Großlagen:Die Münchner Polizei ist überlastet

München: Regionalliga / Derby FC Bayern II v TSV 1860 II

Die hohe Belastung der Polizei ist nicht nur der Weltlage zuzuschreiben: Die Stadt wächst schnell, die Zahl der Polizisten stagniert. Auch der Schutz von Fußballspielen ist aufwendiger geworden.

(Foto: Johannes Simon)
  • Münchens Polizisten haben mehr als eine halbe Million Überstunden angesammelt. Seit 2010 hat sich die Zahl mehr als verdoppelt.
  • Das liegt auch an der weltweit angespannten Sicherheitslage: Flüchtlingskrise, Terroralarm, Hochsicherheits-Wiesn, Bewachung von Konsulaten.
  • Der zweite Grund: Die Stadt wächst schnell, die Zahl der Polizeistellen stagniert aber.
  • Mehr Stellen sind jedoch unwahrscheinlich - weil München so sicher ist.

Von Thomas Schmidt

Wiesn und Pegida, Sicherheitskonferenz und Terrorgefahr, G-7-Gipfel und Fußball: Auf den Arbeitszeitkonten von Münchens Polizisten stehen inzwischen weit mehr als eine halbe Million Überstunden. Ihnen bleibt immer weniger Zeit, um kurz nach Luft zu schnappen; ein Großeinsatz folgt dem nächsten. Seit 2010 hat sich die Zahl der Überstunden mehr als verdoppelt.

Gewerkschafter warnen, die Grenze der Belastbarkeit sei längst erreicht. "So kann es nicht weitergehen", kritisiert Oskar Schuder, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in München. "Es muss etwas unternommen werden."

Ende 2016 hatten allein die 5700 Mitarbeiter des Präsidiums München etwa 512 000 "Mehrarbeitsstunden" angehäuft, also knapp 90 pro Kopf. Hinzu kommen gut 160 000 Stunden ihrer 1800 Kollegen vom Landeskriminalamt. Wie es bei den 4900 Beamten der Bundespolizeidirektion München aussieht, dazu gibt es keine offizielle Statistik. Geht man bei ihnen von einer vergleichbaren Pro-Kopf-Belastung aus, landet man bei weit über einer Million Überstunden von Münchner Polizisten.

Wie in jeder Firma ist auch bei der Polizei die Belastung unterschiedlich verteilt. Laut Thomas Bentele von der GdP sind etwa die Kräfte des Staatsschutzes sowie die Kriminalpolizei besonders betroffen. "Wenn es darum geht, einen Mörder zu fassen, gibt jeder sein Äußerstes", sagt Bentele. Doch die hohe Belastung gehe quer durch alle Reihen. München ist statistisch gesehen zwar die sicherste Stadt Deutschlands, "aber irgendwann kommt der Punkt, an dem dieses hohe Niveau nicht mehr zu halten ist", mahnt sein Kollege Schuder.

Es gibt zwei wesentliche Gründe, warum die Belastung in wenigen Jahren derart gestiegen ist - einen lokalen und einen internationalen. Letzterer ist die weltweit angespannte Sicherheitslage, die sich auf München spürbar auswirkt. Nach dem aufwendig bewachten G-7-Gipfel im Sommer 2015 auf Schloss Elmau wollte man den Polizisten eigentlich etwas Ruhe gönnen, um überzählige Stunden abzubauen. Doch seitdem ging es Schlag auf Schlag: Die Flüchtlingskrise mit ihrem Höhepunkt in München im Spätsommer 2015, der Terroralarm in der Silvesternacht 2015/16, der Amoklauf in München, die Hochsicherheits-Wiesn 2016, der Schutz von Weihnachtsmärkten nach dem Anschlag von Berlin, die jährliche Sicherheitskonferenz, nicht enden wollende Pegida-Aufmärsche - die Liste wird immer länger.

Für die Beschäftigten des Landeskriminalamts sind auch noch der Sprengstoffanschlag von Ansbach und die Messerattacke bei Würzburg im Juli zu nennen. Großlagen, wie die Polizei das nennt, gab es auch früher schon. Aber die Taktung wird enger, es gibt kaum noch Ruhephasen.

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