Sport und Corona:"Nehmt den Fußball alle nicht so ernst"

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Erster Blick zurück und nach vorne: Unterhachings Klubpräsident Manfred Schwabl. (Foto: Sebastian Widmann/Getty Images)

Manfred Schwabl, Präsident der Spielvereinigung Unterhaching, über den Abstieg in die Regionalliga, den Jung-Nationalspieler Karim Adeyemi, die Pläne des Vereins für die Zukunft und die Pandemie.

Von Stefan Galler, Unterhaching

Der Absturz in den Amateurfußball, eine spektakuläre Trainerverpflichtung, ein schwerer Corona-Ausbruch und die Aussicht auf mehrere Millionen Euro durch den Folgetransfer eines Spielers, der längst verkauft worden ist - das Jahr der Spielvereinigung Unterhaching war turbulent wie kaum eines zuvor. Vereinspräsident Manfred Schwabl blickt im Interview zurück auf diese bewegten Monate und erklärt, wie er den Verein in den nächsten Jahren ausrichten will.

SZ: Herr Schwabl, was war der Moment des Jahres für Sie? Fangen wir mit den positiven Erlebnissen an.

Manfred Schwabl: Ganz klar die Nominierung unseres früheren Jugendspielers Karim Adeyemi für die Nationalmannschaft im September und sein Debüt gegen Armenien in Stuttgart, als er gleich noch sein erstes Tor erzielte. Ich war selbst im Stadion und konnte ihn nach dem Spiel persönlich beglückwünschen. Das war ja nicht nur für ihn und für mich ein tolles Erlebnis, sondern auch für unseren gesamten Verein.

Aus Unterhaching in die Nationalmannschaft: Karim Adeyemi. (Foto: Laci Perenyi /imago images)

Obwohl Adeyemi ja gar nicht mehr bei Haching spielt. Aber offenbar haben Sie bei dem Transfer 2018 gut verhandelt, als der damals 16-Jährige für 3,35 Millionen Euro zu Red Bull Salzburg wechselte...

Ja, wir erhalten gut 20 Prozent der Ablösesumme, wenn Karim weiterverkauft wird. Und das gilt übrigens für alle Einnahmen, die Salzburg mit diesem Spieler verbucht. Also womöglich sogar für einen weiteren Weiterverkauf.

Es wird darüber spekuliert, dass ein Wechsel in die deutsche Bundesliga bevorsteht. Da könnten bis zu 40 Millionen Euro aufgerufen werden.

Meine Botschaft ist: Karim sollte nicht den dritten Schritt vor dem zweiten machen. Eine solide Entwicklung ist wichtiger, als zu schnell zu hoch hinaus zu wollen. Jetzt in die Bundesliga zu gehen, ist vernünftig, weil er dort auch die dringend nötigen Einsatzzeiten bekommen wird. Man darf nicht vergessen, dass 2022 eine Weltmeisterschaft und 2024 die EM im eigenen Land ansteht. Langfristig sehe ich ihn aber definitiv in der englischen Premier League, dort passt er wegen seiner Physis und seiner Schnelligkeit am besten hin.

Womit wir bei der Frage wären, was denn der negative Höhepunkt des Jahres 2021 gewesen ist.

Das war natürlich der Abstieg aus der dritten Liga. Vor allem das Heimspiel fünf Runden vor Saisonschluss, als wir gegen Türkgücü sang- und klanglos mit 0:2 verloren haben, obwohl wir dringend hätten gewinnen müssen, hat mich schwer getroffen. Da hätte ich im Nachhinein lieber die A-Jugend auflaufen lassen, als mir so einen Mist anzuschauen.

Im Sommer kam dann für den Wiederaufbau ein neuer Trainer, Arie van Lent musste gehen und wurde von Ex-Nationalspieler Sandro Wagner ersetzt, der eigentlich als U19-Coach vorgesehen war.

Sandro ist einfach ein Glücksfall für uns. Ich glaube aber, er hat sich die Aufgabe leichter vorgestellt, als sie ist. Unsere Zugänge, die von anderen Klubs kamen, haben alle lange nicht gespielt, er muss mit dieser nicht einfachen Personalsituation umgehen. Aber Sandro ist ein wahnsinnig positiver Typ, er ist brutal empathisch und immer offen für Meinungen. Er macht auch keinen Unterschied, was die Wertschätzung seines Gesprächspartners angeht, egal ob das ich bin oder ein U11-Spieler. Er lässt sich nie den Mister Oberwichtig heraushängen.

Seit Sommer Trainer: Ex-Nationalspieler Sandro Wagner. (Foto: imago images)

Wie bewerten Sie seine Tätigkeit als Fernsehexperte bei Dazn?

Seine Arbeit für uns wird dadurch nicht beeinträchtigt und für das Image des Vereins ist es natürlich sehr gut, weil damit auch wir zusätzlich in der Öffentlichkeit stehen.

Nun lief die bisherige Regionalligasaison aber alles andere als wunschgemäß. Haching liegt nach 22 von 38 Spielen mit 36 Punkten nur auf Rang acht.

Man muss einräumen, dass das Gerüst der Spieler, das wir im Sommer geholt haben, den Erwartungen hinterherhinkt. Tabellarisch geht nach oben und unten nichts mehr. Und deshalb werden wir unsere Strategie jetzt auch leicht verändern: Natürlich bleibt der Wiederaufstieg unser sportliches Ziel, das gebietet schon der Ehrgeiz. Aber wir werden uns Zeit lassen, um uns zu konsolidieren und künftig noch mehr auf den Nachwuchs setzen. Es muss vielmehr darum gehen, den Verein so aufzustellen, dass er auch dann überlebt, wenn wir nicht mittelfristig in der zweiten Liga spielen. Zumal wir davon ja jetzt schon zwei Aufstiege entfernt sind.

Aber wie ist das zu bewerkstelligen? Alleine die TV-Vermarktung zeigt doch, wie dringend notwendig es wäre, nach oben zu kommen: In der Regionalliga gibt es keine Fernsehgelder, in der dritten Liga ist es etwa eine Million und in der zweiten Liga bekommt man dann plötzlich circa 15 Millionen Euro.

Corona hat viele Dinge geradegerückt: Es geht verstärkt auch um wirtschaftliche Themen abseits der Fernsehgelder und darum, sich als Verein sozial einzubringen. Wir haben nur eine Chance: In unser Nachwuchsleistungszentrum weiter investieren und in unsere Infrastruktur. Und genau das werden wir noch verstärkter tun. Wir haben ja ein Grundstück neben dem Stadion erworben und wollen hier eine sinnvolle Nutzung anbieten.

Das heißt im Umkehrschluss: Keine externen Neuzugänge mehr für die erste Mannschaft?

Natürlich bleibt die erste Mannschaft unser Aushängeschild. Aber in gewissem Sinne verschieben sich die Wertigkeiten und das will ich gar nicht schönreden. Wir sind bereits dabei, die nächste Saison sportlich zu planen. In der Rückrunde haben jetzt alle die Chance, sich für eine Weiterbeschäftigung zu empfehlen. Aber wir können keine große Rücksicht auf Einzelschicksale nehmen.

Es sollen also künftig nach dem Vorbild Adeyemis weitere Spieler gewinnbringend verkauft werden?

So wie es sich derzeit entwickelt, können wir mit unseren Talenten hohe Transfererlöse erzielen. Nehmen wir U17-Nationalspieler Maurice Krattenmacher, der in der B-Jugend-Bundesliga in 13 Spielen 18 Tore geschossen hat und bei uns einen längerfristigen Vertrag hat. Er kam vor sechs Jahren vom FC Bayern zu uns, dort wollte man ihn nicht mehr, weil sein Vater angeblich schwierig sei. Ich kann nur sagen, dass es bei uns noch nie ein Problem mit dem Spieler oder dessen Vater gegeben hat.

Im Jugendbereich läuft es hervorragend, die U17 ist Tabellenzweiter vor Klubs wie Freiburg, Bayern oder Hoffenheim oder Augsburg. Und die U19 liegt als Bundesligaaufsteiger im oberen Tabellendrittel...

Das ist der Verdienst der Ausbilder im Nachwuchsleistungszentrum und insbesondere von NLZ-Cheftrainer Marc Unterberger. Wir wollen nachhaltig und langfristig in allen höchstklassigen Jugendligen vertreten sein und da sind wir auf einem sehr guten Weg.

Sie haben Corona vorhin angesprochen: Auch die SpVgg wurde im Herbst von der Pandemie hart getroffen.

Das war wirklich merkwürdig: Als keiner geimpft war, hatten wir keine Probleme. Dann haben sich plötzlich zwölf Spieler infiziert, von denen einer genesen und zehn geimpft waren, darunter auch mein Sohn Markus. Und dann war ja sogar meine kleine Enkeltochter betroffen, gottseidank nicht dramatisch. Richtig ärgerlich war, dass unser Gegner Bayreuth damals die positiven Tests angezweifelt hat. Da kann ich nur sagen: Nehmt den Fußball alle nicht so ernst, schon gar nicht in unserer Hammelliga!

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