Luftverschmutzung:Dieselfahrverbot in München wird nicht verschärft

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Auch zur Durchsetzung des Dieselfahrverbots in der Umweltzone wünscht sich das Kreisverwaltungsreferat eine automatische Erfassung von Kennzeichen mittels Kameras. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Weil die Belastung durch Stickstoffdioxid sinkt, dürfen Euro-5-Autos weiter in die Umweltzone. Doch die Stadt könnte sie zu einem späteren Zeitpunkt ausbremsen. Und es laufen Klagen - für und gegen den Schritt.

Von Andreas Schubert

Ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 auf dem Mittleren Ring ist vorerst vom Tisch. Das hat der Ausschuss für Klima- und Umweltschutz am Dienstag ohne große Debatte beschlossen. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Ob es doch noch dazu kommt, könnte der Stadtrat im Frühjahr 2024 entscheiden, wenn die Jahresmittelwerte für die Belastung der Luft durch Stickstoffdioxid (NO₂) feststehen.

Zur Erinnerung: Seit 1. Februar dieses Jahres gilt in der Umweltzone, zu der neben der Innenstadt nun auch der Mittlere Ring gehört, ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 4 oder schlechter, ausgenommen davon sind Oldtimer mit H-Kennzeichen. Die Einschränkung hatte die Stadt als Vergleich mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) ausgehandelt, die auf Einhaltung des NO₂-Grenzwerts von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel geklagt hatten. Der Stadt hätten womöglich hohe Geldstrafen gedroht, weshalb die Mehrheit der Rathauspolitiker kein anderes Mittel sah, als ein Fahrverbot zu verhängen.

Wären die Grenzwerte weiterhin stark überschritten worden, hätte vom 1. Oktober 2023 an auch ein Fahrverbot für Diesel-5-Fahrzeuge gegolten. Als letzte Konsequenz schließlich wären von 1. April 2024 an auch die pauschalen Ausnahmeregelungen, die zum Beispiel für Anwohner, Handwerker mit Ausweis und viele andere gelten, weggefallen. Diese zweite Verschärfung entfällt nun komplett.

Die Entscheidung kam nicht überraschend. Schon im Juli hatte die Vollversammlung des Stadtrats beschlossen, die erste Verschärfung des Fahrverbots auszusetzen. Den endgültigen Beschluss musste nun der Umweltausschuss fällen.

Erst kürzlich gab die Verwaltung die Durchschnittswerte für die NO₂-Belastung für das erste Halbjahr bekannt. Demnach wird der EU-weite Grenzwert an zwei Messstellen noch immer überschritten. Der Durchschnittswert für das erste Halbjahr 2023 lag an der Landshuter Allee am Mittleren Ring, wo das Landesamt für Umwelt misst, bei 45 Mikrogramm. An der viel befahrenen Moosacher Straße, die in den Frankfurter Ring mündet, hat die Stadt München einen Wert von 42 Mikrogramm ermittelt. Prognosen zufolge sollen sich die Jahresmittelwerte für 2023 nur noch knapp über dem Grenzwert einpendeln, an der Landshuter Allee etwa bei 41 bis 42 Mikrogramm.

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An den restlichen 58 Messstellen wurde der Grenzwert im Schnitt unterschritten. Das gilt sogar für die Tegernseer Landstraße 150, die mit 39 Mikrogramm ganz knapp unter der Grenze blieb.

Eine Verschärfung des Fahrverbots schien Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und der Mehrheit der Stadträte sowie auch dem Umweltreferat deshalb unverhältnismäßig. Doch ganz vom Tisch ist eine strengere Regelung nicht, wie Umweltreferentin Christine Kugler nach der Sitzung am Dienstag mitteilte. Der Stadtrat habe im Sinne der Verhältnismäßigkeit entschieden, so Kugler. "Ob die bestehenden Maßnahmen zum Gesundheitsschutz jedoch ausreichen, wird sich erst anhand der Messwerte für das gesamte Jahr 2023 zeigen. Wir sind noch nicht auf der sicheren Seite."

Daher appelliere sie an alle Bürgerinnen und Bürger, die bestehenden Regeln konsequent einzuhalten, damit die Stadt nicht doch noch gezwungen werde, die Zufahrtsbeschränkungen auf Euro-5-Diesel auszuweiten.

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Ein Änderungsantrag der Fraktion CSU/Freie Wähler, der die zweite Stufe des Fahrverbots dauerhaft aussetzen und auch die Rücknahme der ersten Stufe prüfen lassen wollte, fand keine Mehrheit. Gegen die Vorlage des Umweltreferats stimmten lediglich die ÖDP und Die Partei, denen die Maßnahmen zur Luftreinhaltung nicht weit genug gehen.

Auch DUH und VCD sind mit der nun erfolgten Anpassung des Luftreinhalteplans alles andere als zufrieden und haben bereits eine neue Klage angekündigt. Sie werfen den Stadträten "wahltaktische Gründe" vor und kritisieren, dass sich die Luftqualität nun weniger deutlich bessere. Zudem sehen die beiden Organisationen eine Verletzung des im Oktober 2022 ausgehandelten Vergleichs. Andererseits laufen auch noch mehrere Klagen gegen das bestehende Verbot, unter anderem des CSU-Landtagsabgeordneten Robert Brannekämper.

Die Stadtverwaltung gibt sich gelassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien weitere Verkehrsverbote nach den aktuellen Messdaten und der zu erwartenden Entwicklung der Luftqualität "nicht geboten".

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