Hip-Hop-Dance am Deutschen Theater München:Es fliegen die Flaschen, es wirbeln die Körper

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Sie bringen den Hip-Hop in die Zeit der Prohibition: die Compagnie Wanted Posse aus Frankreich. (Foto: Yuri Sory)

Die ehemaligen Breakdance-Weltmeister Wanted Posse aus Paris fusionieren bei "Dance 'n Speak Easy" Hip-Hop mit Charleston und Swing.

Von Michael Zirnstein

Gewalt ist keine Lösung, aber Tanz ist es. Zumindest seit in den Siebzigerjahren in den von Straßenbanden beherrschten Vierteln New Yorks sich einige Jugendliche und Gangs lieber mit ihren Tanzschritten herausforderten, als sich mit Fäusten oder Waffen niederzumachen. Ein sozialpädagogischer Traum, sozusagen. So, kurz gesagt, entstand das B-Boying, später auch Breakdance genannt, als akrobatischer Teil der Hip-Hop-Kultur - die heute bekanntermaßen die dominierende Kultur der Welt ist.

Das Battlen ist dem Hip-Hop also in die DNA eingeschrieben. Und wenn man jeder anderen der schönen, die Götter verehrenden Künste jeglichen Wettstreit vorwerfen könnte, so ist es nur folgerichtig, dass Hip-Hop-Dance in diesem Jahr eine olympische Sport-Disziplin ist. Nach welchen Kriterien auch immer die Juroren Gold, Silber und Bronze vergeben wollen.

Eigentlich müsste die Compagnie Wanted Posse aus der Nähe von Paris ein Medaillenanwärter sein. 2001 hatte diese Truppe die inoffizielle Hip-Hop-Weltmeisterschaft gewonnen. In einem hochklassigen Finale der "Battle Of the Year" in Braunschweig bezwang sie Team Ohh aus Japan, auch eines der prägenden Kollektive dieser Zeit, vor zehntausend Zuschauern.

Inzwischen ist die Gruppe auf mehr als 20 Mitglieder angewachsen und bestimmt nicht schlechter geworden. Bei Olympia 2024 in Paris treten sie aber nicht an. Schon 2002 verzichteten sie auf die Verteidigung ihres Weltmeistertitels, lieber machten sie Theater, wie schon zuvor in den Stücken "L'arret de Bus" (1996), "Possesion" (1997) und "La Prison" (1998). Nun allerdings hatte sich ihr Wirkungskreis massiv erweitert: Mit "Bad Moves" ging die Wanted Posse 2003 auf Welttournee von Japan bis Kanada.

Die Mafiosi buhlen um eine sinnliche Tänzerin. (Foto: Yuri Sory)

20 Jahre später - sie haben inzwischen für Madonna, Robbie Williams oder "Der König der Löwen" ihre Breaking-, Hype-, House- oder New-Style-Moves getanzt - kommen sie nach München. Hier werden sie mit dem hiesigen Hip-Hop-Olympioniken Serhat Perhat einen Workshop geben. Vor allem aber zeigen sie ihr aktuelles Stück "Dance 'n Speak Easy" am Deutschen Theater. Während hier jüngst das Tanzstück "The Great Gatsby" die glamourösen Zwanzigerjahre erstrahlen ließ, tauchen die sechs Hip-Hopper in die New Yorker Unterwelt zur Zeit der Prohibition ein.

Eine dieser Speakeasy-Spelunken, in denen man flüstern musste, um saufen und feiern zu dürfen, ist die Bühne für einen "Cocktail aus Hip-Hop-Tanz, Gesang und Burlesque", der den Kritiker von Liberation ziemlich beschwipste: "Wanted Posse hat im Laufe der Jahre weder bei der Technik, noch bei der Kreativität der Inszenierung Kompromisse gemacht."

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So wie "Babylon Berlin" sich alle Freiheiten in der Interpretation der dunkel-goldenen Party-Ära ließ, so holen der Choreograf Njagui Hagbe und der Regisseur Phillippe Lafeuille die Zwanziger und Dreißiger ins Heute: Musik, Schritte und Akrobatik von Swing, Charleston, Lindy Hop und Chitterbug fusionieren hier mit modernem Hip-Hop-Hurra. Man verneigt sich vor Miles Davis und anderen Jazz-Künstlern, die in den Speakeasys im Dunkeln erblühten, und ebenso vor dem Funk von James Brown, dem Wegbereiter des Hip-Hop. Dazu wird eine Geschichte erzählt von sechs Mafiosi, die um eine sexy Sängerin buhlen, die einmal im Stück sagt, dass Macht das Übertreten von Regeln sei, und dass sie das ziemlich anturne. Das stachelt die Tänzer freilich an, es fliegen die Fäuste und die Flaschen, es wirbeln die Körper - da geht es geschmeidig hart zur Sache, aber am Ende ist Gewalt sicher nicht die Lösung.

Dance 'n Speake Easy, Mi.-So., 20.-24. März, München, Deutsches Theater, deutsches-theater.de

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