Die Anwohner viel befahrener Straßen könnten aufatmen, ließ Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) im Juli vergangenen Jahres mitteilen. Damals hatte die Stadt festgestellt, dass nur noch an zwei Stellen der EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO₂) überschritten werde - an der Tegernseer Landstraße und der Landshuter Allee. Der Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm NO₂ pro Kubikmeter Luft. Und weil er davon ausging, dass der Wert im Jahresdurchschnitt nur minimal, wenn überhaupt, überschritten werde, setzte der Stadtrat ein Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 5 von Oktober 2023 an vorerst aus. Auch der Wegfall der meisten Ausnahmen vom Fahrverbot von April 2024 an war anscheinend vom Tisch.
Nun sieht es aber danach aus, als ob die Debatte doch noch nicht beendet wäre. Denn das Landesamt für Umwelt (LFU) hat nun seinen vorläufigen Jahreskurzbericht über seine Messwerte veröffentlicht. Und laut diesem reißt die Messstelle an der Landshuter Allee erneut den Grenzwert - und zwar deutlicher, als sich das die Stadt erhofft hatte. Die Belastung liegt demnach bei 45 Mikrogramm, also zwölfeinhalb Prozent über dem zulässigen Wert. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sehen sich in ihrer Skepsis bestätigt und halten an ihrer Klage gegen die Stadt fest.
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Zur Erinnerung: DUH und VCD hatten zunächst gegen den Freistaat auf Einhaltung des Grenzwerts geklagt. Nachdem die Verantwortung an die Kommunen übertragen wurde, hatte die Stadt München den Rechtsstreit quasi geerbt. In einem Vergleich einigte man sich auf ein dreistufiges Fahrverbot für Dieselfahrzeuge innerhalb der um den Mittleren Ring erweiterten Umweltzone. Seit Februar 2023 gilt immer noch nur die erste Stufe, die Euro-4-Diesel ausbremst, wobei ein ganzer Katalog an Ausnahmen gilt, etwa für Handwerker, für Menschen auf Arztbesuch, für Taxis und viele andere.
Als der Stadtrat dann im Sommer von einer Verschärfung absah, ging er von einem Jahresmittelwert an der Landshuter Allee von 41 Mikrogramm für das Jahr 2023 aus. Die Mehrheit, darunter auch die Grünen, hielt ein strengeres Verbot deshalb für unverhältnismäßig.
Weitere positive Effekte erhoffte man sich von einer neuen Busspur an der Landshuter Allee sowie von den im November 2021 dort installierten Luftfiltern, die offenbar aber nicht ausreichend Wirkung zeigen - eine wissenschaftliche Auswertung steht noch aus.
Dann, im Oktober, reichten DUH und VCD erneut eine Klage ein, weil sie das Abkommen mit der Stadt gebrochen sahen. Am 14. März dieses Jahres soll die Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof stattfinden. "Die zweite Stufe des Konzepts für Dieselfahrverbote muss sofort umgesetzt werden. Auch die dritte Stufe mit deutlich weniger Ausnahmen scheint nach dem aktuellen Stand der NO₂-Belastung notwendig zu sein", teilt die DUH mit.
Der Oberbürgermeister gibt sich zurückhaltend - und verweist aufs Klimareferat
Die Münchner Regierungskoalition habe auf die explizite Anordnung von Oberbürgermeister Dieter Reiter alle Münchnerinnen und Münchner vorsätzlich einer zusätzlichen Gesundheitsbelastung ausgesetzt, "in dem Irrglauben, damit bei den bayerischen Landtagswahlen punkten zu können", so die DUH.
Und wie geht es jetzt in der Stadt weiter? Der OB hält sich mit konkreten Aussagen zurück. "Das Referat für Klima und Umweltschutz wird Ende des ersten Quartals die fachliche Prognose für die weitere Entwicklung der Luftwerte 2024 vorlegen", lässt Reiter mitteilen. "Auf dieser Basis wird das Referat dem Stadtrat das weitere Vorgehen vorschlagen."
Dem schließt sich die SPD-Fraktion an. "Gleichzeitig aber lehnen wir zu strikte Fahrverbote ab, die vor allem den Wirtschaftsverkehr und Menschen mit kleinem Geldbeutel belasten", sagt Fraktionschefin Anne Hübner.
Komplett gegen das Fahrverbot war damals die CSU. Der Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper, selbst Dieselfahrer, hat sogar vor bald einem Jahr dagegen geklagt. Einen Verhandlungstermin gibt es aber immer noch nicht.