Münchner Spaziergang:Waldbaden im Allacher Forst

Lesezeit: 1 min

(Foto: Robert Haas)

Einfach abseits der Wege spazieren, über knackende Äste? Der naturentfremdete Großstädter kann sich den Besuch als Hipster-Ausflug schlechthin schönreden

Kolumne von Laura Kaufmann

Um der Krise etwas Positives abzutrotzen: Das eigene Viertel dürfte nun bestens erkundet sein. Jedes kleine Geschäft, das schon so lange geschlossen ist, jeder kleine Obst- und Gemüsehandel, vor dem sich die Maskenschlange reiht wie vor dem örtlichen Eisdealer, jedes Graffito, das an Hauswänden hinterlassen wurde, könnte jetzt blind aufgemalt werden. Und so wundert es nicht, wenn einer am Telefon von seinem Tag erzählt und glücklich seufzt: Ach, es hat so gut getan, mal woanders zu spazieren!

München ist trotz Millionendorfgefühls schließlich groß, und Respekt vor dem, der meint, alle Ecken und Facetten ausgiebig erkundet zu haben. Manch einer begibt sich nun statt auf Städtereise auf Stadtvierteltour, auch ein schönes Konzept ist es, sich von einem Ortskundigen in fremden Gefilden herumführen zu lassen. Auf AirB'n'B wird so etwas als "local experience" vermarktet. Der Allacher Forst? Nie dagewesen, dabei liegt er doch viel näher als der Tegernsee. Zugegeben ist das Erholungsgebiet auch etwas kleiner, aber um der Krise noch mehr Positives abzutrotzen, man hat ja gelernt, sich mehr am Kleinen zu erfreuen. Als ortskundige Local Guides dienen folgerichtig auch kleine Menschen, die den Wald von Besuchen mit Mama und Papa kennen, und für die der Wald so etwas wie ein Ersatzspielplatz ist. Der naturentfremdete Großstädter kann sich den Besuch als Hipster-Ausflug schlechthin schönreden, schließlich hat es "Waldbaden" mal zum veritablen Trend gebracht, wann war das, 2018? In einer grauen Vor-Corona-Zeit jedenfalls. Waldbaden gehöre in Japan zum festen Bestandteil der Gesundheitsvorsorge, las sich da immer wieder, die Seele durch die Kraft der Natur ins Reine bringen, Wald erfahren mit allen Sinnen.

Der Weg zum Waldeingang führt durch eine Unterführung, über einen Forstweg, über einen Trampelpfad, und dann wird es spannend: Einfach abseits der Wege spazieren, über knackende Äste. Moosbewachses Gehölz, so weich, zeigt der kleine Local Guide. Auf Baumstämmen lässt es sich fast noch besser klettern als auf einem Spielplatz, Pflanzen mit toll geformten Blättern gibt es zu bewundern und sogar eine Schnecke. Gut für die Lunge ist es übrigens auch, dieses Waldbaden. Und "woanders spazieren", Wald hin oder her, ist gut für die Nerven.

© SZ vom 06.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: