Claus Kleber an der LMU:Seine Mission ist, keine Mission zu haben

Wahrheit und Journalismus: Claus Kleber vom ZDF spricht an der LMU München

"Ich mag den Um-zu-Journalismus nicht", sagt ZDF-Moderator Claus Kleber - also journalistische Beiträge, die missionarisch wirken sollen.

(Foto: Robert Haas)

Klare journalistische Kriterien verfolgen statt die eigene Meinung dem Publikum überstülpen: Der "Heute-Journal"-Moderator spricht über Ansprüche an Journalisten und Wahrheit in der Berichterstattung.

Von Ekaterina Kel

Die Frage, die Claus Kleber umhaut, ist simpel. So simpel, dass sich der Mann mit der akkuraten Scheitelfrisur, der seit 16 Jahren im ZDF das "Heute-Journal" moderiert, demonstrativ auf dem Stuhl ausbreitet und die Arme zu beiden Seiten baumeln lässt: "Schreiben Sie Ihre Texte selbst?", hat ihn die Moderatorin gefragt. Nun fragt Kleber zurück: "Wofür bekomme ich denn sonst mein Geld?" Es ist ein Moment, der am Dienstagabend in der Großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität viele Lacher und einen langen Applaus hervorruft.

Dabei geht es um ein ernstes Thema bei dieser Veranstaltung. Es geht um die Wahrheit, die Journalisten wie Kleber vermitteln sollen, die allerdings nicht immer eindeutig ist.

Mit großem Ernst in der Stimme referiert er über den Wahrheitsanspruch der öffentlich-rechtlichen Medien oder schmettert den häufigen Vorwurf der Meinungsmanipulation ab. Kleber bezieht dazu souverän Stellung - und das auch spürbar gerne. Nicht umsonst trägt sein jüngstes Buch einen Imperativ als Titel, "Rettet die Wahrheit" steht auf dem Cover und darüber sein Name. Man könne das leicht missverstehen, scherzt die Moderatorin: "Claus Kleber rettet die Wahrheit".

Doch kein Scherz auf seine Kosten bringt den erfahrenen Redner aus der Ruhe. Er macht sie sogar selbst. Als Eindruck bleibt der eines aufrechten Predigers für den kritischen Journalismus - einerseits. Mit der nötigen Prise Humor und dem Charme eines lockeren Krawattenträgers andererseits. Etwa mit einem Kommentar zum Rundfunkbeitrag, der gerade für viele Studenten und Studentinnen im Saal eine finanzielle Belastung ist: "Wir haben den großen Luxus, weil Sie das bezahlen...", sagt Kleber, macht eine Kunstpause und fügt hinzu: "...müssen".

Die Diskussion mit dem ZDF-Moderator ist eine Veranstaltung des Instituts für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU in Kooperation mit der Süddeutschen Zeitung und jetzt, dem jungen Magazin der SZ, unterstützt von der Mediaschool Bayern. Wie schon vergangene Woche, als der Satiriker Oliver Welke an der Universität zu Gast war, sind auch diesmal neben der Aula zwei zusätzliche Hörsäle bis auf den letzten Platz gefüllt. Insgesamt sind etwa 1500 Menschen, Studenten und Studentinnen, aber auch einige grauhaarige Köpfe gekommen, um Kleber zuzuhören.

Er hat eine klare Botschaft: Journalismus, wie er ihn versteht, ist nicht immer bequem und passt sich im besten Fall auch nicht irgendeinem Weltbild an. "Ich mag den Um-zu-Journalismus nicht", sagt Kleber und meint damit journalistische Beiträge, die eine Mission haben, zum Beispiel, die Auswirkungen der Klimakatatsrophe präsenter zu machen. Man dürfe nicht die eigene Idealvorstellung dem Publikum überstülpen, sondern sich vielmehr an einem klaren journalistischen Kriterienkatalog orientieren, um zu entscheiden, welche Nachricht es wie groß in die Sendung schafft. Die "absurde" Vorstellung manchner, die Redaktion stimme sich darüber mit dem Kanzleramt ab, regt ihn so auf, dass er alle möglichen Zweifler gleich noch einmal darüber aufklärt. Und mit Regierungssprecher Steffen Seibert, der lange ein Kollege im ZDF war, sei die Kommunikation "fast null", sagt Kleber. "Wir tauschen zweimal im Jahr eine SMS aus."

Inhaltliche Entscheidungen treffe das gesamte Team. Der Satz "Wir haben darüber in der Redaktion heftig diskutiert" fällt an diesem Abend einige Male, und nicht immer sei das Ergebnis der Diskussion zugunsten seines Standpunktes ausgefallen, sagt Kleber. Er erinnert sich an eine umstrittene Meldung Ende 2017: Ein junger Mann ersticht seine Ex-Freundin in einer Drogerie im rheinland-pfälzischen Kandel. Eine Beziehungstat, mehrmals im Jahr in Deutschland Realität, aber niemals im "Heute-Journal" ein Thema. Der junge Mann ist allerdings Afghane - das ändert die Berichterstattung im Land gravierend, fast alle Medien thematisieren diesen Fall. Aber das "Heute-Journal" zögert, wie Kleber erzählt, berichtet erst ausführlich am Tag darauf, als nach der Tat längst eine politische Diskussion entbrannt ist.

Entscheidungen wie diese haben den öffentlich-rechtlichen Sendern den Vorwurf der "Informationsunterdrückung" eingebracht. Kleber bleibt dabei, es sei die richtige Entscheidung gewesen, räumt aber ein: "Der Schlussredakteur und ich standen mit dieser Meinung allein auf weiter Flur."

Claus Kleber an der LMU: Zu der Diskussion sind etwa 1500 Zuhörerinnen und Zuhörer gekommen, sie füllen die Große Aula der LMU und zwei weitere Hörsäle.

Zu der Diskussion sind etwa 1500 Zuhörerinnen und Zuhörer gekommen, sie füllen die Große Aula der LMU und zwei weitere Hörsäle.

(Foto: Robert Haas)

Auch eine Frage aus dem Publikum zielt in diese Richtung: Was ging bei der Berichterstattung über die Kölner Silvesternacht von 2015/2016 schief, als das ZDF die Nachricht fast komplett übersah? Klebers Stimme wird leise, er beugt sich vor und spricht nah am Mikro. "Ich will Ihnen erzählen, wie es wirklich war", sagt er. Kommt nun das große Geheimnis? Nicht ganz. Aber ein reumütiges Eingeständnis: Eine "schwere journalistische Panne" sei das gewesen, die ihm und den Redakteuren bis heute peinlich sei. Eine sehr dünne Besetzung des Studios habe in der Nacht zu einer Fehleinschätzung geführt. Was ihn aber wirklich ärgert, sei die Tatsache, dass diese Erklärung offenbar noch nicht bei allen angekommen sei.

Und so bleibt dem Moderator nichts anderes übrig, als von Hörsaal zu Hörsaal zu pilgern und für das gute Image seiner Sendung zu werben, wie er sagt. Aufgehalten nur von ein paar höflichen Bitten nach Autogrammen.

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