen Hergang zu sammeln. Dem Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der US-Regierung, John Kirby, zufolge werde Biden in Israel auch "harte Fragen" stellen und die humanitäre Situation im Gazastreifen ansprechen. Die USA wollten nicht, so Biden, dass sich der Konflikt ausweite oder vertiefe.

Mit Material der Agenturen

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