Bürgerentscheid über Hochhäuser:Wie hoch hätten Sie's denn gern?

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Während eine Mehrheit im Rathaus die geplanten 155-Meter-Türme in Neuhausen per Ratsbegehren genehmigen will, versuchen Hochhausgegner sie mit einem eigenen Bürgerentscheid zu verhindern. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Münchnerinnen und Münchner werden wohl bald entscheiden, ob in der Stadt auch Hochhäuser mit mehr als 100 Meter Höhe gebaut werden dürfen. Im Stadtrat zeichnet sich eine deutliche Tendenz ab.

Von Heiner Effern und Sebastian Krass

Die Münchnerinnen und Münchner werden wahrscheinlich noch dieses Jahr darüber abstimmen dürfen, ob die Stadt künftig Hochhäuser auch über 100 Meter hinaus erlauben soll oder nicht. Nach der Wende der CSU-Fraktion, die sich nun für ein Ratsbegehren mit Bürgerentscheid in dieser Frage ausspricht, dürfte es eine sichere Mehrheit für eine solche vom Stadtrat initiierte und rechtlich verbindliche Befragung geben.

Neben den Grünen zeigten sich am Mittwoch auch die Fraktionen von ÖDP/München-Liste und Linke/Die Partei sowie die Stadträte der Freien Wähler dafür zumindest aufgeschlossen. Die Fraktionen von SPD und FDP/Bayernpartei wollen zwar auch keine Obergrenze für Hochhäuser, erachten aber einen Bürgerentscheid als unnötig.

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Eine solche Abstimmung, bei der die genaue Fragestellung noch offen ist, könnte aber nicht die einzige bleiben. Denn der CSU-Landtagsabgeordnete und Hochhausgegner Robert Brannekämper hält an seiner Initiative für einen Bürgerentscheid zum Bauprojekt an der Paketposthalle mit den geplanten zwei 155-Meter-Türmen fest.

Ein Ratsbegehren werde, so Brannekämper, "uns nicht davon abhalten, dass wir ab April Unterschriften für unser Bürgerbegehren sammeln". Brannekämper hat dafür den Verein "Hochhausstopp" mitgegründet, er braucht etwa 35 000 Unterschriften, um einen Bürgerentscheid herbeizuführen. In der Fragestellung werde man sich "konkret auf das Projekt an der Paketposthalle beziehen", sagt Brannekämper, "also im Prinzip: Sind Sie der Meinung, dass das gebaut werden sollte oder nicht?"

Das ist ein Unterschied zum Ratsbegehren, das der Chef der CSU-Stadtratsfraktion, Manuel Pretzl, nach ursprünglicher Ablehnung nun doch befürwortet. Pretzl schwebt eine grundsätzliche Klärung vor, ob die Stadtgesellschaft künftig Hochhäuser von mehr als 100 Metern befürwortet, wenn die architektonische Qualität gegeben ist. Beim Paketpost-Projekt sieht Pretzl dieses Kriterium erfüllt, es würde also bei einem Ja in der Abstimmung quasi genehmigt.

Brannekämper sieht in einer allgemeinen Fragestellung die Gefahr, "dass dann alle Grenzen fallen und wir bald über Bauvorhaben mit 250 Metern diskutieren". Es drohe die "Preisgabe der Stadtsilhouette und des historischen Münchens an Investoren, die nur auf die Rendite schielen".

Der Investor fürchtet, unter die Räder zu kommen

Der Investor für das Projekt an der Paketposthalle, Ralf Büschl, würde ein Ratsbegehren befürworten. "Unser Ziel ist es, jetzt schnell Planungssicherheit zu gewinnen", sagt der Beiratsvorsitzende der Büschl-Unternehmensgruppe aus Grünwald. "Wir sind davon überzeugt, bei einem Bürgerentscheid die Wähler zu überzeugen." Allerdings fordert er, dass sich das Ratsbegehren "nur mit der Frage der Entwicklung um die Paketposthalle beschäftigen darf". Büschl befürchtet, dass sein Projekt unter die Räder kommen könnte, wenn es in einen stadtweiten Hochhausentscheid hineingezogen wird.

Die Fragestellung könnte im Stadtrat zu einem Politikum werden, das zeigen die Reaktionen auf Pretzls Vorstoß. Die Grünen, die bereits seit 2019 für ein Ratsbegehren eintreten, finden zwar auch, dass es "eine allgemeine Regelung und keine Abstimmung über einzelne Bauprojekte beinhalten" sollte, wie Fraktionsvorsitzende Anna Hanusch erklärt. Man solle in der Frage "auf eine pauschale Höhenbegrenzung verzichten" und stattdessen "alle Projekte unter städtebaulichen, aber auch sozialen und ökologischen Aspekten beurteilen". Hanusch sagt aber auch, man wolle sich mit dem Koalitionspartner SPD/Volt abstimmen, dessen Fraktion ein Ratsbegehren ablehnt.

Der OB hält eine Abstimmung für unnötig

Der SPD-Fraktionschef Christian Müller sagt, es sei "wichtig, dass die Münchnerinnen und Münchner mitbestimmen dürfen, wie sich ihre Stadt entwickelt". Deshalb habe die Stadt zum Paketpost-Areal ein Bürgergutachten erstellen lassen, in dem "eine innovative Entwicklung mit modernen, auch mutigeren Hochpunkten, bezahlbare Wohnungen und großzügige Frei- und Grünflachen" gewünscht werde.

OB Dieter Reiter (SPD) bekräftigt seine Ansicht, "dass der aktuelle Stadtrat auch ohne neuerliches Ratsbegehren solche Entscheidungen je nach Einzelfall treffen kann und soll". Die SPD würde den Grünen ein Ausscheren aus der Koalition ermöglichen, sich dann aber für ein Ja zu Hochhäusern im Entscheid einsetzen.

Die Fraktionen FDP/Bayernpartei und Linke/Die Partei nehmen grundsätzlich gegensätzliche Positionen ein. Die Liberalen sind für eine freie Höhenwahl und lehnen einen Ratsentscheid ab. Der Bürgerentscheid von 2004 für eine 100-Meter-Obergrenze binde den Stadtrat längst nicht mehr, mit dem Bürgergutachten im Rücken könne der Stadtrat über das Paketpost-Projekt selbst entscheiden, sagte FDP-Fraktionschef Jörg Hoffmann.

Die Linke und Die Partei wiederum wollen die Bürgerinnen und Bürger entscheiden lassen und sich davor gegen die Hochhauspläne engagieren. "Wir lehnen grundsätzlich diese Höhenentwicklung ab, weil ab einem gewissen Stockwerk kein sozialer Wohnraum mehr geschaffen werden kann", sagt der Fraktionsvorsitzende Stefan Jagel.

Nicola Holtmann von der Fraktion ÖDP/München-Liste betont ebenfalls: "Wir sind unbedingt für diesen Ratsentscheid, wir haben ihn bereits gefordert." Man bleibe aber bei der Ablehnung von Hochhäusern. Die Freien Wähler, die seit wenigen Wochen mit der CSU eine Fraktion bilden, finden einen Ratsentscheid "von der Tendenz her sinnvoll", hätten sich aber intern noch nicht endgültig entschieden, sagte Stadtrat Hans-Peter Mehling.

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