Kultur und Gastronomie:"Eine sichere und pragmatische Vorgehensweise"

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Leere Stühle warten in den Kammerspielen auf Publikum. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Mehr als 100 Akteure aus der Kultur und der Tourismus-Branche rufen die Politik dazu auf, Öffnungsstrategien jenseits von Inzidenzwerten vorzulegen. Sie fordern ein Modellprojekt erproben zu dürfen.

Von Susanne Hermanski

Die Pandemie trifft kaum andere Branchen so drastisch wie Kultur und Tourismus. In guten Zeiten sind sie eng miteinander verbunden, nun demonstrieren sie nach einem verheerenden Jahr den Schulterschluss. Mehr als 100 prominente Akteure aus beiden Bereichen haben ein Papier unterzeichnet, in dem sie die Politik zum Umdenken bewegen wollen. Von deren Dauer-Lockdowns und dem andauernden Über-den-Haufen-Werfen ohnedies vager Lockerungsszenarien sind Gastronomen und Künstler aufgerieben.

Deshalb haben sie sich auf eigene Faust mit dem Thema Teststrategien beschäftigt - auch mit dem Tübinger Modell. Aus Sicht der Unterzeichner lassen die vorhandenen, bereits erprobten Testmöglichkeiten auch für München "eine sichere und pragmatische Vorgehensweise" zu, sie fordern ein Modellprojekt erproben zu dürfen. Denn die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz vom 22. März und die damit verbundenen Einschränkungen ließen "erneut jegliche Perspektive für ein öffentliches Leben vermissen". Andernorts, wie in Berlin und Tübingen, würden über solche Pilotprojekte bereits neue Wege im Sinne einer sicheren Öffnung beschritten.

Auch vor dem Bratwurst Glöckl am Dom dürfen keine Gäste Platz nehmen. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Für überzeugend halten sie insbesondere das Konzept eines dezentralen "Remote-Testings". Es eröffnet die Möglichkeit, mit nur einem Test verschiedene Orte innerhalb eines definierten Zeitfensters von 24 Stunden zu besuchen. Oberbürgermeister Dieter Reiters Absage von allen weiteren Öffnungsschritten für München in der vergangenen Woche, habe vor allem eines gezeigt: "Inzidenzbasierte Öffnungsszenarien sind kein gangbarer Weg."

Reiter spare selbst nicht an Deutlichkeit, wenn er von einer "kaum gegebenen Planbarkeit" spreche und der Gesellschaft weitere "Notbremsen" ersparen wolle. Unterdessen zeigten wissenschaftliche Untersuchungen aus Dortmund, Berlin und München sowie Nürnberg, die bereits seit mehreren Monaten vorliegen, dass Öffnungen unter Einhaltung der Hygienekonzepte sehr wohl sicher sind. Das geforderte Remote-Testing-System solle es Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, sich in einem nahen Zentrum testen zu lassen und nach einem schnell gelieferten Ergebnis 24 Stunden lang all das zu tun, was zu einem öffentlichen gesellschaftlichen Leben gehört: etwa im Einzelhandel einkaufen zu gehen, im Restaurant zu essen und einen abendlichem Kulturbesuch zu unternehmen.

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In Tübingen wird dazu ein digitales System eingesetzt, welches mittels Smartphone den QR-Code auf einem Bändchen der Testperson ausliest und auf anonymer Datenbasis die Zugangsbestätigung ermöglicht. Mit Frühlingsbeginn würden die Menschen den öffentlichen Raum nutzen, "ob mit oder ohne Teststrategie", glauben die Unterzeichnenden. Sie appellieren deshalb dringend an die Politik, umgehend eine entsprechende Teststrategie für München zu realisieren. "Mit großen Anstrengungen bewältigen und finanzieren die Bürger und Steuerzahlerinnen seit Monaten den Stillstand von gesellschaftlichem Leben und Wirtschaft. Es ist an der Zeit, in Lösungen zu investieren", heißt es im Papier der Unterzeichner.

Schützenhilfe erhalten sie von Münchens Kulturreferenten Anton Biebl. Er begrüßt den Vorstoß der Münchner Kulturinstitutionen. "Die Kulturveranstalter haben sich mit dem Einzelhandel, der Gastronomie und der Tourismuswirtschaft richtigerweise verbündet", sagt er. Konkrete Perspektiven stärkten die bröckelnde Akzeptanz für Einschränkungen. "Für alle Menschen ist seit einem Jahr das Leben ein anderes", glaubt Biebl. Für viele sei es eine existenzielle Erfahrung, und das meine mehr als nur die finanzielle Unsicherheit, in der sie sich befänden. "Jetzt brauchen wir Motivation und Inspiration. Dann haben wir hoffentlich die Kraft, weiter durchzuhalten, bis der Großteil der Bevölkerung geimpft ist."

Und auch der Kunstminister Bernd Sibler bekundet: "Ich denke in die gleiche Richtung wie die Münchner Initiative: Zum Beispiel nehmen wir mit unserem geplanten Modellprojekt für bis zu drei Theater-, Konzert- oder Opernhäuser in Bayern ebenfalls umfassende Testkonzepte in den Blick. Wieder mehr Kunst und Kultur, mehr Freude und Kreativität im Freistaat: Das ist mein Plan für den Frühsommer."

© SZ vom 26.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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