"Aida"-Opernspektakel in der Olympiahalle:Auf Aidas Spuren durch München

Lesezeit: 7 min

Elefantös ist die Inszenierung der Tournee-Produktion, die in die Münchner Olympiahalle kommt. Hier die Uraufführung am 2. Februar in Hamburg. (Foto: Marcus Brandt/dpa)

Ob in Verdis "Aida" im Arena-XXL-Format oder kitschfrei mit Jonas Kaufmann an der Staatsoper, ob im Museum, im Film, in Podcast oder auf Stadtspaziergängen - Ägypten-Fans haben in München viel zu entdecken.

Von Jutta Czeguhn, Klaus Kalchschmid und Michael Zirnstein

Ein elefantöses Opern-Event in der Olympiahalle

"Aida" ist die meistgespielte Oper der Welt, oft kolossal inszeniert. Der "Triumphmarsch" - ein Smash-Hit der Operlative. Aber so wie bei dem neuen Arena-Spektakel des Rockveranstalters FKP Scorpio hat man den 1871 in Kairo uraufgeführten Klassiker noch nie erlebt. "Wir wollen zeigen, dass Oper geil ist", sagt der Produktions-Chef Jasper Barendregt. Er will die tragische Liebesgeschichte um die äthiopische Sklavin "Aida", den ägyptischen Heerführer Radamès und die Pharaonentochter Amneris als immersives Event-Spektakel auch in die Münchner Olympiahalle bringen, wie es ihrem innovativen Schöpfer Giuseppe Verdi gefallen hätte. Gut, den kann man nicht mehr fragen. Also möge das Publikum am Donnerstag, 22. Februar , entscheiden, wie es sich unterhalten fühlt von: 20 Litern Parfüm, die den Duft eines Fantasie-Ägyptens verströmen (Gewürze, Wüste, Meer); einer überlebensgroßen Elefanten-Puppe; einem Nil aus blauem Satin, der die Gäste auf den Plätzen mitten im Geschehen in der Arena überschwemmt; und einem LED-Videoband, das mit Animationsfilmen alles erklärt und zeigen soll, dass live gespielt wird.

"Wir wollen zeigen, dass Oper geil ist", sagt der Produktions-Chef von "Aida - das Arena-Spektakel", Jasper Barendregt. (Foto: Marcus Brandt/dpa)

Insgesamt sind 250 Mitwirkende am Werk, darunter 18 Tänzer und 32 Münchner Bürger als äthiopische Kriegsgefangene. Das 60-köpfige "Hanseatische Symphonische Orchester" unter der Leitung von Michael Ellis Ingram wurde eigens gegründet, ebenso der 40-köpfige Chor. Die Solisten sind nicht die teuersten Opernstars. Aber etwa Nina Clausen als Aida, Martin Shalita als Radamès oder VaShawn Savoy McIlwain als Amonasro haben ihre Rollen schon an großen Häusern gespielt, klingen wuchtig und sehen Hollywood-tauglich aus - großer Wert wurde auf Fitness gelegt, denn nicht jeder Sänger könne 60 Meter weite Distanzen ein Solo schmetternd bewältigen. Den Rest erledigt die Technik, so soll König Amonasro "eine Magie" umgeben, die das Publikum in einer technisch erzeugten Druckwelle zu spüren bekommt. zir

"Aida - das Arena-Opern-Spektakel" , München, Olympiahalle, Donnerstag, 22. Februar, 20 Uhr

Kitschfrei mit Kaufmann

Eine "Aida"-Inszenierung gegen alle Klischees: Damiano Michielettos Regierarbeit ist im April wieder an der Bayerischen Staatsoper zu erleben. Mit Jonas Kaufmann als Radamès. (Foto: Wilfried Hösl)

Keine Elefanten, keine Hieroglyphen, keine Tempel-Attrappen, keine Tutanchamun-Latschen, kein dicker Liz-Taylor-Cleopatra-Kajal um die Augen der Akteure. Und Parfümwolken verströmen traditionell meist nur die Damen (und mittlerweile auch Herren) im Parkett. Die aktuelle, noch nicht einmal ein Jahr junge "Aida"-Inszenierung an der Bayerischen Staatsoper kommt völlig ohne Pharaonen-Kitsch aus. Regisseur Damiano Michieletto hat mit all dem nichts am Hut. Er zeigt eine vom Krieg zerstörte Welt, traumatisierte, versehrte Menschen. Allenfalls assoziativ könnte ein Asche-Berg als Pyramide durchgehen. Dem Premierenpublikum im Mai 2023 war das alles offenbar zu düster, zu wenig triumphal, so gab es Buhs. Aber wie immer muss man sich erst einhören, einsehen. Die Chance dafür gibt es Ende April bei der Wiederaufnahme. Und überhaupt, da ist ja immer noch Verdis Musik. Und Jonas Kaufmann, der singt den Radamès. czg

Aida, 21., 25. und 28. April, 19 Uhr, Nationaltheater München, Karten unter www.staatsoper.de

Celeste Sophia oder wie Miss Moneypenny in höchsten Tönen singt

Die Hauptdarsteller eines Opernfilms aus den Fünfzigerjahren: Sophia Loren (Aida) und Luciano Della Marra als Radamès. (Foto: privat)

Nein, sie singt nicht, das überlässt Sophia Loren der legendären Renata Tebaldi. Neben Maria Callas war sie seinerzeit eine der berühmtesten Sopranistinnen. Aber in dieser Version der Verdi-Oper in Spielfilmlänge von 1953 spielt Loren anrührend und hervorragend lippensynchron die äthiopische Sklavin, damals selbstverständlich dunkel geschminkt. Ihre Rivalin um Radamès (der junge Schönling Luciano della Marra) ist Lois Maxwell als Amneris, gesungen von der berühmten Ebe Stignani. Von 1962 an wird Maxwell in dreizehn James-Bond-Filmen neben Sean Connery und Roger Moore Miss Moneypenny sein! Clemente Fracassi hat seinerzeit etliche Opernfilme gedreht, stets erheblich gekürzt und mit Kommentaren eines Erzählers versetzt, der zwischendurch die Handlung auf Englisch zusammenfasst und die Löcher zwischen den Musiknummern füllt. Diese "Aida" ist zwar ästhetisch ganz von den Sandalenfilmen der Zeit geprägt, aber das sieht durchaus apart aus. Und Sophia Loren als Aida muss man einfach gesehen haben. klk

Aida, Film von 1953, als DVD im Handel erhältlich

Die junge Opernstimme aus Kairo

Die Sopranistin Fatma Said, geboren in Kairo, kommt für ein Konzert nach München. (Foto: James Bort)

Gänsehautmoment 2021 bei der Echo-Klassik-Verleihung im Konzerthaus Berlin. Fatma Said singt in ihrer arabischen Muttersprache "Aatini Al Naya Wa Ghanni" ("Gib' mir die Flöte und sing!"), ein Lied der legendären libanesischen Sängerin Fairuz. Said kommt allerdings aus dem Land, in dem Verdis "Aida" spielt. 1991 wurde sie in Kairo geboren, ging dort auf die deutsche Schule, wo sie 2009 ihr Abitur an der deutschen Schule ablegte. Nach ihrem Bachelor of Music an der Hanns Eisler Musikhochschule in Berlin war sie Stipendiatin an der Accademia del Teatro alla Scala in Mailand, wo sie - als erste ägyptische Sopranistin - debütierte und die Pamina in Peter Steins "Zauberflöte" sang. Startpunkt für eine Weltkarriere, die die Sängerin, die fünf Sprachen fließend spricht, nutzt, um zwischen den Kulturen zu vermitteln. Am 15. April nun kommt Fatma Said nach München, für einen Abend im Prinzregententheater. Ihre Partner sind die Klarinettistin Sabine Meyer und der Pianist Malcolm Martineau. Das Trio spielt Werke von Mozart, Schubert, Lachner und Mendelssohn Bartholdy. czg

Fatma Said, 15. April, 20 Uhr, Prinzregententheater, Karten unter www.muenchenmusik.de

Ägyptisches Museum, was wirklich geschah

So könnte Aida ausgesehen haben: Statuette einer Dienerin, Akazienholz, Neues Reich, 18. Dynastie, um 1320 v. Chr. (Foto: Marianne Franke/Staatliches Museum Ägyptischer Kunst)

Aida hat es nie gegeben. Die schöne äthiopische Geisel ist eine Fantasiefigur aus einer Geschichte von Auguste Mariette, einem ersten Szenario für das von Verdi persönlich mitverfasste Opern-Libretto. Der Franzose Mariette wusste allerdings durchaus, was er da schrieb, er war einer der führenden Ägyptologen seiner Zeit und unter anderem Gründer des Ägyptischen Museums in Kairo. Es gibt also echte historische Vorbilder für die Oper. In München kommt man ihnen am ehesten nahe im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst, kurz und knallig: SMÄK.

Nach der breiten Freitreppe hinter der 17 Meter hohen, an einen Pylon erinnernden Portalwand, begegnet man ihnen in 13 hochkarätig bestückten Räumen. Der Pharao, der in der Oper nur als namenloser König mit durchdringendem Bass erscheint, gebietet hier selbst als fragmentarisches Sandsteinabbild von Ramses II. noch nach mehr als 3000 Jahren Ehrfrucht.

Oberteil einer Sitzfigur von Ramses II., Sandstein, Neues Reich, 19. Dynastie, um 1240 v. Christus. (Foto: Marianne Franke/Staatliches Museum Ägyptischer Kunst)

Um die Stellung der Pharaonentochter Amneris zu verstehen, empfiehlt man im SMÄK einen Blick auf die Bronzestatue der "Gottesgemahlin des Amun", eine gesellschaftlich hoch angesehene Priesterin.

Nicht Prinzessin Amneris, aber eine ebenso hochgestellte Priesterin stellt diese "Statue einer Gottesgemahlin" dar. Bronze, Spätzeit, 25. Dynastie, um 700 v. Chr. (Foto: Marianne Franke/Staatliches Museum Ägyptischer Kunst)

Ein Heerführer wie Radamès könnte der General Nesmonth gewesen sein. Von den Inschriften auf der Würfelfigur weiß man, dass Nesmonth zu Beginn der 12. Dynastie unter Sesostris I. eine militärische Aktion in Südpalästina leitete.

General Nesmonth war ein Heerführer wie Radamès. Anorthositgneis, Mittleres Reich, 12. Dynastie, um 1950 v. Chr. (Foto: Marianne Franke/Staatliches Museum Ägyptischer Kunst)

Statt der Äthiopier wie in der Oper hatten vor allem die Nubier in den Darstellungen der alten Ägypter oft die Rolle des gedemütigten Feindes inne (egal, wie es politisch wirklich stand). Wie auf der Bronze eines knienden, gefesselten Nubiers aus dem Neuen Reich könnte es dem gefangenen König Amonasro gegangen sein.

Ein Gefangener wie der äthiopische König in "Aida": "Kniender, gefesselter Nubier", Bronze, Neues Reich, 18. Dynastie, um 1500 v. Chr. (Foto: Marianne Franke/Staatliches Museum Ägyptischer Kunst)

Seine Tochter Aida kann man sich so vorstellen wie das Mädchen aus Akazienholz. Eine fragile Statuette, etwa um 1320 vor Christus, zeigt eine nubische Dienerin, was man aus ihrer Nacktheit schließt - die könnte interessanterweise aber auch auf eine Musikerin hindeuten. Einen Namen hat die Frau allerdings nicht. zir

Staatliches Museum Ägyptischer Kunst , Gabelsbergerstraße 35

Ägypten, wie Ernst Lubitsch es sah

Emil Jannings als Pharao Amenes und Regisseur Ernst Lubitsch bei den Dreharbeiten zu "Das Weib des Pharao", Deutschland 1922. (Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo)

Schon der Titel des Films ist nicht mehr zeitgemäß: "Das Weib des Pharao". Auch die Darstellung der Äthiopier, die hier durch die Dünenlandschaft von Berlin-Steglitz stapfen, mit geschwärzten Gesichtern und krausen Haaren, wäre heute ein Skandal. 1922 war der Historienfilm mit seinen Massenszenen und monumentalen Kulissen eine Sensation, der bis dahin teuerste und aufwändigste Film überhaupt. Er sollte für den Regisseur Ernst Lubitsch die Eintrittskarte nach Hollywood sein. Die Handlung ist opernreif: Der tyrannische Pharao Amenes heiratet statt der Tochter des Königs von Äthiopien ihre griechische Sklavin Theonis und löst so einen Krieg aus. Das Ägyptische Museum zeigt "Das Weib des Pharao" zweimal als Stummfilm-Konzert mit der live gespielten und neu dafür komponierten Musik von Stephan Graf von Bothmer. zir

Stummfilm-Konzert, "Das Weib des Pharao", Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, Fr. & Sa., 23. & 24. Februar, 19 Uhr, Anmeldung unter Telefon 089/28927626 oder smaek.de/veranstaltungen/das-weib-des-pharao

Mumien und Musik im Podcast

Ägyptologie ist ein verstaubtes Fach? Nicht bei Roxane Bicker und Nora Kuch, die sich in ihrem Podcast "das Nilpferd" und "das Krokodil" nennen. In "Mummies & Magic" verorten die Ägyptologinnen das Phänomen Altägypten in der modernen Popkultur. Folge 44, "Tainted Love", befasst sich aktuell mit der Aida-Inszenierung in der Olympiahalle. Als Gast erzählt Nadja Böckler (Magisterarbeit über die Flöte im Alten Ägypten), warum Verdi zur Uraufführung nicht nach Kairo reiste (er hatte tatsächlich Angst davor, mumifiziert zu werden). Sie muss aber auch eingestehen, dass niemand wirklich weiß, wie Musik in der Pharaonenzeit geklungen hat. zir

Thomas Mann und die Sphingen

Eine der beiden Sphingen am Eingang zur Aussegnungshalle des Münchner Nordfriedhofs: Beziehungsweise eine der originalgetreuen Repliken, die 2019 an den historischen Standort zurückfanden. Wo die beiden Originale abgeblieben sind, die Thomas Mann in seiner Novelle "Der Tod in Venedig" erwähnt? (Foto: Robert Haas)

Ohne ihnen allzu nahezutreten, aber auf den ersten Blick erinnern sie an zwei überdimensionierte Eierwärmer, die man sonst in gehäkeltem Zustand kennt. Die beiden Sphingen, die rechts und links am Portal der Aussegnungshalle des Münchner Nordfriedhofs sitzen, tragen einen Hahnenkopf auf dem ruhenden Löwenkörper - bei den Ägyptern das Symbol der Wachsamkeit. Was nicht verhindert hat, dass sie selbst eines Tages verschwanden. Seit 2019 sind am Friedhof zumindest die originalgetreuen Repliken wiederzusehen. Thomas Mann hatte noch die Originale gekannt, als er die "beiden apokalyptischen Tiere" gleich auf den ersten Seiten seiner Novelle "Der Tod in Venedig" erwähnt. Sie sind zugegen, als Gustav Aschenbach in München auf den mysteriösen Fremden trifft. Und so ist es auch kein Wunder, dass Dirk Heißerer, der Vorsitzende des Thomas-Mann-Forums München, ein lesenswertes Buch über "Das Rätsel der Sphingen vom Nordfriedhof" herausgegeben hat. czg

Das Rätsel der Sphingen vom Nordfriedhof: Bewahrung bei Thomas Mann, Verlust und Rekonstruktion, Herausgeber: Dirk Heißerer (Thomas-Mann-Schriftenreihe: Fundstücke)

Der Obelisk auf der Kirchturmspitze

Vorbild Petersplatz in Rom? Das Papstkreuz auf dem Turm des Alten Peter sitzt auf einem Obelisken. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Zwillingssphingen sind nicht die einzigen altägyptischen Zeugnisse im Münchner Stadtbild. Wer unweit des Marienplatzes mal den Kopf in den Nacken legt und die Turmspitze des Alten Peter näher inspiziert, der erkennt dort einen Obelisken, auf dem das Papstkreuz sitzt. Aber man muss sich nicht auf gut Glück zu einer Ägyptenreise durch München aufmachen. Roxane Bicker, im Ägyptischen Museum für die Kulturvermittlung verantwortlich, hat einen Stadtspaziergang erarbeitet, der viele Bezüge in der Innenstadt zum Land am Nil herstellt. Einen entsprechenden Stadtplan gibt's im Museum, via Abrissblock. Die Tour führt unter anderem zur Alten Münze, wo in der herzoglichen Kunstkammer von Albrecht V. einst auch altägyptische Sammlungsstücke lagerten. Und natürlich kommt man auch am Karolinenplatz mit dem von Leo von Klenze gefertigten Obelisken vorbei, der an die 30 000 bayerischen Gefallenen von Napoléons Russlandfeldzug im Jahr 1812 erinnert. Die Spitzsäule als Machtsymbol. Da fällt einem ein, dass es in Verdis "Aida", jenseits von pompösen Triumphmärschen darum geht, dass es im Krieg am Ende nur Verlierer geben kann. czg

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