Fahrradfahren in München:Platz da, die Lastenräder kommen

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Das Lastenrad ist bundesweit zum Politikum geworden. München bezuschusst die Pedelecs bereits seit Jahren - und muss nun passende Radwege und Abstellmöglichkeiten für die breiten Velos schaffen.

Von Andreas Schubert, München

Als die Münchner Grünen vor drei Jahren die Idee hatten, Anwohnerausweise auch für Lastenräder auszustellen, kam erst hinterher heraus, dass diese Parklizenzen nur zusammen mit einem amtlichen Kennzeichen, also nur für Autos, ausgestellt werden können. Die Idee verpuffte, ohne dass im Netz Häme über die Partei niederprasselte. Jetzt, da die Bundes-Grünen eine generelle Förderung für die Cargo-Bikes vorgeschlagen haben und eine Milliarde Euro bereitstellen wollen, können sie sich vor Widerstand und Spott auf Twitter und Co. kaum retten. 1000 Euro sollen private Käufer als Zuschuss bekommen. Davon profitierten allerdings nur Städter, lautet eine häufig formulierte Kritik.

Wer zum Beispiel beim Lastenfahrrad-Zentrum München Süd in Sauerlach nachfragt, erfährt allerdings, dass auch auf dem Land durchaus Lastenräder gekauft und genutzt werden. Doch weil sich in einem Dorf tendenziell leichter ein Autoparkplatz finden lässt als in der Isar- oder der Maxvorstadt, dürfte der Anreiz für Großstadtmenschen höher sein, sich anstelle eines Wagens ein Lastenrad zuzulegen. Und das tun immer mehr, seit die Stadt im Rahmen ihres Förderprogramms für Elektromobilität auch Lastenpedelecs bezuschusst. Das Programm gibt es schon seit fünf Jahren, seit 2017 bekommen auch Privatleute einen Zuschuss von bis zu einem Viertel des Kaufpreises, aber maximal 1000 Euro.

Nach Auskunft des Referats für Klima- und Umweltschutz haben inzwischen rund 6000 Münchnerinnen und Münchner Förderanträge gestellt. Waren es 2017 noch 791 Anträge, ging deren Zahl stetig nach oben. 2020 waren es 1950 Anträge, bis Mai dieses Jahres 350, aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor.

Handwerker Ralph Kilian fuhr publikumswirksam mit seinem Lastenrad von München nach Sylt. (Foto: Stephan Rumpf)

Geht es nach Ralph Kilian, sollten noch viel mehr Cargo-Bikes durch die Welt rollen. Der 48-jährige Handwerker aus München nutzt beruflich fast ausschließlich ein Lastenrad. Um ein Zeichen für den Klimaschutz zu setzen und mit gutem Beispiel voranzugehen, ist er mit seinem Bike an Pfingsten 1170 Kilometer von München nach Sylt geradelt. Dass die Medien von der Tour auch etwas mitbekamen, dafür sorgte der Fahrradklub ADFC, bei dem Kilian ebenfalls Mitglied ist.

Trotz Unterstützung durch einen E-Motor war die siebentägige Tour anstrengend, vor allem, als sich Kilian in Thüringen eines Abends verfuhr und ihm unterwegs der Strom ausging. Bei einem 120 Kilo schweren Bike und 87 Kilo Eigengewicht habe er Probleme bekommen, sein Ziel überhaupt noch zu erreichen, erzählt Kilian. Zudem hätten ihm bei der Reise starker Wind und Regen immer wieder zugesetzt. "Aber die Motivation und der Ehrgeiz waren da", sagt er. Zurück nach München fuhr er dann mit dem Zug, sein Lastenrad schickte er mit einer Spedition nach Hause. Womöglich mache er nächstes Jahr eine ähnliche Tour, vielleicht nach Rügen, sagt Kilian, der auch andere Handwerker dazu bewegen will, vom dieselbetriebenen Lieferwagen aufs Cargo-Bike umzusteigen.

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Dass sich eine ganze Menge damit transportieren lässt, sagt auch Florian Borde von der Velo Company, einem Lastenrad-Laden in der Maxvorstadt. Seit 13 Jahren handelt Borde mit den sperrigen Velos, die mal als Zwei-, mal als Dreirad daherkommen und seiner Aussage nach ein Ladevolumen wie ein VW-Bus haben können. Als er anfing, waren Lastenradler die absoluten Exoten im Straßenbild. "Das war, als wenn man mit einem Ufo durch die Stadt fliegt", sagt er. Heute hat sich das komplett gewandelt, immer mehr Familien nutzen das Lastenrad als Autoersatz und kutschieren ihre Kinder damit sogar zur Kita oder zur Schule. Die Nachfrage übersteigt derzeit sogar das Angebot, Kunden müssen teilweise monatelang auf ihre bestellten Räder warten.

Die Hersteller kommen mit der Produktion nicht hinterher

Wie bei der Autoindustrie auch haben die Hersteller Schwierigkeiten, Bauteile zu bekommen und kommen deshalb mit der Produktion nicht hinterher. Dass die Räder je nach Ausstattung sehr teuer sind und auch mal mehr als 10 000 Euro kosten können, ficht die Münchner dabei nicht an. Sei früher ein schickes Auto ein Statussymbol gewesen, so sei es jetzt eben ein schickes Lastenpedelec, glaubt Borde. Er selbst ist meistens mit einem Lastenrad ohne E-Antrieb unterwegs. Solche Modelle seien heute aber kaum mehr gefragt, seit es die Fördermittel für Pedelecs gibt.

Dass die zunehmende Anzahl an Rädern in der Stadt mehr Platz bekommt, dafür setzt sich die grün-rote Rathauskoalition ein. Grünen-Stadträtin Gudrun Lux findet den Förder-Vorstoß ihrer Parteifreunde in Berlin - wenig überraschend - gut. Weil es aber nicht reiche, Räder zu fördern, müsse man auch passende Radwege und natürlich Abstellmöglichkeiten schaffen - wenn schon nicht mit Parklizenzen, dann mit umgewidmeten Parkplätzen. Lux selbst besitzt nur ein normales Rad mit Kindersitz. Eigentlich, sagt sie, komme sie als Stadtbewohnerin mit kurzen Wegen zum Einkaufen auch ganz gut ohne Lastenrad zurecht.

© SZ vom 26.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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