Münchner Spaziergang:Eine Spur von Nachtleben

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Mit Maske: die Statue von Ida Schumacher. (Foto: Philipp Crone)

Auf den Gehwegen im Glockenbachviertel findet man nicht mehr nur Hundereste und Einwegmasken, sondern auch wieder Zigarettenstummel und Bierbecher.

Kolumne von Philipp Crone

Die Menschen erobern sich ihr Viertel zurück. Dafür muss man nur auf den Boden sehen am Morgen. Wo im Glockenbach- und Gärtnerplatzviertel wochenlang höchstens Hundehaufen zu sehen waren, ergänzt zuletzt von zertretenen Einwegmasken, findet man jetzt die ursprünglichen Dinge wieder: Kippen und andere Feierreste. "Im Stadtgewühl treibt es mich wieder raus", singt die Münchner Freiheit in "Zeig mir die Nacht", und mittlerweile hat man das Gefühl, dass die Glockenbachianer es der Nacht gerne mal wieder so richtig zeigen würden.

Dass die Isar und die Innenstadt am Samstag voll sind wie das vorcoronarische Schyrenbad bei 40 Grad, das ist schlicht der unbeherrschbare Münchenreflex, der bei mehr als 25 Grad, arbeitsfrei und Sonne automatisch ausgelöst wird. Aber dass hartnäckige Feierrückstände auch noch am Morgen vor den geschlossenen Bars verbleiben, ist derzeit dann doch noch überraschend. Halbvolle Plastikbecher mit Bier sind da zu sehen, man hat sich offenbar viel zu sagen im Moment, da reicht eine Nacht nicht. Es gibt aber auch genug zu mosern, zumindest am Viktualienmarkt.

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Die Statue von Ida Schumacher ist mit einer Miniaturmaske verziert, unter ihr stehen am Samstag zwei Frauen zusammen, die noch einmal die Zumutungen dieser Masken durchsprechen. Das sei einfach kaum durchzuhalten, und dann im Büro auch noch bei geschlossenen Fenstern. Einen Stand weiter lupft eine Dame ihre rosa Mundbedeckung und raunt ihrer Begleitung zu, dass sie ab und an einfach einen tiefen Schluck Sauerstoff brauche. Masken, Hefe, Hundehaufen, Plastikbecher. Die Frage ist, welches Symbol am Ende bleibt von dieser Zeit, nicht nur für die Tattooisten.

Ein Ehepaar will in der Baaderstraße ein Stechstudio eröffnen, und es ist noch unklar, ob das jetzt ein guter oder schlechter Moment dafür ist. Die Miete müssen sie zahlen, obwohl noch zu ist. Aber vielleicht kommt dann ja gleich die Welle, wenn mal alle und alles wieder so richtig gelockert sind. Eine kleine Krone auf den Arm, das würde doch passen.

© SZ vom 11.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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