Kritik an "Mini-Trump":So lief der Demo-Samstag in München

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Zu der Demonstration auf dem Münchner Odeonsplatz hatte ein breites Bündnis von Parteien, Verbänden und Einzelpersonen aufgerufen. (Foto: Leonhard Simon)

Ein Aiwanger-Anhänger meldet einen Protest gegen das Heizungsgesetz mit 20 000 Menschen auf der Theresienwiese an. Es kommen: 250 Personen. Deutlich mehr Zulauf hat eine Veranstaltung gegen Rechtspopulismus und die Spaltung der Gesellschaft am Odeonsplatz.

Von Martin Bernstein

Tausende Menschen haben am Samstagnachmittag auf dem Münchner Odeonsplatz gegen Rechtspopulismus und eine Spaltung der Gesellschaft demonstriert. Zu der Kundgebung unter dem Motto "Ausgetrumpt" hatte ein breites Bündnis von Parteien, Verbänden und Einzelpersonen aufgerufen, angeführt von SPD und Grünen. Mit dabei waren unter anderem auch die Gewerkschaft Verdi, der Mieterbund, die Arbeiterwohlfahrt und der Fahrradclub ADFC. Die Münchner Polizei zählte 8000 Teilnehmer.

Die Demonstration sollte die Antwort auf eine Kundgebung sein, die die Kabarettistin Monika Gruber vor drei Wochen in Erding veranstaltet hatte. Insbesondere der stellvertretende bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) war danach für seine Parolen heftig kritisiert worden. So hatte er von einer "schweigenden Mehrheit" gesprochen, die sich die "Demokratie zurückholen" müsse. Selbst führende CSU-Politiker kritisierten Aiwangers Wortwahl. Allerdings war auch Ministerpräsident Markus Söder in Erding aufgetreten - und dort von Teilnehmern aus der Querdenker-Szene angepöbelt und ausgepfiffen worden.

"Deutsche Kabarettisten, sagt Nein zu Faschisten", war an Grubers Adresse gerichtet am Samstag auf einem Plakat am Odeonsplatz zu lesen. "Wenn ich die schweigende Mehrheit sein will, dann muss ich auch wissen, wann es Zeit ist, den Mund zu halten", wandte sich Christian Springer, selbst Kabarettist, von der Bühne vor der Feldherrnhalle an Aiwanger.

Kabarettist Christian Springer. (Foto: Leonhard Simon)

Springer setzte als Auftaktredner am Samstagnachmittag den Ton. Er freue sich über die vielen Teilnehmer, sagte er. "Aber dass wir heute überhaupt hier sein müssen, weil es viel zu viele gibt, die die Demokratie angreifen, ist ein Armutszeugnis." Er bescheinigte denjenigen, die "am rechten Rand fischen", eine Mitschuld und sagte: "Wer Rechte mitlaufen lässt, bekommt braune Flecken." Springer erinnerte an den Hitlerputsch vor hundert Jahren an dieser Stelle und rief: "Die AfD ist mehr als doppelt so kriminell wie alle Flüchtlinge in diesem Land." Er forderte alle "Menschen, die für die Demokratie einstehen", dazu auf, sich einzumischen und es ihren Kindern vorzuleben.

Nach diesem Vorredner hatte Bayerns SPD-Chef Florian von Brunn, der Initiator der Kundgebung, keine ganz einfache Aufgabe. Auch von Brunn übte scharfe Kritik an Aiwanger, den er als "Mini-Trump aus Niederbayern" bezeichnete. Aiwanger habe in Erding eine rechtsradikale Wortwahl benutzt und dabei vergessen: "Rechtspopulismus ist nie die Lösung, sondern immer das Problem", das zeige ein Blick in andere Länder. Wer einen Kulturkampf führe, zeige damit, dass es ihm an sachlichen Lösungen fehle.

"AfD wählen ist kein Protest und kein Kavaliersdelikt!" sagte SPD-Spitzenkandidat von Brunn. "Wer AfD wählt, wählt eine menschenfeindliche, rassistische und unsoziale Partei."

Demokratie beschützen statt verhöhnen

"Wir beschützen unsere Demokratie", rief Katharina Schulze, Fraktionschefin der bayerischen Grünen. "Wir bewahren unsere Demokratie. Wir achten unsere Demokratie." Wer sich an Rechtspopulisten "heranwanze", stärke damit immer nur das Original. Sie plädierte für einen politischen Wettstreit um die besten Ideen. Das sei die Stärke der Demokratie. "Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse in Bayern", rief sie unter dem Applaus der Teilnehmer.

Luise Klemens, Bayern-Chefin der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, rief dazu auf, die Demokratie nicht weiter verhöhnen zu lassen. "Wer einen Funken Patriotismus hat, ist für Wind- und Solarenergie", sagte ein weiterer Redner, Michael Sterner, Professor für Energiespeichersysteme und Autor des Buches "So retten wir das Klima". Über der Versammlung auf dem Odeonsplatz wehte die Europafahne. Teilnehmer trugen Plakate mit Slogans wie "Mehr politische Bildung an Schulen" oder "Wärmepumpen statt SUV".

Störungen der Versammlung gab es laut Polizei nicht. Alles sei friedlich geblieben, bestätigte ein Sprecher am Sonntag. Einige oppositionelle Teilnehmer hielten sich mit ihren Transparenten am Rand, ebenso ein Aktivist einer rechtsextremen Splittergruppe. Es kam zu einzelnen Wortgefechten und Diskussionen. Eine Gegendemonstration der Querdenker-Szene in unmittelbarer Nachbarschaft brachte nach Zählung der Polizei gerade einmal 23 Teilnehmer zusammen.

250 Demonstranten kamen am Samstagvormittag zur Anti-Heizungsgesetz-Demo auf die Theresienwiese. (Foto: Mark Siaulys Pfeiffer)

Auch eine als "Großdemonstration" angekündigte Kundgebung auf der Theresienwiese, mit der der Ex-Rennfahrer Martin Wimmer "eine bayerische Spezialoperation" gegen die rot-grüne Energiepolitik und die beschlossene Wahlrechtsreform beginnen wollte, kam am Vormittag auf lediglich 250 Teilnehmer. Der ehemalige Motorsportler wetterte vor dieser Kulisse gegen den angeblich "woken" Zeitgeist und stellte in seiner zweistündigen Rede mehrmals China als Vorbild dar. Die Bundesregierung sei "kriminell abgedriftet", behauptet Wimmer. Angemeldet hatte der erklärte "Söder- und Aiwanger-Fan" bis zu 20 000 Menschen. Bereits am Morgen vor der Kundgebung hatte er aber zurückgesteckt und erklärt, 250 Teilnehmer wären auch schon ein Erfolg.

Beeindruckt von den vielen Teilnehmern an der "Ausgetrumpt"-Kundgebung zeigten sich während und nach der Veranstaltung auf dem Odeonsplatz dagegen die Organisatorinnen und Organisatoren. "Heute haben wir in München gezeigt, dass die Mehrheit der Menschen sich nicht spalten lässt", twitterte SPD-Chef von Brunn am Abend. "Wir wollen sachlichen Diskurs statt Hass und Hetze", fasste seine Co-Chefin Ronja Endres das Anliegen noch einmal zusammen. "Gerne können wir konstruktiv diskutieren, Populismus brauchen wir nicht." Die Menschen hätten "Demokratiefeinden die rote Karte" gezeigt, sagte die Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze.

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