Raumfahrt-Unternehmen:Isar Aerospace hebt ab nach Vaterstetten

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Die Produktion in Ottobrunn findet unter beengten Verhältnissen statt. Der Umzug soll Wachstum ermöglichen. (Foto: Florian Fechter/Isar Aerospace)

Die Raketenbaufirma aus Ottobrunn verlegt ihren Sitz in den Landkreis Ebersberg. Im dortigen Gewerbegebiet Parsdorf soll auch die Produktion von Trägerraketen massiv ausgebaut werden. Andere Gemeinden wie Taufkirchen, die sich Hoffnungen auf den Standort gemacht hatten, gehen damit leer aus.

Von Wieland Bögel und Bernhard Lohr, Ottobrunn/Vaterstetten

Von der norwegischen Insel Andøya soll noch in diesem Jahr der Jungfernflug abheben, die ersten Teile der von Isar Aerospace entwickelten Spectrum-Rakete sind gerade dort eingetroffen. Seit Mittwoch steht auch fest, von wo aus das Start-up-Unternehmen künftig die Entwicklung seiner Raumfahrtziele verfolgt: Nach einer zwei Jahre währenden Standortsuche gab der Ottobrunner Raketenbauer bekannt, den Firmensitz in den Landkreis Ebersberg zu verlegen und dort die Produktion seiner Trägerraketen massiv auszubauen. Noch dieses Jahr soll der Bau der Hallen beginnen, 2026 soll die Fertigung anlaufen. Was das für den traditionell starken Luft- und Raumfahrtstandort in Ottobrunn und Taufkirchen bedeutet, ist offen.

Das 2018 von drei Studenten der TU München gegründete Unternehmen zählt zu den großen Hoffnungsträgern in der Branche. Seit 2020 arbeitet man in Ottobrunn ähnlich wie in der Automobil- und Flugzeugindustrie an einer Serienfertigung von Trägerraketen, die Kleinsatelliten ins All bringen sollen. Geschäftsführer Josef Fleischmann, Mitgründer des Unternehmens, kündigt an, die europaweit "modernste Produktion für Trägerraketen" aufzubauen. "Wir glauben ganz fest daran, dass die Raumfahrt ein Geschäft ist, und kein Zuschussgeschäft vom Staat." Das Ziel sei ein "wirtschaftlicher und kosteneffizienter Bau" von Trägerraketen.

Isar Aerospace beschäftigt aktuell mehr als 400 Mitarbeiter aus 50 Ländern. Es gehört mit 330 Millionen Euro zu den am besten finanzierten Raumfahrt-Start-ups in Europa und will kräftig wachsen. Daniel Metzler, neben Fleischmann ebenfalls einer der Gründer von Isar Aerospace und Geschäftsführer, sagt, mit dem Standort in Vaterstetten lege man "sprichwörtlich das Fundament, Europas führender Anbieter für Satellitenstarts zu werden und kleinen und mittleren Satelliten einen nachhaltigen Zugang zum Weltraum zu ermöglichen".

Geschäftsführer Daniel Metzler sieht in Vaterstetten gute Voraussetzungen, um in eine Serienproduktion einzusteigen. (Foto: Friedrich Bungert)

Dafür braucht das rasant gewachsene Start-up-Unternehmen Platz. In Ottobrunn arbeitet man auf 8000 Quadratmetern. Hallen wurden angemietet, doch alles ist zu eng. Die nächste Stufe seiner Entwicklung zündet das Unternehmen nun gemeinsam mit dem Entwickler und Betreiber von Logistik- und Gewerbeimmobilien VGP, der 40 000 Quadratmeter Nutzfläche in Parsdorf schafft und an Isar Aerospace vermietet. Mit Krauss-Maffei und BMW ist der Gewerbepark dann mit 320 000 Quadratmeter vermietbarer Fläche voll belegt. Er ist auf 3000 Arbeitsplätze ausgelegt.

Die Entscheidung für Vaterstetten kommt zum einen überraschend. Die Gemeinde hatte anders als Ottobrunn, Taufkirchen, Haar und auch Feldkirchen, die als Standorte öffentlich im Gespräch waren, niemand auf dem Zettel. Andererseits folgt sie der von den jungen Inhabern des Start-ups propagierten Logik, in dem für Firmen aus der Luft- und Raumfahrt attraktiven Raum München bleiben zu wollen. In Ottobrunn und Taufkirchen soll eine Raumfahrtfakultät der TU entstehen. Dazu kommt das Know-how wie beim Raumfahrttest-Unternehmen IABG und bei Airbus. Geschäftsführer Fleischmann zufolge glaubt man, bei einem Wechsel ins zwölf Kilometer entfernte Vaterstetten die hochqualifizierte Belegschaft halten zu können. Man liege im Einzugsbereich des High-Tech-Hotspots Isar-Valley. Garching mit der TU und dem Forschungscampus ist sogar näher als von Ottobrunn und Taufkirchen aus und der Flughafen gut erreichbar. Die A 94 soll zudem am Kreuz München-Ost massiv ausgebaut werden.

Was wird jetzt aus dem geplanten Raumfahrt-Campus und der U5 nach Ottobrunn?

Das alles passt. Und vielleicht passt es sogar zu gut. Denn die gut 400 Studenten der neuen Luft- und Raumfahrtfakultät nutzen aktuell vor allem die Infrastruktur in Garching sowie angemieteter Räume am Flughafen. In Ottobrunn und Taufkirchen tut sich dagegen trotz der Ankündigung, dort unter dem Schlagwort "Bavaria One" eine Fakultät aufzubauen, bisher baulich nichts. Deshalb wächst am südlichen Stadtrand von München die Nervosität. Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) beklagte erst jüngst die Funkstille von Seiten des Wissenschaftsministeriums und Münchens Landrat Christoph Göbel (CSU) wies darauf hin, wie wacklig der Ausbau der U5 nach Ottobrunn noch sei, der mit dem geplanten Campus zusammenhängt.

Göbel gab sich aber am Donnerstag entspannt und sagte: "Auch ein Standort im unmittelbaren Umfeld muss nicht zu unserem Nachteil sein." Die räumliche und inhaltliche Nähe zum Campus der TU bleibe erhalten. "Ernsthafte Auswirkungen auf den geplanten Luft- und Raumfahrtcampus in Ottobrunn/Taufkirchen sehe ich deshalb nicht." Auch Taufkirchens Bürgermeister Ullrich Sander (parteifrei) bleibt trotz der Standort-Entscheidung von Isar Aerospace vorsichtig optimistisch. In Gesprächen sei zuletzt signalisiert worden, dass der Baubeginn für den TU-Campus anstehe. "Wir gehen davon aus, dass im ersten Halbjahr der erste Bauantrag hereinkommt", so Sander. Das Wissenschaftsministerium äußerte sich am Donnerstag nicht zu der Entscheidung von Isar Aerospace und einer Anfrage der SZ nach möglichen Konsequenzen.

Haar und Feldkirchen sind bereits vor einiger Zeit aus dem Wettbewerb ausgestiegen

Bis zuletzt war ein Ausbau des Firmensitzes in Ottobrunn offiziell eine Option, wobei die Frage war, wo das geschehen könnte, denn in der dicht besiedelten Gemeinde gibt es kaum freie Flächen. Das nahe Taufkirchen stellte wiederum Flächen an der Autobahn in Aussicht und machte sich Hoffnungen, wobei Bürgermeister Sander nach eigenen Worten schon geahnt haben will, dass Isar Aerospace anderswo ernsthaft in Gesprächen ist. Der Kontakt sei nur noch spärlich gewesen. Die Gemeinde Haar hatte sich bereits im September 2022 aus dem Rennen genommen, als es die angebotene Fläche auf acht Hektar begrenzte. Feldkirchen hatte Vorarbeit geleistet für eine Ansiedlung, stieg aber vor zwei Wochen entnervt aus dem Werben aus, weil man sich hingehalten fühlte. Bürgermeister Andreas Janson (UWV) sagt jetzt, immerhin bleibe das Unternehmen im Raum München. Er habe womöglich sogar ein Wegzug ins europäische Ausland gedroht.

Die etwas schwierigen Verhandlungen mit den direkten Nachbarn könnten laut Vaterstettens Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) ein Grund dafür gewesen sein, dass sich die Firma für den Standort in Parsdorf III entschieden hatte. Dieser ist sofort verfügbar, im Gewerbegebiet besteht seit mehr als vier Jahren grundsätzlich Baurecht. Und zwar nicht nur für die Hallen, in denen mittlerweile Krauss-Maffei und BMW eingezogen sind, sondern auch für einen Bauplatz, der in den Plänen immer nur als "Halle D" eingezeichnet ist. Ursprünglich hätte Krauss-Maffei diese errichten und nutzen wollen, bereits 2020 hieß es aber aus dem Vaterstettener Bauamt, dass vermutlich ein anderer Nutzer einzieht.

Welcher das sein könnte, darüber sei der Gemeinderat Ende vergangenen Jahres informiert worden, so Spitzauer. Das Gremium habe in nicht öffentlicher Sitzung der Ansiedlung der Raketenfirma zugestimmt. Sehr viel mehr als diesen baurechtlichen Aspekt habe Vaterstetten nicht mit der Sache zu tun gehabt. Die Verhandlungen seien über den Gewerbegebiets-Investor VGP gelaufen.

Im Landkreis Ebersberg hofft man jetzt auf weitere High-Tech-Firmen

Für Vaterstetten ist die Ansiedlung laut Rathaus eine gute Nachricht. Zum einen, weil das Gewerbegebiet früher als geplant voll bezogen wird: Der bislang immer kommunizierte Zeitplan sah einen Baubeginn für Halle D frühestens Ende 2026 vor, laut VGP will Isar Aerospace dagegen noch heuer mit dem Bau beginnen. Zum anderen "finde ich es natürlich toll, dass so eine Firma kommt", so Bürgermeister Spitzauer. "Vielleicht laden sie mich auch mal nach Schweden ein." Dort, genauer auf dem "Esrange"-Weltraumzentrum im nordschwedischen Kiruna, werden die Raketen getestet.

Ein solches Unternehmen "ist fortschrittlich und innovativ, das passt in den Landkreis", freut sich Ebersbergs Landrat Robert Niedergesäß (CSU). Isar Aerospace sei trotz der Bezeichnung Start-up bereits in der Entwicklung sehr fortgeschritten, und werde "die wirtschaftliche Landschaft im Landkreis erweitern". Dass die Wahl auf Parsdorf III fiel, habe sicher damit zu tun, dass, "solche Flächen in der Region ja nicht breit verteilt sind".

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Idealerweise könnte die Neuansiedlung dazu führen, dass weitere innovative Firmen den Landkreis Ebersberg als Standort wählten. Ebersbergs Landrat denkt etwa an Poing, wo auch noch Gewerbeflächen verfügbar sind. Seitens des Landratsamtes werde man auf jeden Fall "alles tun, um den Unternehmen zu helfen".

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