Olympische Spiele 1972:Ein Spagat zwischen Feiern und Gedenken

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Im Olympiapark, dem heute bekanntesten und beliebtesten Relikt der Olympischen Spiele, wird im Sommer gefeiert. Die Eröffnung ist für den Abend des 1. Juli geplant, eine Parade aus der Innenstadt hin zum Olympiapark soll es am 2. Juli geben. (Foto: Claus Schunk)

Die Stadt hat ihr Programm für die Festivitäten zu 50 Jahre Olympische Sommerspiele 1972 vorgestellt. Es soll heiter werden, aber auch die tragische Seite mit dem Attentat auf israelische Athleten wird nicht vergessen.

Von Lea Kramer

Wer in ein Jubiläumsjahr startet, der blickt in der Regel erst einmal zurück. Und so beginnt für Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) die Zeitreise zum für die Stadt prägendsten Großereignis der Nachkriegszeit, die Olympischen Sommerspiele 1972, nicht erst vor 50 Jahren. "Am 28. Oktober 1965 trafen sich im Münchner Rathaus zwei Männer, die Visionen für München und Deutschland, für den Sport und Kultur, für die demokratische Zukunft hatten", sagt er bei der Pressekonferenz in der Rathausgalerie Kunsthalle, in der das Jahresprogramm für das Jubiläum von Olympia '72 vorgestellt wird.

Die beiden Männer sind Reiters Vor-vor-vor-vor-Vorgänger Hans-Jochen Vogel (SPD) und Sportfunktionär Willi Daume gewesen, die die Sommerspiele seinerzeit nach München holten. Ihre Botschaft - "heute aktueller denn je" wie Reiter sagt - soll auch während der mehr als 150 Veranstaltungen im Rahmen der Feierlichkeiten im Jahr 2022 ausschlaggebend sein. "Weltoffenheit, Frieden, Vielfalt, Mut, Spiel, Toleranz und Begegnung waren wichtige Begriffe", sagt Reiter. Daher sei es ihm auch ein persönliches Anliegen, "dass unsere Stadt zum 50. Jahrestag das Gedenken an das tragische Attentat im Olympischen Dorf auf die israelischen Athleten am 5. September 1972 zum integralen Bestandteil des Jubiläumsprogramms macht". Es wird das erste Jubiläumsjahr sein, in dem in der ganzen Stadt an die Münchner Olympischen Spiele erinnert wird - an die heiteren sowie die tragischen Seiten der Spiele. Eine Auswahl dessen, was unter dem Motto "München auf dem Weg in die Zukunft 1972-2022-2072" geplant ist:

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:Erinnerungen an Olympia 1972

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Kunst und Kultur

150 Veranstaltungen mit an die 60 Projektpartnern sind schon festgezurrt, es gebe aber noch Raum für neue Vorschläge, sagt Kulturreferent Anton Biebl. 2,9 Millionen Euro sind für das Spektakel als Budget bereitgestellt worden, bei dem sein Referat die Feder führt. "Die Menschen sollen eine Ahnung davon bekommen, was 1972 war und dass es für die Gestaltung der Zukunft Mut braucht", sagt Biebl.

Den Auftakt des Jubiläumsjahres macht dann auch eine Ausstellung in der Rathausgalerie am Marienplatz. Dort startet von Freitag, 14. Januar, an eine Schau unter dem Titel "50 Jahre Olympiapark - Impulse für Münchens Zukunft". Sie wird sich bis zum 11. März den stadtplanerischen und architektonischen Aspekten widmen, die durch die Olympia-Bewerbung in München maßgeblich vorangetrieben wurden. Die Ausstellung ist kostenlos und täglich zwischen 13 und 19 Uhr geöffnet.

Neben den 53 Vorträgen und Führungen rund um Olympia 1972, haben auch die großen Münchner Kultureinrichtungen olympische Akzente in ihre Jahresprogramme integriert. Im Bayerischen Nationalmuseum hingegen startet im April eine Ausstellung, die sich sportlichen Wettkämpfen widmet. Dort geht es aber nicht um moderne Sportveranstaltungen, sondern die Turniermodelle im Mittelalter. Das Münchner Stadtmuseum lädt von Ende Juni an zu einer Erkundungstour durch die Stadt ein, um längst vergessene Ort mit Olympiabezug (wieder) zu entdecken. Und am 13. Mai, zum 100. Geburtstag von Olympia-Designer Otl Aicher, wird im Pavillon 333 im Kunstareal eine Schau eröffnet, die sich seinen Gestaltungskonzepten widmet.

Die Fragen der Zukunft sind Thema einer internationalen Konferenz, die im November geplant ist. Dort sollen Visionen für Stadtgestaltung, Mobilität oder Gesellschaft mit internationalen Gästen diskutiert werden.

Sport und Bewegung

Im Olympiapark selbst, dem heute bekanntesten und beliebtesten Relikt der Olympischen Spiele, wird im Sommer gefeiert. Zwischen dem 1. und 9. Juli ist der Park Schauplatz eines "Festivals des Spiels, des Sports und der Kunst". Die Eröffnungsfeier ist für den Abend des 1. Juli geplant, eine Parade aus der Innenstadt hin zum Olympiapark soll es am 2. Juli geben. Während der ganzen Zeit werden Künstlerinnen und Künstler aus bildender Kunst, Musik, Theater und Tanz rund um den Olympiasee performen und ihre Werke zeigen.

Den Abschluss machen die "Münchner Sportspiele" zwischen dem 2. und 3. Juli. Dort sollen sich die Münchnerinnen und Münchner mit Profisportlern messen können - von Tauziehen bis Tennis. In den Stadtvierteln rund um den Park, aber auch in Neuperlach wird es Projekte zum Mitmachen geben. All das soll an die Olympische Spielstraße von 1972 erinnern, bei der Besucher der olympischen Spiele bei Kunst- und Sportaktionen rund um den Olympiasee mitmachen konnten.

Den sportlichen Höhepunkt bilden die "European Championships Munich 2022". Zwischen dem 11. und 21. August werden insgesamt neun Europameisterschaften größtenteils im Olympiapark abgehalten. Es ist das größte Multi-Sportevent, das in München seit 1972 stattgefunden hat.

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Gedenken an die Opfer

Mit dem Terroranschlag auf die Athleten der israelischen Olympiamannschaft am 5. September 1972 waren die heiteren Münchner Sportspiele plötzlich zum Politikum geworden. Ein Jubiläum ohne Erinnerung an den Anschlag ist für die Organisatoren daher ausgeschlossen. "Ich bin überzeugt davon, dass wir es schaffen werden, den Spagat zwischen den positiven Aspekten, aber auch das Gedenken des schrecklichen Attentats, in einer vernünftigen Art zu präsentieren", sagt Oberbürgermeister Reiter.

Neben den offiziellen Gedenkveranstaltungen der Stadt am Vormittag des 5. Septembers im Olympischen Dorf und der des Freistaats am selben Tag von 14 Uhr an am Fliegerhorst in Fürstenfeldbruck, ist vom Jüdischen Museum und dem NS-Dokumentationszentrum ein Erinnerungsprojekt konzipiert worden. Jeden Monat des Jahres soll einem der zwölf Opfer, elf israelische Geiseln und ein Polizist, gedacht und so die Erinnerung ganzjährig präsent gehalten werden.

Das Foto vom 7. September 1972 zeigt den ausgebrannten Hubschrauber in Fürstenfeldbruck. Bei der missglückten Befreiungsaktion auf dem Flughafen kamen neun israelische Geiseln, ein Polizist und fünf Terroristen ums Leben. (Foto: dpa)

Seit Donnerstag ist eine Installation an der Fassade des Amerikahauses am Karolinenplatz angebracht. Sie zeigt den Gewichtheber David Berger, der in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio aufgewachsen ist. 1970 siedelte er nach Israel über und wurde 1972 als Athlet für die israelische Mannschaft nominiert. Er starb an den Folgen einer Rauchvergiftung nach der Geiselnahme durch die palästinensischen Terroristen in einem brennenden Hubschrauber in Fürstenfeldbruck.

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