Energiewende:Für Windräder ist kaum Platz

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Die Windräder bei Berg produzieren meist mehr Strom als in der Gemeinde gebraucht wird. Genaue Zahlen dazu liefert der Energiemonitor. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Schon früh zeigt sich: Die Ausweisung von Vorrangflächen wird in der Region München wohl das angestrebte Ziel verfehlen - das Umland ist einfach zu dicht besiedelt.

Von Bernhard Lohr, München

Nach und nach kristallisiert sich heraus, wie der Bau von Windkraftanlagen in der Region München ermöglicht werden soll. Doch je konkreter beim Regionalen Planungsverband (RPV) die Überlegungen für eine Ausweisung von Vorranggebieten werden, desto mehr zeigt sich, wie ehrgeizig es ist, in den acht Landkreisen um die Landeshauptstadt die vom Bund vorgegebenen 1,1 Prozent der Fläche bis Ende 2027 für Windkraft auszuweisen. "Das wird nur sehr schwer zu erreichen sein", sagte RPV-Geschäftsführer Marc Wißmann in einer Sitzung des Planungsausschusses im Münchner Rathaus.

Dort wurden die Eckpunkte vorgestellt, mit denen das Ziel erreicht werden soll: Mindestens 900 Meter Abstand sollen die - samt Rotor - bis zu 266 Meter hohen Anlagen nun zum nächsten Wohngebiet einhalten. Das ist deutlich weniger als die bis vor kurzem geltende 10-H-Regel, wonach Windräder zu Siedlungen das Zehnfache ihrer Höhe an Abstand einhalten mussten. In vielen Bereichen, wie etwa um den Verkehrsflughafen München oder auch besondere denkmalgeschützte Ensembles wie das Kloster Andechs, soll mit Windkraft dafür überhaupt nichts gehen.

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Mit dem Wind-an-Land-Gesetz des Bundes haben sich die Grundlagen für die Windkraft-Nutzung komplett geändert. Die 10-H-Regel des Freistaats ist ausgehebelt, nun müssen neue Kriterien erarbeitet werden, wo wie viele Windräder entstehen können. Seit 1. Juni stehen mit Inkrafttreten des novellierten Landesentwicklungsprogramms auch offiziell die Regionalen Planungsverbände in der Pflicht, dafür die landesplanerischen Grundlagen zu setzen. Bis Ende des Jahres soll im Planungsausschuss möglichst eine Karte vorliegen, wo Windkraft tatsächlich vorstellbar ist. 2024 soll dann ein öffentliches Beteiligungsverfahren anlaufen.

Wegen der engen Fristen wird schon länger daran gearbeitet: Die Kommunen mussten bereits potenzielle Flächen melden. Seit Dezember 2022 begleitet das Ganze ein Beirat, in dem Vertreter der Stadt München und aller Umland-Landkreise sitzen sowie aus Forstwirtschaft, Naturschutz, Stromwirtschaft und Wirtschaft, einschließlich Windkraftexperten.

Aktuell werden über ein Ausschlussverfahren die Flächen, die infrage kommen, immer kleiner. Denn zugrunde gelegt werden Windkraft-Modellanlagen mit einer Höhe von bis zu 266 Metern und ein maximaler Schallpegel von 107 Dezibel. Wie der Planungsverband mitteilt, hat der Beirat ermittelt, dass solche Anlagen nach dem Bundesimmissionsschutzrecht im Umkreis von 900 Metern zu Wohngebieten ausgeschlossen sind.

Für Wohngebäude im Außenbereich und Mischgebiete, in denen auch Gewerbe angesiedelt ist, muss ein Abstand von 550 Metern eingehalten werden, bei Gewerbegebieten von 300 Metern. Bei reinen Wohngebieten oder auch Krankenhäusern seien sogar Abstände von 1600 Metern zu berücksichtigen. Außer dem Ruhebedürfnis der Anwohner sei sicherzustellen, dass durch die hohen Anlagen keine "optisch bedrängende Wirkung" entstehe.

Sicherheitsabstände, Natur- und Denkmalschutz schränken den Spielraum ein

Darüber hinaus gilt es, Sicherheitsabstände zu militärischen Einrichtungen zu beachten, ebenso zu Straßen, Bahntrassen, Stromleitungen und eben auch Flughäfen. Bei Autobahnen beträgt der Schutzabstand, auf den man sich mittlerweile geeinigt hat, 195 Meter, bei Schienenanlagen 135 Meter. Ein Kriterium ist außer dem Naturschutz und dem Wasserschutz der Denkmalschutz. Auf Basis der 100 bedeutendsten Denkmäler in Bayern habe man eine Auswahl von Ausschlussbereichen getroffen, teilt der RPV mit. So ist im Umkreis von zweieinhalb Kilometern um die Münchner Frauenkirche dem RPV zufolge allein schon formal kein Windrad möglich.

Gleiches gilt für das Kloster Andechs, den Domberg und die Altstadt von Freising. Wie Thomas Bläser, der Regionsbeauftragte der Regierung von Oberbayern für die Region München, im Planungsausschuss sagte, sei im Einzelfall ein Puffer von zehn Kilometern zu prüfen. Zu diesen Ausschlusskriterien werden noch weitere Hindernisse hinzukommen: So arbeitet das Landesamt für Umwelt aktuell an einer artenschutzrechtlichen Prüfung.

Laut RPV-Geschäftsführer Marc Wißmann ergeben die vorläufigen Berechnungen nach den vorliegenden Kriterien schon jetzt eine stark reduzierte Suchfläche, die überhaupt noch in Betracht komme. Die Region München verfüge über besondere Rahmenbedingungen mit der Landeshauptstadt und den dicht besiedelten angrenzenden Räumen. Der zweitgrößte deutsche Verkehrsflughafen bringe großflächige Restriktionen mit sich. Dazu kämen militärische Aspekte wie die Hubschraubertiefflugstrecke Lechfeld und auch die ansonsten kleinteilige Siedlungsstruktur.

Erst zu einem späteren Zeitpunkt soll festgelegt werden, wie groß eine einzelne Windkraft-Vorrangfläche im Regionalplan mindestens sein soll. Derzeit arbeite man mit einer Größe von zwei Hektar, heißt es aus dem RPV. Auf diese Weise sollten ein ausreichendes Angebot für die Suche erhalten und kleinteilige Flächen einbezogen werden können, wie sie teilweise von Kommunen angeboten worden seien. Eine Zielvorgabe in der Vergangenheit war freilich gewesen, die Windkraftanlagen möglichst gebündelt zu platzieren und nicht gleichmäßig über die Region zu verteilen. Diese dürfe zu keinem "Streuselkuchen" werden.

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